Tageblatt: Sie haben Ihr Amt 1988 angetreten, was hat sich seitdem an der Situation im Land geändert?
Henri Goedertz: „Als ich anfing, gab es keine Behandlungsmöglichkeit. Wer an Aids erkrankte, musste relativ rasch und auf eine schreckliche Art sterben. Das ist heute anders.
Aids ist jetzt im Prinzip eine chronische Infektion und es gibt Medikamente, die dem Patienten ermöglichen, mit einer recht guten Lebensqualität weiterzuleben. Vor 20 Jahren waren wir eigentlich noch ‚Sterbebegleiter‘, heute sind wir für die ‚Lebensbegleitung‘ für derzeit im Schnitt rund 200 Erkrankte pro Jahr zuständig. Die Zahl der Neu-Infizierungen in Luxemburg, wo es schätzungsweise 700 bis 1.000 HIV-Positive gibt, lag in den 1990er Jahren zwischen 25-30 pro Jahr. Leider ist diese Zahl seit der Jahrtausendwende angestiegen und pendelt derzeit zwischen 50 und 70.
Bislang wurden für 2010 insgesamt 58 neue Fälle bekannt.
Die Tatsache, dass die Zahl der Neu-Infektionen wieder ansteigt, hängt damit zusammen, dass die Aids-Problematik heutzutage weniger mediatisiert wird, es wird weniger darüber gesprochen.“
Was muss in Luxemburg in Sachen Aids-Bekämpfung noch verbessert werden?
„Wir raten jedem, der sich in der Vergangenheit auf sexueller Ebene einem Risikoverhalten ausgesetzt hat, sich unbedingt testen zu lassen. Wenn eine eventuelle Erkrankung rechtzeitig erkannt wird, dann sind die Chancen, dass man relativ normal weiterleben kann, recht groß.
Und genau hier müsste mehr geschehen: In Luxemburg ist es lediglich an zwei Orten möglich, sich anonym und kostenlos einem HIV-Test zu unterziehen, im Staatslaboratorium und im hauptstädtischen ‚Centre hospitalier‘. Es müssten weitere solche Stellen geschaffen werden.“
Wie steht die „Aidsberodung“ zum „Vorstoß“ des Oberhauptes der Katholischen Kirche, Präservative in bestimmten Fällen zu tolerieren?
„Besser spät als nie! Wenn ich die Aussage der Kirche richtig interpretiere, sollen Kondome künftig benutzt werden dürfen, wenn es darum geht, die Verbreitung von Krankheiten zu verhindern. In dem Sinne betrifft dies nicht nur ‚einzelne Fälle‘. Und das begrüßen wir als ‚Aidsberodung‘ eigentlich. Auch wenn wir bedauern, dass, wie schon erwähnt, dieser Schritt sehr spät kommt.“
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