Nichts war mehr im internationalen Fußball, wie es einmal war, das jahrzehntelang praktizierte Transfersystem von einem Tag auf den anderen von den Richtern in Luxemburg gekippt.
" class="infobox_img" />Philip Michel [email protected]
Der Aufschrei war groß unter den Vereinsverantwortlichen. Das Ende des fairen Wettkampfes wurde vorausgesagt. Nutznießer des Bosman-Urteils waren zunächst einmal die Spieler, denn durch den Wegfall der Ablösesummen bei Vertragsende hatten die Vereine mehr Mittel für Gehälter und Handgelder bereit. Nur Bosman selbst konnte seinen Erfolg vor Gericht nicht vergolden. Er war für die Klubs zur Persona non grata geworden und bekam auch keine Hilfe von den Kollegen, die ihm eigentlich ob der Gehälterexplosion hätten dankbar sein müssen.
Das Urteil selbst kann im Grunde genommen als banal bezeichnet werden, denn die Richter applizierten lediglich das EU-Arbeitsrecht. Die freie Wahl des Arbeitsplatzes galt fortan im Fußball wie auch im gesamten Profisport, der damit ein Stück seiner Spezifität, also seiner Sonderstellung, einbüßte und sich sozusagen dem Gesetz unterordnen musste.
Einfache Frage
Um die Spezifität des Sports geht es auch im Fall des Schweizer Fußballklubs Sion. Der Verein will sich mit dem Urteil diverser Sportgerichtsbarkeiten nicht abfinden und greift diese vor ordentlichen Gerichten an. Beim FC Sion sieht man nicht ein, weshalb man seine sechs Neuverpflichtungen, darunter der Luxemburger Mario Mutsch, nicht einsetzen sollte.
Nach wenigen Wochen war das Chaos perfekt, da der Verein vor zwei Schweizer Gerichten recht bekam und prompt seine neuen Profis spielen ließ, was dann wiederum Sanktionen durch die internationalen Verbände nach sich zog. Nun hat der FC Sion Klage gegen den europäischen Fußball-Verband UEFA vor der EU-Kommission eingereicht. Grund: Die UEFA setzte sich über die Urteile der Schweizer Zivilrichter hinweg und schloss den Verein aus dem laufenden Europapokal-Wettbewerb aus.
Was sich in der Sache reichlich kompliziert anhört, lässt sich auf eine einfache Frage reduzieren. Es geht nämlich nicht mehr darum, ob der FC Sion nun Spieler einsetzen darf oder nicht, sondern ob der Sport überhaupt an ordentlichen Gerichten vorbei über den Sport richten kann. Anders: Ist die Spezialbehandlung des Sports, seine Spezifität überhaupt gerechtfertigt?
Im Artikel 165 der EU-Verträge steht dazu geschrieben: „Die Union trägt zur Förderung der europäischen Dimension des Sports bei und berücksichtigt dabei dessen besondere Merkmale, dessen auf freiwilligem Engagement basierende Strukturen sowie dessen soziale und pädagogische Funktion.“ Ziemlich schwammig für das gesamte Spektrum des Sports mit auf der einen Seite dem Breitensport und auf der anderen Seite dem Spitzen- bzw. Profisport.
Auch beim FC Sion geht es um Geld, und so hat man den belgischen Anwalt Jean-Louis Dupont auf die UEFA losgelassen. Der machte sich einst im Fall Bosman einen Namen, mit dem bekannten Ausgang. Ist Dupont diesmal ähnlich erfolgreich, dann ist im Sport nichts mehr, wie es einmal war, die jahrzehntelang praktizierte Autoregulierung wäre zu Ende. Ob das dem Sport förderlich ist, sei einmal dahingestellt. In Anbetracht des Milliardengeschäfts, zu dem der Sport in den letzten Jahrzehnten geworden ist, kann es wohl aber keine andere Lösung geben.
De Maart
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