Samstag8. November 2025

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Berlusconis Schlussverkauf

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Wenn man ehrlich ist, dann nahm man ihn von Palermo bis Mailand eigentlich nie so richtig ernst, den italienischen Staat.

Er war lange etwas für Intellektuelle oder die Bourgeoisie – trotz oder gerade wegen des einstigen nationalen Champions Giuseppe Garibaldi – oder bestenfalls was für Justizbeamte. Man bedenke, erst als die nationale Fernsehanstalt RAI nach 1945 gegründet wurde, verbreitete sich über die Jahrzehnte hinweg eine einheitliche Nationalsprache.

Logo" class="infobox_img" />Sascha Bremer [email protected]

Es mag teilweise ein Klischee sein, aber dennoch werden auch heute noch die vielen lokalen Dialekte gepflegt, ist man stolz auf die regionale Herkunft. Man schimpft auch weiterhin auf die Diebe in Rom („Roma ladrona“) und meint dabei die Politiker, die Mafiosi, die Profiteure, die Süditaliener oder den Staat. Für nicht wenige aus dem Norden – die Lega lässt grüßen – ist all dies sowieso dasselbe. Aber eigentlich war dies ja egal, weil man ja eh Zuflucht in der Kirchturmpolitik fand.

Jetzt, da Silvio Berlusconi und seine Bande die staatlichen Institutionen, soweit dies überhaupt noch möglich war, zu ihren Gunsten ausgehöhlt haben, da wegen des Drucks der Finanzmärkte weder Rom und noch nicht mal mehr die Regionen etwas zu sagen haben, dämmert vielen Italienern, was sie an ihrem so ungeliebten Staat hatten. Welchen Schutz, welche Möglichkeiten er ihnen, trotz all seiner Unzulänglichkeiten, geboten hatte.

Zeit für ein erneutes Risorgimento

Der seit Monaten schleppende Abgang Berlusconis und die damit verbundene politische Instabilität mögen zwar einerseits die Lage noch verschlimmern, andererseits wird den Italienern dadurch aber auch bewusst, dass sie eigentlich in einem Boot sitzen.

Und es geht nicht gerade um wenig für den Normalbürger, wenn man sieht, wie Berlusconi das Austeritätspaket für sein „paese di merda“(dixit der „Cavaliere“ selber) schnürt. Da wird die Mehrwertsteuer, hier das Rentenalter für Frauen erhöht, dort die Tarifautonomie und die Flächentarife massivst beschnitten. Dazu kommen noch etliche andere Abgaben an die Kommunen und an die Regionen. Von den nicht vorhandenen Zukunftsperspektiven der Jugend wollen wir hier gar nicht reden.

Als Versuch, die Straße zu beruhigen, wird es eine minimale Reichensteuer (3%) geben, Berlusconis Freunde – die Supperreichen – wollen nun dennoch ihren Beitrag zur Gesundung der Staatsfinanzen leisten. Diese wird aber nur die Einkünfte über 500.000 Euro betreffen – laut Finanzminister Tremonti sage und schreibe 3.641 Personen. Dies alles, weil Italien ja schließlich mit 1.900 Milliarden Euro so tief in der Kreide steht – eine auf den ersten Blick gigantische Zahl, die allerdings wiederum relativiert werden muss, wenn man bedenkt, dass dies nicht einmal 23 Prozent des Vermögens der reichsten Italiener ausmacht.

Es kommt deshalb nicht von ungefähr, dass gestern in ganz Italien die Menschen dem Aufruf der Gewerkschaften gefolgt sind, um ihre Wut gegenüber der finanziellen Schieflage des Staates, dem aufgezwungen Sparpaket und der Unverantwortlichkeit der Politiker auszudrücken.

„Tra qualche mese me ne vado“ (in einigen Monaten verziehe ich mich) hat Berlusconi in einem abgehörten Telefongespräch gesagt. Wetten, dass er auch dieses „Versprechen“ nicht zu halten braucht. So wie die Lage steht, werden die Italiener dies selbst erledigen, weil ihnen endlich bewusst wird, dass die Einheit stark macht und die Zeit für eine erneute Wiedergeburt Italiens überreif ist.