Schon am Anstieg zum Col Agnel schien Alberto Contador den Tränen nahe. Weit vor dem Ziel der „Königsetappe“ der 98. Tour de France am Donnerstag war der dreimalige Tour-Sieger in erhebliche Schwierigkeiten geraten und hatte am Ende des Pelotons um den Anschluss kämpfen müssen.
Waren es die Schmerzen, die Contador die Verzweiflung ins Gesicht trieben? Oder war es die böse Vorahnung dessen, was am Col du Galibier noch folgen sollte? Dort, an den Hängen des legendären Alpenpasses, wurden die Befürchtungen des Spaniers wenig später zur traurigen Gewissheit: Er wird seinen Tour-Titel in diesem Jahr verlieren.
Außer Reichweite
„Der Sieg ist jetzt unmöglich“, sagte Contador, nachdem er auf den letzten beiden Kilometern der 18. Etappe völlig eingebrochen war. 3:50 Minuten auf den Tagessieger und großen Herausforderer Andy Schleck (Leopard Trek) eingebüßt, das Gelbe Trikot außer Reichweite – am Freitag setzte Contador dennoch noch einmal verzweifelt alles auf eine Karte. Am Schlussanstieg nach Alpe d’Huez kämpfte sich Contador mit seiner für ihn typisch hohen Trittfrequenz verbissen dem Ziel entgegen. Acht Kilometer vor dem Gipfel hatte er fast eine Minute Vorsprung herausgefahren, am Ende lagen seine Herausforderer um Andy Schleck und den Australier Cadel Evans (BMC Racing) nur noch 34 Sekunden hinter ihm.
„Ich habe versucht, die Etappe zu gewinnen. Das war mein großes Ziel, nachdem es gestern richtig schlecht gelaufen ist. Ja oder nein, habe ich mir gesagt, versuchs. Leider hat es nicht ganz gereicht“, sagte Contador. Der 28-Jährige schien sich nicht nur für das Debakel des Vortages rehabilitieren zu wollen. Schon während der gesamten Tour 2011 muss sich der sieggewohnte Contador wie im falschen Film vorkommen.
Auf Ursachenforschung
Ausgebuht vom französischen Publikum, bohrenden Fragen bezüglich seines Dopingfalls aus dem vergangenen Jahr ausgesetzt und mehrfach gestürzt – Contador war die gewohnte Lockerheit auf dem Rad abhanden gekommen. Begibt Contador sich auf Ursachenforschung, fällt bei ihm schnell das Wort „Giro“. Die Italien-Rundfahrt sei alles andere als eine optimale Tour-Vorbereitung gewesen.
Auch seine Knieprobleme, die aus den diversen Stürzen in der ersten Tour-Woche resultierten, hätten ihm immer wieder zugesetzt. Als Ausrede für seine Schlappe am Donnerstag wollte er dies aber nicht gelten lassen. „Andy hat seine Karten gut ausgespielt. Dass er zwei seiner Leute in der Spitze positioniert hatte, war ein sehr intelligenter Schachzug. Man muss den Hut vor ihnen ziehen“, sagte Contador.
Sympathien gekostet
Schleck habe seinen Job gut erledigt: „Wir müssen ihm gratulieren“. Faire und anerkennende Worte eines Mannes, der in der Vergangenheit nicht immer als echter Sportsmann aufgetreten ist. Aktionen wie die des „Chaingate“ bei der Tour 2010, als er einen technischen Defekt Andy Schlecks zu einer Attacke nutzte, haben ihn viele Sympathien gekostet. Im Moment seiner schweren Niederlage beweist Contador jedoch Größe: „Ich habe schon andere Situationen überstanden und um die Wahrheit zu sagen, ist das nicht der traurigste Tag meines Lebens.“
Ein trauriger Tag könnte Anfang August bevorstehen. Dann muss er sich vor dem Internationalen Sport-Gerichtshof CAS in Lausanne für seinen positiven Clenbuterol-Test bei der letztjährigen Tour verantworten. Contador hatte den Befund mit dem Verzehr von kontaminiertem Rindfleisch begründet. Im Falle eines Schuldspruchs droht ihm eine zweijährige Sperre. Zudem würden ihm alle Siege seit seinem positiven Test aberkannt, einschließlich der Erfolge bei der Tour 2010 und beim Giro d’Italia 2011.
De Maart






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