Montag1. Dezember 2025

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Die Arie vom Stühlerücken

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LUXEMBURG - Dass sie mit fast 78 Jahren immer noch so stimmgewaltig ist, grenzt schon fast an ein Wunder. Am Freitagabend begeisterte die unumstrittene Königin des Belcanto, Montserrat Caballé, mehr als 1.200 Besucher in der hauptstädtischen Kathedrale.

Maria de Montserrat Viviana Concepción Caballé i Folc, wie „La Suprema“ mit vollem Namen heißt, trat bereits vor einigen Jahren anlässlich des Echternacher Festivals im Großherzogtum auf. Damals sorgte ein kleines Missgeschick für Hektik: Kurz vor dem Auftritt platzte das Kleid der Primadonna aus Barcelona und nur eine konnte ihr aus der Patsche helfen: Maggy Nagel, Bürgermeisterin der Gemeinde Mondorf, hatte dieselbe Kleidergröße und lieh dem Weltstar ein gutes Stück aus ihrer Abendgarderobe. Während der Pause beim Konzert vom vergangenen Freitag tauschten die beiden Damen denn auch Küsschen und Erinnerungen an diesen im Nachhinein eher belustigenden Zwischenfall aus. Hoffentlich wird Luxemburg der Caballé seit vergangenem Freitag jedoch nicht zu negativ im Gedächtnis bleiben. Denn was die Organisation des Konzertabends angeht, klappte hinten wie vorne nichts.

Misstöne

Erst im Mai vergangenen Jahres hatte Abraxas anlässlich eines Auftritts von Star-DJ David Guetta in den Hallen der Luxexpo auf Kirchberg für Unmut bei den 12.000 Besuchern und tagelang andauernde negative Schlagzeilen gesorgt.

Am Freitagabend sollte sich nun erneut eindrucksvoll erweisen, dass nicht jeder das Veranstalten von Mega-Events – wie dem Auftritt eines Weltstars vom Format einer Montserrat Caballé in der hauptstädtischen Kathedrale – beherrscht. Was das Publikum über sich ergehen lassen musste, bis das Konzert endlich mit einer fast dreiviertelstündigen Verspätung begann, geht nicht auf die berühmte Kuhhaut.

Die Desorganisation zeugte von einer dreisten Respektlosigkeit nicht nur gegenüber den Musikliebhabern, die zwischen 99 und 150 Euro pro Ticket bezahlen mussten, sondern auch gegenüber der Caballé selbst. Letztere drohte, noch vor der ersten Note, wegen des nicht enden wollenden Durcheinanders sogar die Bühne zu verlassen, was gleich zu einem Pfeif- und Buhrufe-Konzert führte. Das jedoch galt nicht der Diva, sondern dem Veranstalter! Madame Caballé machte schließlich gute Miene zum bösen Spiel und betätigte sich sogar selbst als Platzanweiserin … ein Vollprofi eben, auch noch im hohen Alter: Bravo, Madame!

François Besch

Lange Schlangen

Schon vor 19 Uhr bildeten sich lange Schlangen vor dem einzigen Zugang, den die Organisatoren bei 1.215 verkauften Karten vorgesehen hatten. Glücklicherweise hatte sich der Regen, der noch am Nachmittag vom Himmel fiel, verabschiedet, so dass die Menschen, die sich auf einen außergewöhnlichen Konzertabend freuten, während der Wartezeit von bis zu 80 Minuten zumindest trocken blieben.

Hatte man es endlich bis vor den Eingang der Kathedrale geschafft, durfte man zum Preis von 2 Euro (!) seinen Mantel an der Garderobe abgeben. Dass nur die wenigsten von diesem günstigen Angebot Gebrauch machten, versteht sich von selbst.

In der Kirche angekommen, stand aber dann noch längst nicht für jeden ein Stuhl bereit, so dass zunächst einmal Sitzgelegenheiten herbeigeschafft werden mussten. Kurz nach 20 Uhr betraten Montserrat und ihr Pianist Manuel Burgueras den zur Bühne umfunktionierten Altar, wo sie sich, unsichtbar für das Publikum, hinter einem Paravent niederließen und warteten, und warteten, und warteten …

Standing Ovations

Kurz nach 20.30 Uhr wagten sich beide dann vor den Paravent und wurden mit stürmischem Beifall begrüßt. Doch noch war das große Stühlerücken nicht vorbei. Nachsichtig harrten die Grande Dame der Oper und ihr Begleiter aus. Doch irgendwann schien bei Montserrat der Geduldsfaden zu reißen: Als sie Anstalten machte, die Bühne zu verlassen, setzten Pfiffe und Buhrufe ein. Also blieb die Sängerin, um sich nun selbst als Platzanweiserin zu betätigen und dabei mehr als einmal herzhaft zu lachen.

Schließlich, es war fast 20.45 Uhr, konnte das eigentliche Konzert doch noch beginnen. Und so, als ob nichts gewesen wäre, schmetterte die große Diva, deren Stimme zu den schönsten in der Geschichte der Sangeskunst gehört, erlesene Werke von Scarlatti, Donizetti, Gounod, Massenet, Richard Strauss, Granados, Gimenez, Serrano und Co. Dabei überzeugte ihre Stimme immer noch, und kaum jemand hätte bei diesem vollen Klang erraten, dass die Dame, deren Weltkarriere 1965 in New York begann, am kommenden 12. April ihren 78. Geburtstag feiert. Gleich mehrfach gab es für Montserrat Caballé Standing Ovations und erst nach fünf Zugaben verabschiedete sich die Sängerin. Übrigens verriet die Caballé am Freitag, dass sie noch bis zum Alter von 80 Jahren weiter auf der Bühne stehen möchte und zuvor eine Abschiedstournee einlegen werde.

Ob sie allerdings nach diesem ganzen Ärger im Vorfeld des Konzertes noch einmal nach Luxemburg kommt? Das Publikum würde es ihr danken!