Dienstag11. November 2025

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Szenen einer Ehe

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LUXEMBURG - „Wir müssen noch an unserem Nachruf arbeiten“, sagt Diesch, während sie zum Stift greift und zu notieren beginnt. Groteske Szenen spielen sich ab.

Ihr Mann Mander, ein selbstverliebter und seelenloser Steuerhinterzieher, ergänzt: „Von allen Säcken weltweit war ich der faulste. Das muss unbedingt in den Nachruf.“

manderscheid.
ein stillleben
Théâtre national du Luxembourg

Aufführungen bis zum 9. März 2012

Kontakt & Reservierungen
TNL

194, route de Longwy
L-1940 Luxembourg
Tel.: (+352) 26 44 12 70
www.tnl.lu

Diese abstrusen Worte stammen aus der Feder von Guy Rewenig. Es sind Fragmente eines Nachrufs, den er an seinen verstorbenen Freund und Schriftsteller Roger Manderscheid richtet. Mit ihm hat er die Welt bereist und im Jahr 2000 den Verlag ultimomondo gegründet. Doch am 1. Juni des vergangenen Jahres verstarb Guy Rewenigs langjähriger Weggefährte nach langer Krankheit im Alter von 77 Jahren. Luxemburgs Kulturschaffende trauerten. Sie trauerten um ihren Freund und Kollegen. Vor allem aber trauerten sie um den unermüdlichen Verfechter der einheimischen Literatur, in dem sie alle einen der bedeutendsten Vertreter des neuen Luxemburger Romans sahen. Manderscheid, der Querdenker, wurde von allen geliebt und geschätzt. Und das nicht nur wegen seiner Sprache, die er akribisch und zielgerichtet wählte, um die konservativen Werte der Luxemburger Gesellschaft anzuprangern.

Zuflucht in eine Traumwelt

Im November 2010, wenige Monate nach dem schweren Verlust, veröffentlichte Guy Rewenig das Buch „manderscheid. ein stillleben“. Es handelt sich dabei um eine ganz persönliche literarische Hommage an Roger Manderscheid – ein Werk, das am Mittwochabend erstmals in ungekürzter Fassung im TNL aufgeführt wurde.

„Nur eines hilft dem Menschen, die Grausamkeit des Lebens zu ertragen: Humor“. Es scheint, als hätte sich Guy Rewenig diesen Leitsatz vollends einverleibt. Denn sein literarischer Nachruf an Manderscheid ist alles andere als eine untröstliche Trauerrede. Die Schrift, ein äußerst vielseitiger Dialog, ist ein Feuerwerk an grotesken Szenen und spitzfindigen Analysen über den trostlosen Alltag eines Rentnerpaares, das sich nichts sehnlicher wünscht, als dem „unbewegten Dasein“ zu entfliehen und Unterschlupf zu finden, in einer Traumwelt, die womöglich den Namen Manderscheid trägt. Guy Rewenigs Nachruf wurde von Frank Hoffmann, künstlerischer Leiter des TNL, auf die Bühne gebracht und wird bis zum Ende der laufenden Saison mehrmals in gemütlichem Ambiente aufgeführt.

Groteskes Spiel

Auch ihn verbindet mit Roger Manderscheid eine enge Freundschaft. Im Jahr seines Todes fungierte Manderscheid als „Auteur en résidence“ im Hause TNL, seinen letzten Auftrag konnte er zum Leidwesen aller Beteiligten nicht mehr ausführen. Das Schauspiel „manderscheid. ein stillleben“ über die gesamte Saison hindurch lebendig zu halten, ist Hoffmanns persönlicher Dank an Roger Manderscheid.

Seine Inszenierung, schlicht und unaufdringlich zugleich, zielt einzig und allein auf die Sprache ab – eine Sprache, die Purzelbäume schlägt und in ihrem Wesen – das glaubt man zumindest – nichtssagend ist. Doch es sind die herausragenden Schauspieler Annette Schlechter und Serge Tonon, die den Dialog aufrechterhalten und das Kunstwerk vollbringen, dass die Besucher regelrecht an ihren Lippen kleben. Schonungslos fliegen Wortfetzen, Monologe werden ausgemerzt und in jeder Szene dieser absonderlichen Ehe, die wie ein Patchwork wirkt, werden durchgehend Fäden zu Roger Manderscheid gesponnen. Manderscheid ist allgegenwärtig: Seine Person, sein Charakter, sein literarischer Nachlass, selbst seine Sprache, an der sich Guy Rewenig inspiriert, sind die Essenz dieser Inszenierung und der Schrift an sich, die uns wieder einmal das Bild eines Tandems vor Augen führt, von dem der Autor mal gesagt hat: „Mit Roger war es für mich wie Tandem fahren. Literarisch und freundschaftlich. Inhaltlich und emotional. Seit 40 Jahren. Jetzt ist das Tandem in der Mitte auseinandergebrochen und ich muss Einrad fahren.“

Mit beherzten Menschen wie Annette Schlechter und Frank Hoffmann an seiner Seite wird ihm das zweifelsohne gelingen.