Dienstag4. November 2025

Demaart De Maart

Was eine US-Pleite für die Welt bedeutet

Was eine US-Pleite für die Welt bedeutet

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Der Schuldenstreit in den USA geht weiter, ein Staatsbankrott rückt näher. Was wären die Folgen für die Weltwirtschaft. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Im Streit um die Anhebung der Schuldenobergrenze in den USA ist noch immer keine Einigung in Sicht. Die Fronten zwischen Demokraten und Republikanern sind verhärtet. Was steckt dahinter? Und was sind die Folgen? Ein Überblick.

Was ist die Ursache des Problems?
Die USA geben wie die meisten Industrieländer mehr aus, als sie einnehmen. Sie sind gezwungen, sich zu verschulden. Allerdings gibt es eine gesetzliche Schuldenobergrenze, die derzeit bei 14,3 Billionen Dollar liegt und die nur der Kongress anheben kann. Eigentlich wurde dieses Limit bereits im Mai erreicht. Finanzminister Timothy Geithner hat es mit einigen Tricks und Kniffen geschafft, die Deadline bis zum 2. August zu verlängern. Analysten gehen davon aus, dass die Regierung noch einige Tage länger durchhalten kann, weil die Steuereinnahmen höher sind als erwartet. Aber irgendwann ist nicht mehr genug Geld in der Kasse, um alle Rechnungen zu bezahlen.

Warum streiten sich Demokraten und Republikaner?

Wegen der Finanzkrise und der schwachen Konjunktur sind die Staatsausgaben explodiert und die Steuereinnahmen eingebrochen. Das Budgetdefizit ist deshalb stark angestiegen. Die Republikaner fordern massive Ausgabenkürzungen. Höhere Steuern sind tabu, nicht zuletzt auf Druck der radikalen Tea-Party-Vertreter. Präsident Barack Obama und die Demokraten dagegen beharren auf einem Mix aus Einsparungen und Mehreinnahmen. Weil Demokraten und Republikaner je eine der beiden Kammern im Kongress kontrollieren, konnte keine der beiden Parteien bislang ihre Lösungsvorschläge durchbringen.

Ist ein Kompromiss in letzter Minute möglich?

Viele Beobachter gehen davon aus, doch beide Seiten standen sich zuletzt unversöhnlich gegenüber. Präsident Obama sprach gar von einem „politischen Krieg“. Die Republikaner schlagen eine Anhebung der Schuldengrenze für rund sechs Monate vor, was Obama und seine Partei ablehnen. Sie verlangen eine Lösung, die bis nach der Präsidentschaftswahl im November 2012 trägt. Dabei geht es nicht nur um Wahlkampf: Ein baldiger neuer Schuldenstreit würde das Vertrauen der Finanzmärkte in die USA weiter beschädigen.

Was geschieht, wenn es bis zum 2. August keine Lösung gibt?

Im schlimmsten Fall erklärt sich die US-Regierung für zahlungsunfähig, was die Finanzmärkte ins Chaos stürzen dürfte. Deshalb gehen die meisten Beobachter davon aus, dass das Weiße Haus versuchen wird, die Zinsen auf bestehende Schulden aus den laufenden Steuereinnahmen weiter zu bedienen. Dennoch könnten die Ratingagenturen den US-Staatsanleihen die Bestnote AAA entziehen, was zu höheren Zinsen führen würde.

Welche Ausgaben müsste die Regierung streichen?

Gemäß einer Studie einer unabhängigen Denkfabrik dürften die Einnahmen reichen, um die staatliche Rentenversicherung und die Krankenkassen für Senioren und Bedürftige weiter zu finanzieren. Zahlreiche Dienstleistungen müssten dagegen eingestellt werden, und vor allem würden Staatsangestellte und Soldaten keinen Lohn mehr erhalten. Dies ließe sich einige Tage aushalten, doch dann drohen ernste Folgen für die Wirtschaft.

Kann der Präsident in eigener Kompetenz neue Schulden aufnehmen?

Ex-Präsident Bill Clinton und diverse Experten gehen davon aus, dass Barack Obama mit Berufung auf den 14. Zusatzartikel in der US-Verfassung neue Anleihen ausgeben und die Schuldenlimite des Kongresses ignorieren könnte. Diese Interpretation ist jedoch höchst umstritten, Obama selber ist skeptisch. Juristische Querelen wären programmiert, bis hin zu einem möglichen Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten.

Welche Folgen hätte ein Scheitern für die Wirtschaft?

Das weiß niemand genau. Christine Lagarde, die neue Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), hat am Dienstag vor ernsthaften Schäden für die Weltwirtschaft gewarnt. Allerdings sind an den Finanzmärkten noch keine Anzeichen für Panik erkennbar. Doch die Nervosität wächst, wie die Talfahrt des Dollar zeigt. Eine kurzfristige Pleite könnte möglicherweise verdaut werden, ähnlich wie beim Budgetstreit zwischen den Republikanern und Präsident Bill Clinton, der 1995 und 1996 zweimal die Regierung für mehrere Tage lahm legte. Doch der US-Wirtschaft geht es heute schlechter als damals.

Wie könnte ein Absturz konkret ablaufen?

Falls die Ratingagenturen die Bonität senken, könnte es zu einem „Ausverkauf“ von US-Staatsanleihen durch Pensionskassen und Anlagefonds kommen, die per Reglement verpflichtet sind, nur in erstklassige Werte zu investieren. Dies dürfte die Finanzmärkte ähnlich erschüttern wie der Konkurs der Bank Lehman Brothers im September 2008. Außerdem würden die Hypothekar- und Kreditzinsen steigen, was die US-Wirtschaft zurück in die Rezession stürzen dürfte.

Wie könnte das Vertrauen wiederhergestellt werden?

Ein kurzfristiger Kompromiss genügt nicht. Ein einschneidender Defizitabbau von mindestens drei Billionen Dollar in den nächsten zehn Jahren ist nach Ansicht des „Guardian“ nötig, um die Ratingagenturen und die Finanzmärkte zu beruhigen. Auch deshalb favorisiert Präsident Barack Obama eine „große“ Lösung. Vielleicht aber muss es erst zum Eklat kommen, ehe sich die pragmatischen Kräfte in der US-Politik durchsetzen. Das Volk jedenfalls hat von den parteipolitischen Spielchen in Washington die Nase gestrichen voll, wie Umfragen zeigen.