Einer der Hauptbetroffenen bleibt allerdings ganz ruhig. „Mein Leben ändert sich nicht“, sagte Jaroslaw Popowitsch, während der geständige frühere EPO-Benutzer David Millar aus Schottland über einen „Skandal“ schimpfte.
Popowitsch, der neben dem Spanier Carlo Barredo mit zehn Punkten „Spitzenreiter“ unter den Verdächtigen ist, reagierte am Startort der 9. Etappe des Giro d’Italia in Messina eher gelassen. „Ich stand schon so oft im Mittelpunkt von Dopingermittlungen. Erst kürzlich durchsuchten Polizisten mein Haus“, sagte der Ukrainer.
Verleumdungsklage
Die belgische Agentur „Celio Sport&Image“, zu deren zwölf Klienten auch der hochverdächtigte Barredo gehört, drohte dem Rad-Weltverband UCI mit einer Verleumdungsklage. Die Welt-Doping-Agentur WADA leitete gestern Ermittlungen ein, um das Leck zu finden, aus dem die Informationen an die Öffentlichkeit gelangten.
Der Verband, der wieder einmal Fragen zur Effektivität seines Anti-Doping-Kampfes beantworten muss, drohte seinerseits mit Klage. Die UCI erklärte nach Bekanntwerden des internen Papiers, zusammen mit der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA rechtliche Schritte zu prüfen, um die undichte Stelle zu finden, aus der das Verdachts-Ranking aller 198 Tour-de-France-Starter von 2010 in die Öffentlichkeit kam. „Die UCI hat mir nicht erklärt, wie meine angeblich zu hohen Werte zustande kamen. Ich hatte keine Krankheit. Ich weiß nicht, wie ich auf 10 Punkte kam“, erklärte Popowitsch (RadioShack).
Schadensbegrenzung
Das US-Team des Tour-Rekordsiegers Lance Armstrong, gegen den in den USA in anderem Zusammenhang ermittelt wird, führt die „Mannschaftswertung“ in der Liste an, in der eine Abstufung von 0 Punkten (sauber) bis 10 Punkten (sehr stark dopingverdächtig) vorgenommen wird. „Ich kann mit der Liste nichts anfangen, weil ich nicht weiß, wie sie zustande kam. Wenn Popowitsch so sehr verdächtig ist, frage ich mich, wieso er seit Tour-Ende 2010 bis heute erst zweimal kontrolliert wurde“, sagte gestern RadioShack-Teamleiter Wjatscheslaw Jekimow.
Die UCI war um Schadensbegrenzung bemüht, erklärte aber nicht, wieso die angeblich Hochverdächtigen mit den auffälligen Blutwerten wie Popowitsch und Barredo und 24 weitere Fahrer nicht schon längst aus dem Verkehr gezogen wurden. „Wir verfahren nach der Rechtsgrundlage ‚Verdacht ist keine Schuld‘. Die Liste rechtfertigt nicht, jemanden zu verdammen“, erklärte die UCI. Auf der Grundlage der Werte der biologischen Pässe und der letzten Kontrolle vor dem Tour-Start am 1. Juli 2010 sei in dem Papier eine Klassifizierung vorgenommen worden, die die Zielrichtung künftiger Tests vorgeben sollte.
Tour-Direktor Christian Prudhomme sieht in der Existenz der Unterlagen „den Beweis, wie ernst es dem Radsport in seinem Anti-Doping-Kampf ist“. Er bezeichnete das Dossier als „ein Extra-Werkzeug“ gegen Doper. Allerdings ist auch der Einwand mancher Profis legitim, dass Krankheiten oder übliche Ruhephasen vor Wettkämpfen die Blutwerte verändern können.
Sanktionen
Rinaldo Nocentini, bei der Tour 2009 im Gelben Trikot, gab zu bedenken, dass eine Operation nach einem Beinbruch seine Werte sicher beeinflusst habe. Der Italiener, in der Gruppe der Fahrer mit 8 Punkten, macht sich „überhaupt keine Sorgen“ über mögliche Sanktionen.
Immerhin versprach Jan Mathieu, Teamarzt des belgischen Teams Omega Pharma-Lotto, der belgischen Agentur „Sforza“, dass seine Fahrer in diesem Frühjahr weniger auffällige Werte haben werden.
Der frühere Fahrersprecher Jens Voigt vom Luxemburger Team Leopard-Trek, mit 2 Punkten kaum verdächtigt, hielt die Liste auf Anfrage „für nicht so bedeutend, wie sie erscheinen mag“, noch dazu, weil sie über den aktuellen Status der Fahrer nichts aussagt.
De Maart
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