Freitag7. November 2025

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„Du darfst dir auf Rasen keine Fragen stellen“

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Am Wochenende vor Turnierbeginn hat die Presse Zugang zu den beeindruckenden "Annehmlichkeiten", die den Spielern beim Grand-Slam-Turnier in Wimbledon zur Verfügung stehen.

Auf der Terrasse der Players Lounge, direkt gegenüber dem Centre-Court, ist der Rasen frisch geschnitten und fühlt sich an wie ein Teppich. Typisch für das traditionelle Wimbledon. Vor seinem Erstrundenduell heute (1. Spiel ab 13.00 MESZ auf Platz 19) gegen Tommy Haas (D, 895) hat das
Tageblatt Gilles Muller (ATP 93) getroffen.

Der 28-Jährige gab sich entspannt, aber bereits fokussiert auf das schwierige Erstrundenduell. Seit Mittwoch ist die Nummer eins der FLT in der englischen Hauptstadt. Und Muller konnte jeden Tag – trotz des typisch britischen Wetters – auf dem „heiligen Rasen“ trainieren, im Gegensatz zu vielen Spielern, die erst am Wochenende zum ersten Mal einen Fuß auf die Wimbledon-Plätze setzten. Beschwerdefrei war der Schifflinger nach den jüngsten Problemen (blockierter Rücken) ebenfalls.

Tageblatt: Vor zehn Jahren hast du in Wimbledon das Junioren-Finale gespielt und in drei Sätzen gegen den Schweizer Roman Valent verloren. Wie präsent ist dieses Endspiel noch?

Gilles Muller: „Das bleibt im Gedächtnis. Die Junioren-Zeit hat meine Karriere mitgeprägt. 2001 durften die Junioren nicht in die Umkleidekabinen der ‚Großen‘, sondern nur in die Umkleide bei den Trainingsplätzen. Das war schon enttäuschend für mich. Das war schade, hat aber Tradition. Enttäuschend war natürlich auch die Finalniederlage: Ich lag mit Satz und Break in Führung. Traurig war ich auch über den kurzfristigen Platzwechsel, wegen des Regens. Es war mein erstes Wimbledon. Das kannte ich sonst nur aus dem Fernsehen. Das habe ich genossen als ‚klenge Bouf‘.“

Die Tradition wird in Wimbledon hoch gehalten. Wie siehst du das als Spieler?

„Es geht weniger um die Show. Sehr angenehm ist auch das Fehlen der Sponsorenlogos. Wimbledon ist das Mekka des Tennis. Ich liebe das Turnier, auch wenn es nicht mein Lieblingsturnier ist. Aber es ist Wimbledon. Das gab es bereits, als ich noch nicht da war. Und das wird es noch lange geben, wenn ich nicht mehr da bin. Die Tradition spürst du überall, z.B. bei den schönen Holzschränken in der Umkleide. Manchmal fühlst du dich in die 60er Jahre zurückversetzt. Aber das hat seinen Charme. Es macht Spaß, Teil dieser Veranstaltung zu sein. Das ist ein Unterschied zu den anderen Grand Slams. In Wimbledon ist der Spieler nicht so wichtig, auch wenn das krass klingt. Die Leute campen, um ein Ticket zu bekommen. Da merkst du: Es geht nicht um einen einzelnen Spieler, sondern um das Turnier. Die Leute kommen, weil es Wimbledon ist, auch wenn Federer nicht dabei ist. Jeder träumt davon, hier zu spielen, auch ich. Es ist ein enormes Glück, hier teilzunehmen.“

Kannst du dem Leser erklären, wie es ist, auf Rasen zu spielen?

„Ich erkläre das an einem Beispiel, das vielleicht etwas außergewöhnlich klingen mag. Die Trainingsplätze beim Challenger in Nottingham waren miserabel. Nach zwei Tagen habe ich mir gesagt, das macht keinen Sinn. Und dann habe ich die ganze Woche in der Halle trainiert und nur die Matches auf Rasen gespielt. Und ich habe das Turnier gewonnen. Auf Rasen darfst du dir keine Fragen stellen. Wichtig ist, dass du dich gut bewegst. Du kommst sehr schnell aus dem Gleichgewicht. Du musst hoch konzentriert sein. Die wichtigsten Schläge sind der Aufschlag und der Return. Mittlerweile sind die Plätze langsam genug, dass man auch von der Grundlinie spielen kann. Die Rasen-Tradition bleibt aber bestehen. So hat es der Gegner schwerer, wenn du vermehrt angreifst. Rasen ist der Belag, wo du am meisten gewinnst, wenn du offensiv spielst.“

Wie wichtig ist der Rhythmus?

„Wie erwähnt habe ich in Nottingham in der Halle trainiert, um Rhythmus zu bekommen. Als ich dann auf dem Rasen stand, hatte ich den Rhythmus. Zuviel auf Rasen zu spielen, ist auch nicht gut. Auf Rasen kannst du außer Aufschlag und Return nicht viel trainieren. Für mich ist es eigentlich besser, einige Zeit in der Halle zu spielen und dann auf Rasen für meine Matches. Dann habe ich Rhythmus. Wichtig ist auch das Selbstvertrauen. Wenn du zurück steckst, hast du keine Chancen. Wenn das nicht der Fall ist, musst du auf die Zähne beißen und auf die Chancen warten. Für Wimbledon ist es ausschlaggebend, dass du viele Matches vor dem Turnier in den Beinen hast. Außer Federer, der sich enorm wohl fühlt auf dem Belag. Früher haben auch mal Spielertypen wie Boris Becker gewonnen. Ich habe viel Respekt vor ihm, aber der Schnellste war er nie auf dem Tennisplatz. Er hat viel durch Kraft wettgemacht. Es ist heutzutage bei dem schnellen Spiel wichtig, dass man sich gut bewegt.“

Als Luxemburger eine Wildcard bei einem Grand-Slam-Turnier zu erhalten ist ja schon außergewöhnlich. Kannst du erzählen wie es dazu gekommen ist?

„Überraschend war es schon. Der britische Verband hat aber seit einigen Jahren seine Vorgehensweise diesbezüglich geändert: Einheimische Spieler erhalten nur eine Wildcard, wenn sie zwischen Platz 250 oder 300 der Weltrangliste stehen. 2010 habe ich eine Anfrage für eine Wildcard gemacht, weil mir das von vielen Seiten geraten wurde. Nachdem diese nicht erfüllt wurde, habe ich mir für 2011 gesagt, dass ich nicht erneut eine Anfrage stellen werde.

Am Samstag vor dem Beginn der Qualifikation (10. Juni, d. Red.) habe ich nach Training und Behandlung beim Physiotherapeuten einen Anruf von der ATP (Spielerorganisation der Herren, d. Red.) erhalten: Die Wimbledon-Veranstalter hätten mich zu erreichen versucht und eine gute Nachricht für mich. Als ich dann Andrew Jarrett (Oberschiedsrichter in Wimbledon, d. Red) anrief, überbrachte er mir die freudige Nachricht. Ich habe ihm gedankt und versprochen, die Veranstalter nicht zu enttäuschen.“

Das verleiht einem doch sicherlich Auftrieb?

„Es tut gut, auch mal belohnt zu werden. Ohne jemandem einen Vorwurf zu machen: Wir haben in Luxemburg nicht den großen Tennismarkt wie in anderen Ländern. Z.B. kannst du nicht sagen, diese oder jene Marke unterstützt dich und wird dementsprechend zahlreich verkauft. Ich genieße es, auch einmal von so etwas zu profitieren. Es tut gut, einmal etwas geschenkt zu bekommen.“

Dein Erstrundenlos Tommy Haas ist sicherlich nicht das einfachste.

„Das ist ein komplizierter Gegner. Jeder weiß, wo Haas stand und auf welchem Niveau er spielen kann. Andererseits kehrt er nach einer Verletzung zurück. Die Frage ist: Wie ist seine Form? 2009 stand Haas in Wimbledon im Finale.

Dieser Gedanke setzte sicherlich einige Energien frei. Es wird ein kompliziertes Match. Ich weiß, zu was er fähig ist. Wenn er auf einem hohen Niveau agiert, wird es sehr schwer für mich. Allerdings kann ich ihm das Leben sehr schwer machen, wenn ich gut spiele. Es hängt von meiner mentalen Verfassung ab, von der Tagesform, wer auf die Zähne beißen kann. Du musst gut aufschlagen. Es gibt nicht viele Ballwechsel auf Rasen.“