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Das vor zehn Tagen eingestellte britische Boulevardblatt News of the World des Murdoch-Konzerns lebte davon, Skandale zu verkaufen und ist nun selbst zum Auslöser eines der größten Presseskandale der Geschichte geworden.

Über mehrere Jahre hatten die Journalisten von News of the World illegal Mailboxen angezapft und Handy-Nachrichten abgehört, um in den Besitz exklusiver Informationen zu gelangen.

Logo" class="infobox_img" />Janina Strötgen [email protected]

Diese Praktiken sind nicht nur schockierend, sondern illegal. Aber die erste Frage muss doch wohl lauten, warum sich mit diesem Geschäft so viel Geld verdienen lässt, warum diese Medien so viele Leser finden. Es ist wohl die Neugier. Und im Wort Neugier steckt die Gier. Die Gier des australischen Verlegers nach Gewinn und politischem Einfluss jenseits der journalistischen Qualität, aber auch die Gier des Lesers nach Skandalen und Geschichtchen, in denen die Wirklichkeit plötzlich ganz simpel wird. Oder wie Tucholsky es 1931 profaner beschrieb:

„O hochverehrtes Publikum, sag mal: bist du wirklich so dumm? (…) So dumm, dass in Zeitungen, früh und spät, immer weniger zu lesen steht?“ Doch das britische Publikum hat es jetzt satt. Das Bekanntwerden des Abhörens und Löschens von Handy-Nachrichten eines 14-jährigen Mordopfers brachte die Eskalation.

Durch den Skandal wird jetzt vor allem offenkundig, wie Politik, Polizei und Medienmogul in eine gegenseitige Abhängigkeit geraten sind. Premierminister Cameron war so gut mit der britischen Murdoch-Chefin Rebekah Brooks befreundet, dass man den ersten Weihnachtstag zusammen verbrachte. Andy Coulson war nicht nur auf dem Höhepunkt des Abhörskandals der verantwortliche Redakteur bei der News of the World, er wurde sogar von Cameron zum Kommunikationschef in der Downing Street ernannt. Cameron versprach sich davon wohl einen direkten Draht zu den meinungsbildenden Murdoch-Medien. Coulson musste zurücktreten und wurde vor einigen Tagen vorübergehend verhaftet. Auch Brooks wurde am Wochenende zeitweilig verhaftet. Die Skandalzeitung frisst ihre eigenen Kinder.

Gefährliche Verflechtungen

Die Verflechtung von Politik und einem dominierenden Medienkonzern ist gefährlich. Der Murdoch-Konzern, der sich selbst gerne als journalistisches Unternehmen bezeichnet, fungiert seit den Siebzigerjahren vor allem als Transmissionsriemen für rechte Themen und Politiker. In Großbritannien hieß es seitdem, man könne ohne die Unterstützung Murdochs nicht Premierminister werden. Und Murdochs US-amerikanischer Sender Fox News ist der Haussender der konservativen Tea-Party-Bewegung. Nicht nur, dass dort positiv über deren Kandidaten berichtet wird, diese werden auch gleich als Mitarbeiter beschäftigt. Wie zum Beispiel Sarah Palin, die offiziell als Fox-News-Analystin gilt. Und Populismus ist gewinnbringend. Denn den rechtspopulistischen Medien gelingt es leider immer wieder, die Illusion zu nähren, die Interessen des „kleinen Mannes“ zu vertreten, während sie in Wahrheit nur den wirtschaftlichen Interessen ihres Verlegers und seiner wohlhabenden Freunde nützen.

Auch das Wall Street Journal gehört seit Dezember 2007 Rupert Murdoch. Eigentlich hatte er dem Blatt redaktionelle Unabhängigkeit zugesichert. An diesem Montag erschien das Wall Street Journal jedoch mit einem Leitartikel, in dem es heißt, Politiker und Konkurrenten benutzten den Abhörskandal, um die Pressefreiheit im Allgemeinen zu beschädigen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall! Täglich decken nun seriöse Zeitungen wie der Guardian weitere Details dieser geschmacklosen Ermittlungsarbeit auf, und die Politik ist dadurch nun endlich gezwungen, ihre Furcht vor Murdoch zu vergessen und Konsequenzen zu ziehen.

Die vorwiegende Rolle des Journalismus in einer Demokratie besteht darin, politisch relevante Informationen zu liefern, um den Menschen zu helfen, ihre Rolle als mündige Bürger auszufüllen. Durch die jahrelangen Recherchen des Guardian-Journalisten Nick Davies kamen die illegalen Praktiken der Murdoch-Presse endlich ans Licht. So gesehen, ist die Aufdeckung der verfilzten Beziehungen von Presse und Politik in Großbritannien ein Sieg der Pressefreiheit!

Ein Mann, der mit seinen Blättern oft gedemütigt hat, hat nach eigenen Aussagen nun gestern selbst den „most humble day in his life“ erlebt, als er den Parlamentariern Rede und Antwort stehen musste.