Dienstag11. November 2025

Demaart De Maart

„L’heure de vérité“

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Am Donnerstag geht die Tour de France ins lang erwartete Finale. Agnello, Izoard und Galibier sollen die Vorentscheidung bringen. Die Taktik der "Leoparden" ist noch geheim.

Da wären wir also endlich am „Tag X“ angelangt. Am Donnerstag müssen alle Fahrer, die noch von einem Schluss-Sieg bei der Tour de France träumen, ihre Karten offen auf den Tisch legen.

Am Donnerstag ist Schluss mit dem Bluffen, es zählen nur noch Fakten. Die Muskelkraft, vielleicht auch ein Hauch Taktik werden darüber entscheiden, wer am Abend noch im Rennen um das „Maillot Jaune“ verbleibt.

Die Lage ist folgende: Es führt der Franzose Thomas Voeckler, der am Mittwoch 27 Sekunden einbüßte, als er bei der gefährlichen Abfahrt von der „Côte de Pramartino“ ins Tal nach Pinerolo von der Straße abkam und in einen Hinterhof fuhr. „Wenn meine Frau das sieht, bekomme ich die Leviten gelesen“, meinte der Träger des Gelben Trikots, der glücklicherweise unverletzt blieb. Mit dem Schrecken davon kam auch Voecklers Landsmann Jonathan Hivert, dem dasselbe Missgeschick passierte, nachdem er einige Kurven zuvor schon mal ins Gebüsch gerast war.

Andy oder Frank?

In dieser Kurve, vor der Andy Schleck so warnte, ging die Tour demnach nicht unter. Zuvor hatte Renndirektor Jean-François Pescheux auf cyclingnews.com Stellung zu Andys negativen Äußerungen vom Vortag genommen: „Das Finish ist nicht gefährlich. Es ist Teil des Rennens. Der Sieger muss ein Allrounder sein.“ Pescheux räumte zwar ein, dass einige knifflige Stellen überwunden werden mussten, ehe er fragte: „Sollen wir die Tour denn in Zukunft auf einer Autobahn zwischen Paris und Marseille austragen?“

Zumindest solange Pescheux Renndirektor der Tour ist, wird es also weiterhin auch Abfahrten in der Welt größtem Rennen geben. Frankreich braucht demnach nicht umgebaut zu werden. Das ist gut so, es hätte zur Landschaftsverschandelung geführt. Und das will ja niemand, wahrscheinlich auch nicht Andy und Frank Schleck.

400.000 Zuschauer

Diese sehnen sich vielmehr nach einem Sieg bei diesem Rennen, das so einmalig ist, dass es am Donnerstag 400.000 Zuschauer (wann arbeiten die denn eigentlich?) an die Hänge der drei Berge der „Hors-catégorie“ lockt, die befahren werden müssen.

Frank und Andy müssen angreifen, koste es, was es wolle. Sie liegen in der Gesamtwertung auf dem 3. und 4. Platz mit 1’22 (Frank) bzw. 2’36 (Andy) Verspätung auf Thomas Voeckler. Nicht so sehr der Abstand zum Träger des „Maillot Jaune“, sondern viel eher die Differenz zu den größten Sieganwärtern Cadel Evans und Alberto Contador drückt den Schlecks auf den Magen. Beide (Evans und Contador) sind bessere Zeitfahrer als die Luxemburger, so dass diese am Samstag mit Vorsprung in den Kampf gegen das Chrono gehen müssen, das auf einer Strecke von 41 km rund um Grenoble stattfindet.

Damit das Schlecksche Vorhaben gelingt, hat die Mannschaft, die in der Vergangenheit fast für alles einen Plan hatte, zumindest in der Theorie auch für Donnerstag ein Rezept parat. Viele Möglichkeiten gibt es nicht. Ein Schleck muss sich für den andern opfern. Fragt sich nur, wer für wen: Andy für Frank oder Frank für Andy?

Ein Blick auf das Gesamtklassement genügt, um herauszufinden, wie es eventuell in der Praxis laufen könnte.

Der Chef war da

Andy hat momentan 1’14 Rückstand auf Frank, er ist also derjenige, der am weitesten vom ersten Platz entfernt ist. Nur: Andy hat mehr Klasse als Frank, der seinerseits wiederum disziplinierter ist. Und: Andy ist ein besserer Zeitfahrer als sein Bruder, so dass die 1’14, die sie momentan trennen, nicht den wahren Unterschied widerspiegeln.

Am Montag konnten oder wollten die beiden ihren Schlachtplan, wenn ein solcher bis dahin existierte, nicht verraten. Danach traf Flavio Becca im „Domaine de Soyons“ ein, wo das Team den Ruhetag verbrachte. In einer internen Mannschaftssitzung mit dem Chef gab es Diskussionen, wie es weitergeht. Was dort beschlossen wurde, soll am Donnerstag und Freitag umgesetzt werden.

Die Schlacht nicht erst im letzten Anstieg entfachen

Die Logik will, und das bestätigte Andy am Mittwoch, dass die Schlacht nicht erst im letzten Anstieg, d.h. im Galibier, entfacht wird. Um Vorsprung auf die Konkurrenz herauszuholen und die Tour zu gewinnen, muss viel früher angegriffen werden. Ob das nun schon im „Colle dell’Agnello“, dessen Gipfel auf 2.744 m liegt, oder im legendären „Col d’Izoard“ mit seiner „Casse déserte“ sein wird, wo Louison Bobet vom Rad stieg und seine beispielhafte Karriere mit einer Aufgabe beendete, entscheiden die Fahrer.

Am Ende folgt dann der Galibier, der vor 100 Jahren erstmals in der Tour auf dem Programm stand. Ganze 57 Mal überquerte das Peloton den Berg, doch noch nie fand eine Ankunft dort oben statt. Schon oft säumten mitten im Juli Schneewände die Strecke. Trotz schlechten Wetters am Dienstag (siehe Tageblatt vom Mittwoch) droht am Donnerstag kein Schneechaos. Es soll schön werden – bei Temperaturen um die 6 Grad auf 2.645 m.