Montag10. November 2025

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Grüner Himmel und „smarte“ Bomben

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Operation "Desert Storm" war der erste Krieg, der live am Fernsehen übertragen wurde – dank CNN. Es war auch ein Lehrstück in Sachen Propaganda.

„Der Himmel über Bagdad ist erleuchtet“ – mit diesen legendären Worten beschrieb CNN-Reporter Peter Arnett in der Nacht zum 17. Januar 1991 den Beginn der US-Luftangriffe auf Bagdad. Und die Welt schaute zu, als der Neuseeländer via Telefon aus dem Hotel Raschid das grünliche Leuchten schilderte, das durch die Leuchtspurmunition aus den irakischen Fliegerabwehrkanonen erzeugt wurde – es war der erste Live-Krieg der Geschichte.

Die Operation „Desert Storm“, mit der Saddam Husseins Armee aus Kuwait vertrieben werden sollte, machte nicht nur Peter Arnett zum Star, der mit seinen CNN-Kollegen Bernard Shaw und John Holliman als einziger westlicher Fernsehjournalist in der irakischen Hauptstadt ausgeharrt hatte. Sie war der große Durchbruch für seinen Arbeitgeber. Cable News Network (CNN) war bereits 1980 von Ted Turner in Atlanta gegründet worden, als erster Fernsehsender weltweit, der rund um die Uhr nur Nachrichten ausstrahlte.

Anfangs lächelten viele über diese „Spinnerei“, doch mit dem Golfkrieg 1990/91 etablierte sich das Format. Selbst Saddam Hussein informierte sich via CNN über den Kriegsverlauf. Nicht nur die Bilder des erleuchteten Nachthimmels über Bagdad prägten sich ein, auch das martialische «War in the Gulf“-Signet (siehe Video) oder die Live-Bilder der CNN-Crew mit Gasmasken im Studio in Jerusalem während Saddams „Vergeltungsschlägen“ gegen Israel mit Scud-Raketen. Man fürchtete, dass diese mit chemischen Sprengköpfen bestückt waren.

Zensierter Krieg

Doch das war nur die eine Seite. Die andere war die totale Kontrolle des US-Militärs über die Berichterstattung, geleitet von der Überzeugung, dass der Vietnamkrieg auch deshalb verloren wurde, weil die Medien zu viele Freiheiten hatten. Nur ausgewählte, vorwiegend amerikanische Journalisten wurden ins Kriegsgebiet gelassen – die ausländischen Korrespondenten saßen in Saudi-Arabien fest. Interviews mit Soldaten, Berichte und Bilder wurden genau kontrolliert und einer nachträglichen Zensur unterworfen.

Freigegeben wurden vorwiegend Aufnahmen, die einen „klinisch sauberen“ Krieg suggerierten, etwa die Bilder von „chirurgischen“ Luftangriffen mit so genannten Smart Bombs (siehe Video). Symptomatisch war die Reaktion von US-General Norman Schwartzkopf in seiner ersten Pressekonferenz auf eine kritische Frage nach möglichen Opfern. Er betreibe „keine Leichenzählerei“, so Schwartzkopf empört. Dabei trafen auch die „smarten“ Bomben keineswegs immer ihr Ziel. Viel zu spät versuchten die Iraker, mit Bildern von getöteten Zivilisten Gegensteuer zu geben – der Krieg war da bereits verloren.

Die Brutkastenlüge

Ein Lehrstück lieferte der Golfkrieg auch in Sachen Propaganda. Diese gehört zwar seit jeher zu jedem Krieg, doch die „Brutkastenlüge“ war ein besonders unverfrorenes Beispiel. Mit der Behauptung, irakische Soldaten seien nach der Invasion in Kuwait in Spitäler eingedrungen und hätten Babys aus den Brutkästen gerissen, wurde die Kriegsbereitschaft in den USA angeheizt. Eine angebliche kuwaitische Krankenschwester berichtete vor einem Kongressausschuss unter Tränen über die angeblichen Gräueltaten.

Die Empörung war riesig, weltweit wurde die Geschichte aufgegriffen. Erst später stellte sich heraus, dass der Auftritt von einer New Yorker PR-Firma inszeniert worden und die „Krankenschwester“ die Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA war. Ein angeblicher Chirurg, der vor der UNO ausgesagt hatte, stellte sich als Zahnarzt heraus.

CNN in der Krise

Mit dem dritten Golfkrieg 2003 wiederholte sich die Geschichte in Sachen Propaganda (Stichwort Massenvernichtungswaffen) und Zensur. CNN aber erreichte nie mehr die gleiche Breitenwirkung wie bei „Desert Storm“. Mit dem Aufkommen des Internets verlor der Sender sein Monopol über den 24-Stunden-Nachrichtenfluss. Und in den USA wurde er von ideologisch gefärbten Konkurrenten wie „Fox News“ und MSNBC überholt. Ein Ausdruck der Krise ist auch der letztjährige Wechsel von Starreporterin Christiane Amanpour zu ABC.