Fast eine Stunde nahm sich Andy Schleck gestern für die Presse Zeit. Das Interesse am 25-Jährigen ist ungebrochen groß, auch wenn er nicht mehr das „Maillot jaune“ hat: „Um ehrlich zu sein, ich habe noch nie so viele Journalisten und Kameras um mich gesehen. Das ist cool“, lachte er.
Aus Pau berichten„T“-Redakteur Kim Hermes (khe) und „T“-Radsport-Experte Petz Lahure (P.L.)
Es geht eben um nichts Geringeres als den Sieg bei der Tour de France. Das weiß auch Schleck: „Morgen entscheidet es sich“, ist er sich sicher. Für ihn, oder für Alberto Contador.
Du hast am Montag gesagt, dass du eine Menge Wut in dir hast. Ist die verraucht oder lodert es immer noch in dir?
A.S.: „Ich habe mein letztes Wort in dieser Tour noch nicht gesprochen. An dem Tag war ich wütend, das stimmt. Jetzt bin ich nicht wütend, sondern einfach sehr motiviert für morgen. Ich hoffe nur, dass ich das auf dem Rad umsetzen kann.“
Wie viel Vorsprung müsstest du denn am Donnerstag Abend haben, um in Paris in Gelb zu sein?
A.S.: „Das ist schwer zu sagen. Erst mal muss ich in Gelb sein, um die Tour zu gewinnen. Es gibt nur eine Chance und das ist morgen. Danach ist es vorbei. Ob ich jetzt eine Minute oder 30 Sekunden brauche, kann ich nicht sagen. Ich bin sicher, dass ich ein gutes Zeitfahren hinlegen werde. Aber Alberto ist ein Spezialist in dieser Disziplin, dort werde ich ihn nicht schlagen. Aber mit einer Minute Vorsprung wäre ich zufrieden. Wenn es mehr wird, umso besser, aber weniger kann auch reichen.“
Ist das drin, eine Minute?
A.S.: „Ja.“
Du hast am Sonntag gesagt, dass du gesehen hättest, dass Contador einen guten Tag hatte. Woran sieht man, ob er einen schlechten Tag hat?
A.S.: „Schwer zu sagen. Aber die Tour geht langsam zu Ende und mir läuft die Zeit davon. Ich kann jetzt nicht warten, bis er einen schlechten Tag hat. Es gibt nur noch eine Chance und das ist morgen. Ich muss alles versuchen.“
Gibt es verschiedene Möglichkeiten?
A.S.: „Es gibt nur einen Weg und das ist der Anstieg zum Tourmalet. Wenn du es vorher versuchst, wirst du scheitern.“
Überrascht, dass du und Contador so nah beieinander liegt?
A.S.: „Letztes Jahr war der Unterschied im Zeitfahren sehr groß, und auch in den Bergen konnte ich ihm nicht folgen. Dieses Jahr ist das anders. Er liegt in der Gesamtwertung acht Sekunden vor mir. In den Bergen sind wir nah beieinander, mal sehen, wie es im Zeitfahren läuft. Letztes Jahr war ich Zweiter und ich habe dieses Jahr gesagt, dass ich in die Tour komme, um zu gewinnen. Das war das Ziel dieser Saison. Die erste Saisonhälfte lief nicht wie gewünscht und das hat mir noch mal mehr Motivation gegeben. Vielleicht bin ich deshalb jetzt auf diesem Niveau.“
Ist er schwächer oder du stärker?
A.S.: „Ich denke, ich habe Fortschritte gemacht. Man muss ja auch die Abstände hinter uns sehen. Aber wir sehen auch, dass manche Fahrer stärker sind als zu Beginn der Tour. In den Alpen waren es er und ich. Jetzt sind da noch Sanchez, Van den Broeck und Mentschow, der morgen eine wichtige Rolle spielen könnte.“
Wie gefährlich ist er?
A.S.: „Er ist gefährlicher, als alle glauben. Er steht ein bisschen zurück, keiner redet von ihm, aber er ist bereit. Ich sehe jeden Tag, wie er fährt. Er wird morgen auf jeden Fall da sein und auch ein gutes Zeitfahren hinlegen. Man muss auf ihn aufpassen.“
Du hast Frank in der ersten Woche verloren. Wäre die Gesamtwertung eine andere, wenn er noch dabei wäre?
A.S.: „Das ist wirklich schwer zu sagen. Als wir in die Tour kamen, lagen der ganze Druck und das Interesse der Medien auf mir. Aber eine unserer besten Karten war Frank. Er war in einer super Form, vielleicht sogar besser als ich. Er kam gerade aus der Tour de Suisse, die er gewonnen hatte, und war auf einem Top-Level. Ich zweifele nicht daran, dass er jetzt unter den ersten drei der Gesamtwertung wäre.“
Wie sehr hat er dir gefehlt?
A.S.: „Es war die ersten Tage sehr hart. Ich zeige nicht so viele Emotionen, aber ich habe viel an ihn gedacht. Ich habe auch jetzt einen guten Zimmerkameraden, aber mit Frank ist es speziell. Und ihn so zu verlieren, war hart. Aber ich habe mir an dem Tag gesagt, dass ich auf mein Ziel fokussiert sein muss. Das habe ich gut hingekriegt und ich bin noch nicht fertig. Es können noch großartige Sachen passieren, aber natürlich wäre ich froh, wenn er noch da wäre.“
Was wäre denn, wenn der Zeitunterschied zwischen Contador und dir in Paris kleiner wäre als die 39 Sekunden, die er dir am Montag abgenommen hat?
A.S.: „Das würde einfach heißen, dass es nicht hat sollen sein, dass ich die Tour in diesem Jahr gewinne. Die Geschichte zwischen Alberto und mir ist abgeschlossen.“
Wenn seine Kette morgen abspringt, was machst du dann?
A.S.: (lacht) „Das wird nicht passieren. Die Tour wird nicht dadurch entschieden, ob eine Kette abspringt oder nicht.“
Woraus ziehst du die Zuversicht, dass du ihm morgen eine Minute abnehmen kannst?
A.S.: „Das ist einfach mein Gefühl. Ich spüre, dass ich noch nicht alles herausgeholt habe. Als meine Kette absprang, habe ich einen relativ großen Rückstand im Anstieg wettgemacht. Ich weiß, dass ich noch nicht alles gegeben habe.“
Das heißt aber nicht, dass du die Tour bisher mit 80% gefahren bist?
A.S.: „Nein, nein, das darf man nicht falsch verstehen. Ich denke nur, dass ich in den Anstiegen noch mehr geben kann.“
Und das sehen wir morgen?
A.S.: „Ich hoffe doch.“
Um alles zu gewinnen, musst du es vielleicht riskieren, das Podium zu verlieren. Bist du dazu bereit?
A.S.: „Ja, das bin ich. Ich habe schon gesagt, dass ich alles versuchen muss. Ich will hier gewinnen. Vielleicht muss ich den zweiten Platz aufs Spiel setzen. Aber ich habe einen guten Vorsprung, ich denke nicht, dass ich so viel verlieren werde. Ich bin in der Form meines Lebens. Ich war gestern gut drauf, am Tag vorher auch. Warum sollte das morgen anders sein? Dafür gibt es keinen Grund.“
khe
De Maart
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