Sonntag21. Dezember 2025

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Von Ruhe keine Spur

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43 Jahre hat Fred Harles für das Escher Konservatorium gearbeitet. 33 Jahre lang war er sein Direktor. Heute (Freitag, 23.09) geht er in den Ruhestand. Gezwungenermaßen.

Denn er hat noch viele Pläne und Ideen. Warum er seit fast einem halben Jahrhundert für das Escher Konservatorium gekämpft hat und was ihm persönlich Musik bedeutet, hat er uns erzählt.

Tageblatt: 43 Jahre haben Sie im Konservatorium gearbeitet, 33 Jahre lang waren Sie Direktor. Haben Sie sich in dieser langen Zeit niemals gelangweilt?

Fred Harles: „Nie. Bis heute nicht. Mein Innerstes wird berührt, wenn ich an all die Jahre denke. Natürlich sind 43 Jahre eine lange Zeit, aber sie ging so schnell vorbei. Wenn ich es könnte, würde ich dieselbe Zeit noch einmal hier arbeiten. Ich war immer begeistert von meiner Aufgabe.“

Wie kamen Sie selbst zur Musik?

„Ich war schon als kleiner Bub von Musik fasziniert. Ich sehe heute noch vor mir, wie ich mit etwa zehn Jahren bei einem Konzert von Maurice André war. Er war damals ein sehr junger Musiker und ich war ein stiller, faszinierter Zuhörer. Bald darauf habe ich mich dann selbst bei einer Amateurmusikgesellschaft angemeldet. Da hatte ich sehr gute Lehrer. Die ersten Lehrer sind sehr wichtig, schließlich legen sie die Grundsteine. Später ging ich dann für fünf Jahre an das Königliche Musikkonservatorium in Brüssel und machte meine Ausbildung. Dann kam ich 1968 hier ans Konservatorium. Ich begann mit Teilzeit, wurde dann 1970 zum Professor ernannt und begann meine Erfahrungen zu sammeln…“

Was waren die ersten Herausforderungen, mit denen Sie als Direktor konfrontiert wurden?

„1969 wurde die Musikschule zum Konservatorium ernannt. Doch die Struktur fehlte. Wir hatten auch kein wirkliches Gebäude, sondern waren auf mehrere Gebäude verteilt. Ich war ein junger Lehrer und wollte etwas verändern. Als mein Vorgänger dann in den Ruhestand ging, hatte ich eine klare Linie im Kopf, wie ich das Konservatorium leiten wollte. Ich hatte drei Ziele: Erstens: Ich musste die Schule auf ein ordentliches Niveau bringen. Das Niveau hängt natürlich maßgeblich von guten Lehrern ab. Ich war gerade 31 Jahre alt, als ich Direktor wurde, viele der Lehrer am Konservatorium waren älter als ich. Ich musste vorsichtig meine Absicht verfolgen. Ohne Scherben zu schlagen. Zweitens: Wenn Konservatorium auf der Tür steht, dann muss auch der Inhalt angemessen sein. Wir standen ja in Konkurrenz zum Konservatorium in der Hauptstadt und mussten Aufbauarbeit leisten. Außerdem brauchten wir politische Unterstützung, denn nur mit guten Absichten und ohne Geld geht es auch nicht. Drittens: Ich hatte mir zum Ziel gesetzt, alle Teile des Konservatoriums unter ein Dach zu bekommen.“

Können Sie anhand von ein paar Zahlen zeigen, wie sich das Konservatorium seit den siebziger Jahren verändert hat?

„1978 hatte wir 20 Lehrer und etwa 300 Wochenstunden zu halten, heute sind wir bei über 1.000 Wochenstunden. Ich hatte 1978 noch ein Budget von 16 Millionen alten Franken, das sind 400.000 Euro, heute sind wir bei sechs Millionen Euro. Heute haben wir ein Niveau, dass sich wirklich sehen lassen kann. Unsere Juroren kommen aus vielen verschiedenen Ländern. Und auch wenn viele zu Beginn meiner Amtszeit über meinen strengen Stil gemeckert haben, höre ich heute, ich hätte die Rollen vertauscht. Früher gingen talentierte Luxemburger ins Ausland, um Musik zu studieren. Heute ist es umgekehrt, es kommen auch viele Ausländer an die Konservatorien Luxemburgs. Denn wir haben in allen drei Konservatorien des Landes internationale Standards. Ich kann ein Konservatorium nur gut führen, wenn ich gute Lehrer habe – wenn sie besser sind, als die Lehrer der Konkurrenz. Und das habe ich geschafft.“

Was ist denn für Sie ein guter Lehrer?

„Wir arbeiten mit dem, was unsere Lehrer in ihrer Gesamtausbildung gelernt haben. Bei ihrer Grundausbildung an den Konservatorien und dann später an Musikhochschulen und Universitäten. In unseren Statuten steht heute, dass ein Musiklehrer, um am Konservatorium zu arbeiten, Abitur und vier Jahre Studium der Musikwissenschaften auf universitärer Ebene absolviert haben muss. Ein guter Lehrer hat eine gute Ausbildung im Ausland bei sehr guten Musikern absolviert. Hinzu kommt die Motivation. Als Lehrer muss man sich engagieren. Außerdem – und das ist vielleicht sogar das Wichtigste – ist der Musiklehrerberuf auf Idealismus aufgebaut. Wenn man Musiklehrer werden möchte, kann man das ja nicht nach dem Abitur entscheiden, so wie man entscheidet, Jura oder Medizin zu studieren. Man muss von klein auf musiziert haben, von klein auf investiert man – aus Idealismus – sehr viel Zeit in seine Musik. Ein guter Lehrer bleibt sein Leben lang Idealist.“

Seit wann haben Sie dieses schönes Gebäude?

„Einweihung war im Dezember 1993. Doch das Projekt begann 1985. Früher war es ein Gebäude der Arbed. Die erste Stahlkrise zwang die Arbed dann dazu, das Gebäude zu verkaufen. Ziemlich schnell hatten sie auch einen potenziellen Kunden gefunden: Sie wollten hier eine Tankstelle hinbauen. Was ja auch eine Goldgrube geworden wäre … Deshalb musste die Politik überzeugen davon werden, dass ein Konservatorium angemessener sei als eine Tankstelle. Und das haben wir geschafft.“

Reden wir über Musik. Wie kam es dazu, dass Sie Ihre eigene Brass Band gegründet haben?

„1970 wurde ich zum Professor für Trompete ernannt. Bereits damals bedauerte ich schon sehr, dass das Konservatorium keine eigenen Orchester hatte, weder ein Symphonieorchester noch ein symphonisches Blasorchester noch eine Brass Band. Also habe ich meinem Vorgänger vorgeschlagen, eine Brass Band aufzubauen. Er war einverstanden, im Februar 1973 hatten wir unser erstes Konzert im Escher Theater. Und bis heute haben wir nahezu 1.500 Konzerte gegeben und an vielen internationalen Wettbewerben teilgenommen.“

Was bedeutet das Dirigieren für Sie?

„Dirigieren ist für mich eine kreative Tätigkeit. Man bringt seine Gefühle in die Orchesterarbeit mit ein und sitzt sozusagen zwischen Komponist und Musikern respektive Zuschauern. Es ist sehr faszinierend, wenn man ein Orchester dazu bringen kann, sehr gut zu spielen. Neben der vielen Verwaltungsarbeit hier war das Dirigieren für mich eine sehr große Freude.“

Musik sei die Sprache der Seele, soll schon Platon gesagt haben. Ist die Musik auch die Sprache Ihrer Seele? Und wenn ja, über was und wie spricht sie?

„Ob als Dirigent oder als Musiker, es geht immer um den Ausdruck von Gefühlen. Der erste Satz, den ich als kleiner Junge über Musik gelernt hatte, lautet: ’Die Musik ist die Kunst, die Gefühle der Menschen durch Töne zum Ausdruck zu bringen’. Ich meine, dieser alte, weise Satz ist immer noch die beste Antwort.“

Wie geht es mit dem Konservatorium nun weiter?

„Für Marc Treinen, meinen Nachfolger, sind alle Weichen gestellt, damit sich das Konservatorium auch in Zukunft gut weiterentwickeln kann. Er wird sicherlich die Qualität des Unterrichts beibehalten. Mittlerweile arbeiten hier 65 Lehrer, das Gesamtpersonal beläuft sich auf 80 Personen. Er hat ein wunderbares Team, dem ich an dieser Stelle meinen herzlichen Dank für seine Mit- und Aufbauarbeit aussprechen möchte.“

Zum Schluss noch eine rhetorische Frage: Gehen Sie heute lachend oder weinend in den Ruhestand?

„Ich gehe eher weinend hier heraus. Ich würde gerne weiterarbeiten, denn ich habe den Kopf voller Ideen …“

Von Ruhe keine Spur?

„Von Ruhe keine Spur.“