In einer Absichtserklärung haben neun luxemburgische Versicherungsgesellschaften, im Rahmen des Versicherungsverbandes ACA, sich darauf geeinigt, wie die Regeln des Bonus/Malus-Systems in Zukunft auszulegen seien.
Wer in Luxemburg eine Autohaftpflicht abgeschlossen hat, der sieht sich einem komplizierten System gegenüber: Es heißt Bonus/Malus-System. Aber bevor es zum Bonus/Malus geht, erst einmal ein anders Prinzip. Jeder kann das Fahrzeug eines anderen versichern. Mit anderen Worten, Oma kann das Auto des Enkels versichern. Das hat weitreichende Folgen: Im Falle eines Unfalles wird in solch einem Fall nicht der Fahrer mit einem Malus sprich einer höheren Versicherungsprämie bestraft, sondern die Oma, die dem Enkel die Versicherung bezahlt. Wie funktioniert nun das Bonus/Malus-System?
Gutes Fahren ist nicht vererbbar
Jeder Versicherungsnehmer erhält bei Abschluss einer Auto-Haftpflichtversicherung einen Punktwert, der sich mit der Zeit verändert. Der Grundpunktwert liegt bei elf. Das bedeutet, es sind 100 Prozent der Versicherungsprämie zu bezahlen. Gibt es einen Unfall, an dem der Versicherungsnehmer die Schuld trägt, wird die Grundpunktzahl um drei Punkte erhöht. Das bedeutet, es ist mehr Versicherungsprämie zu zahlen. Fährt der Enkelsohn hingegen unfallfrei, dann sinkt der Grundpunktwert um einen Punkt pro Jahr. Das heißt, Oma muss weniger an Prämie bezahlen.
Dieses System und seine Anwendung wurden 2003 in einem großherzoglichen Reglement festgelegt. Acht Jahre nach dieser Festlegung haben sich neun Versicherungsgesellschaften des Landes nun in einer Vereinbarung darauf geeinigt, wie sie alle einheitlich dieses großherzogliche Reglement anwenden wollen. Diese Vereinbarung tritt am Freitag in Kraft. Und das hat schwerwiegende Auswirkungen.
Nur auf Menschen anwenden
Die neun Versicherer halten in ihrer Vereinbarung, die der Redaktion vorliegt, fest, dass sie das großherzogliche Reglement nur auf Menschen, aber nicht auf Gemeinden, Unternehmen und Organisationen anwenden.
Die Versicherungsgesellschaften bieten neuerdings Rundumpakete an. Wird nun ein zusätzliches Fahrzeug in dieses Paket aufgenommen, betrachten sie ab diesem Freitag jedes Zweit-, Dritt- oder Viertfahrzeug, das in einen solchen Vertrag aufgenommen wird, als neuen Vertrag. Das heißt, diese neuen, zusätzlichen Fahrzeuge werden mit der Grund-Punktzahl elf belegt. Es sind also 100 Prozent Prämie zu bezahlen.
Ein Transfer des Bonus oder auch des Malus ist ab dem heutigen Freitag nicht mehr möglich. Ehepartner dürfen sie sich nicht mehr übergeben, der Großvater darf sie nicht mehr auf die Enkel übertragen, Familienmitglieder allgemein dürfen Bonus/Malus nicht mehr austauschen. Man darf den Bonus eines Leasing-Fahrzeuges nicht mehr übernehmen. Und letztlich darf ein Familienunternehmen den Bonus eines Firmenwagens nicht mehr auf ein Mitglied der Familie übertragen.
Ein Komitee soll im Streitfall entscheiden
Mit anderen Worten, beschließt ein Großvater, der nie einen Unfall hatte, nicht mehr Auto zu fahren, kann die billige Versicherung nicht auf sein Enkelkind übertragen werden. Der junge Fahrer fängt bei einem Bonus/Malus-Wert von elf Punkten an, bezahlt die volle Prämie. Da das Bonus/Malus-System allerdings auf den Versicherungsnehmer und nicht auf den Fahrer angewandt wird, bleibt es dem Großvater überlassen, das Fahrzeug des Enkels zu versichern. Allerdings haben die Versicherungen auch hier eine Hintertür. Sie können jeden Versicherungsnehmer ohne Angaben von Gründen zurückweisen.
Auch mit der Vererbbarkeit von Autohaftpflichtverträgen setzen sich die Mitglieder des Luxemburger Versicherungsverbandes ACA auseinander. Die neun Gesellschaften halten fest, dass im Falle des Todes der Erbe eines Fahrzeuges den Bonus/Malus-Wert elf erhält. Ein Beispiel: Ein Fahrer hat jahrelang keinen Schaden verursacht, seine Autohaftpflicht nie in Anspruch genommen. Dadurch hat er den Bonuswert minus drei erreicht. Das bedeutet, er zahlt nur noch 45 Prozent seiner ursprünglichen Versicherungsprämie. Wenn dieser Fahrer stirbt, müssen die Erben das Fahrzeug als neuen Vertrag versichern und so 100 Prozent Prämie bezahlen.
Umgekehrt kommt diese Regelung dem Erben zugute, wenn der Verstorbene ein schlechter Fahrer war und einen Malus hatte, also aufgrund seiner Unfälle eine höhere Prämie zahlen musste.
Dafür, dass diese Regeln von den Versicherungsgesellschaften eingehalten werden, sollen die Gesellschaften untereinander Sorge tragen. Stellt eine Gesellschaft einen Verstoß gegen die Vereinbarung fest, soll sie sich mit dem betreffenden Unternehmen auseinandersetzen. Führen bilaterale Gespräche nicht zu einem Ergebnis, schreibt das Abkommen vor, dass der Streitfall einem eigens eingesetzten Mediationskomitee bei der ACA vorgelegt wird, dem es zusteht, die Korrektur des Bonus/Malus oder die Auflösung des Vertrages zum nächst möglichen Termin zu verlangen. Die Grundsatzfrage bei der Vereinbarung der Versicherungen heißt, ob hier eine Kartellvereinbarung vorliegt. Damit wird sich das Kartellamt auseinandersetzen müssen.
De Maart

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