Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi eröffnete am Mittwoch bei einem Besuch in Berlin das Rennen um die Nachfolge von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet offiziell auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs: „Es ist klar, dass es für uns eine große Ehre sein würde, wenn die europäische Auswahl auch wirklich den Notenbankchef aus Italien bestimmen würde“, sagte Berlusconi auf die Frage, ob er Mario Draghi gerne als Nachfolger des im Herbst nach acht Jahren aus dem Amt scheidenden Franzosen sehen würde.
Da Draghi, ein hochqualifizierter Finanzfachmann mit Karriere in Politik und der Bankenwelt, seit vielen Monaten als einer der beiden vielversprechendsten Kandidaten gilt, ist die Festlegung Berlusconis bemerkenswert. Denn bisher haben allenfalls Finanzminister über die Nachfolge Trichets spekuliert. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel dagegen vermeidet seit Monaten jede Festlegung in der Frage, ob sie eine Kandidatur von Bundesbank-Präsident Axel Weber unterstützen würde. Dabei wird Merkel auch von Euro-Partnern dazu gedrängt, endlich Position zu beziehen. Die Standardformel aus deutschen Regierungskreisen lautet dagegen bislang: „Weber wäre sicher ein guter Kandidat, wenn er denn antreten würde.“ Man werde sich aber erst dazu äußern, wenn es „Zeit“ sei.
Schweigen
Wann dies der Fall sein wird, war bisher nicht klar abzusehen. Nach Berlusconis Festlegung auf Draghi gerät Merkel jedoch in Zugzwang. Äußert sich die Bundesregierung nicht umgehend, ob sie einen deutschen Kandidaten ins Rennen schickt, könnte dies als Verzicht gewertet werden. Falls ein solcher allerdings nicht beabsichtigt ist, könnte das anhaltende Schweigen den Kandidaten Weber beschädigen, noch bevor das finale politische Tauziehen überhaupt begonnen hat.
Klar ist, dass die Besetzung des EZB-Toppostens im Zusammenhang mit der Euro-Stabilisierung und der Verschärfung der Sparanstrengungen entschieden wird. Hier sind die Fronten klar: Während es in der „Südfraktion“ der EU Vorbehalte gegen Weber und dessen harten geldpolitischen Stabilitätskurs gibt, wird Merkel keinen Kandidaten akzeptieren, der nicht 100-prozentig die deutsche Philosophie der Unabhängigkeit der EZB und der Notwendigkeit eines strikten Kampfes gegen die Inflation vertritt. In den vergangenen Wochen hatte es in der Bundesregierung schon erheblichen Unmut darüber gegeben, dass Trichet Positionen vertrat, die aus Sicht Berlins die Zweifel am Euro eher anheizten statt eindämmten.
Chancen
Weil in Europa so gut wie alle annehmen, dass die EZB-Frage auch mit anderen Themen verbunden wird, ist eine andere Personalie in diesem Zusammenhang wichtig: Am Mittwoch erfuhr Reuters aus mit der Situation vertrauten Kreisen in Italien, dass der 49-jährige Italiener Andrea Enria zum Chef der neuen europäischen Banken-Aufsichtsbehörde EBA ernannt werden soll. Auch dies dürfte Berlusconi als Ehre für sein Land empfinden. Allerdings könnte diese Personalie die Chancen Draghis auf den EZB-Chefposten verschlechtern.
Geht man davon aus, dass die Nachfolge Trichets im Paket mit einer anderen Top-Personalie bei der EZB selbst verknüpft wird, könnten wichtige Vorentscheidungen bereits in den kommenden Wochen fallen. Ende Mai muss nämlich die derzeit einzige Frau im EZB-Direktorium nach acht Jahren den sechsköpfigen Vorstand der Notenbank turnusgemäß verlassen. Als so gut wie sicher gilt, dass den Posten der Österreicherin Gertrude Tumpel-Gugerell ebenfalls eine Vertreterin eines eher kleinen Euro-Landes übernehmen wird. Die Belgierin Marcia de Wachter, außerhalb von Notenbanker-Fachzirkeln kaum jemandem ein Begriff, könnte hier das Rennen machen.
Seilschaften
Diese Weichenstellung werden die Euro-Finanzminister womöglich entweder schon kommende Woche in Brüssel vornehmen oder erst einen Monat später. Die Auswahl wäre nicht zuletzt ein erster Test, wie belastbar die Seilschaften sind, die notwendig werden könnten, um Weber oder Draghi auf den Thron des obersten Hüters des Euro zu hieven. Wie so oft in Europa hängt wieder viel an Frankreich, das noch bis vor wenigen Monaten als Unterstützer Deutschlands und damit Webers galt. Doch Weber hat, heißt es aus Paris inzwischen öfter, wegen seiner harten geldpolitischen Haltung im Elysee-Palast einiges an Kredit verspielt.
De Maart

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