Mit radikalen Reformen will Verbandschef Joseph Blatter seine taumelnde FIFA vor dem Untergang retten. „Ich bin ein Kapitän in turbulenten Zeiten. Wir haben Schläge eingesteckt und ich persönlich einige Ohrfeigen“, sagte der 75 Jahre alte Schweizer am Mittwoch in seiner mit Spannung erwarteten Grundsatzrede auf dem Kongress des Fußball-Weltverbandes in Zürich. Der Antrag seiner englischen Kritiker, die Wahl des Präsidenten zu verschieben, war zuvor mit klarer Mehrheit abgeschmettert worden. Der erneuten Inthronisierung des angeschlagenen Königs stand nichts mehr im Weg.
„Unser Schiff ist in Schieflage geraten, vielleicht hat es sogar etwas Wasser. Wir müssen alles daran setzen, dass wir auf Kurs bleiben und der Präsident ist dafür bereit“, sagte Blatter in seiner kämpferischen Ansprache zu den Delegierten der 208 Mitgliedsverbände. Auf dem riesigen Podium im Hallenstadion auf dem Züricher Messegelände wirkte der kleine Walliser fast ein wenig verloren, doch lange nicht mehr so angespannt wie noch in den vergangenen Tagen, als er eine Pressekonferenz erbost abbrach und aus dem Saal stürmte.
Blatter geschwächt
All die Vorwürfe der Korruption gegen seine Person, gegen hochrangige Mitglieder des Exekutivkomitees, all die Gerüchte um Bestechung bei der Vergabe der WM 2022 an Katar lasteten wie Bleigewichte auf den Schultern des kleinen Mannes. Kritik von Sponsoren, der Öffentlichkeit, einiger Regierungen und die Rufe nach einer kompletten personellen Erneuerung in der schlimmsten Krise der 107-jährigen FIFA-Geschichte hatten Blatter geschwächt.
Am zweiten Kongresstag aber präsentierte sich der ehemalige Mittelstürmer entschlossen und überraschte endlich mit dem einen oder anderen Reformvorschlag. „Ich möchte, dass in Zukunft die Organisation der WM vom Kongress der FIFA beschlossen wird“, sagte er. Also nicht mehr im obskuren Hinterzimmer-Gemauschel des 24-köpfigen Exekutivkomitees, das immer wieder von Korruptionsvorwürfen erschüttert wird und deren Mitglieder Mohamed bin Hammam und Jack Warner zuletzt vorläufig suspendiert wurden. „Es geht jetzt darum, radikale Schritte zu unternehmen und nicht nur kleine kosmetische Verbesserungen“, sagte Blatter.
«Lösungskommission
Weitere Punkte auf der Blatterschen Reformagenda: im Kampf gegen Korruption und Bestechung eine „Lösungskommission“, eine Art Rat der Weisen mit Experten aus verschiedenen Bereichen – allerdings aus der Fußball-Familie, wie es Blatter nannte. Ob dieser Schritt ausreicht, darf nach den jüngsten Skandalen und der Schlammschlacht um Posten, WM-Vergaben oder Geldübergaben ernsthaft bezweifelt werden.
Eine externe Untersuchungskommission, wie sie das Internationale Olympische Komitee nach dem 1998 bekanntgewordenen Skandal um die Vergabe der Olympischen Winterspiele an Salt Lake City 2002 ins Leben gerufen hatte, wäre ein echter Blatter-Befreiungsschlag gewesen. Offen bleibt, wie sich diese Kommission von der Disziplinar- und Ethikkommission abgrenzen und was genau sie untersuchen soll.
De Maart

Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können