Montag20. Oktober 2025

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Sprache wird Di Rupo zum Verhängnis

Sprache wird Di Rupo zum Verhängnis

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Obwohl Belgien jetzt endlich eine Regierung bekommt, geht das Verhandlungstheater weiter. Di Rupos mangelnde Flämischkenntnisse sorgen in Flandern für Unmut. Di Rupo will jetzt die Sprache verbessern.

„Und wofür das alles?“, fragt am Donnerstagmorgen der Kolumnist der belgischen Tageszeitung L’Avenir. Nach absurden 535 Tagen Verhandlungen haben sich am späten Mittwochabend die politischen Streithähne Belgiens auf eine Regierungsbildung geeinigt. Das ist Weltrekord – so lange hat es bisher in keinem Land gedauert. In der neuen Regierung sitzen drei Parteien: Christdemokraten, Sozialisten und Liberale. Das sind die gleichen, die auch schon vor den Neuwahlen im Juni 2010 die Geschicke des Landes geleitet haben, das seit Jahren der Sprachenstreit zwischen flämischem Norden und französischsprachigem Süden entzweit.

Nun steht immerhin ein Kompromiss, auf 185 Seiten. Endgültig ist dieser aber noch nicht – die Streithähne und künftigen Koalitionäre aus den verschiedenen Landesteilen wollen am Donnerstag noch einmal beraten, bevor dann am Wochenende die Parteien über die Bildung einer Regierung abstimmen. Am Montag soll diese stehen.

Ein neuer Sprachenstreit

Kaum ist die Einigung da, streiten die 10 Millionen Belgier wieder über ihr Lieblingsthema: die Sprachen. Zweifel kochen hoch an dem Mann, der als erster französischsprachiger Premierminister seit 37 Jahren vereidigt werden soll. Elio Di Rupo, der frankophone Sozialist mit der roten Fliege, hat ein entscheidendes Manko: Er spricht nur gebrochen flämisch. Belgien steht vor dem „Schicksal der Fliege“, wie es das Onlineportal RTL.be auf den Punkt bringt.

Denn während der künftige Regierungschef im Ausland als „politischer Marathonmann“ gelobt wird, hagelt es im eigenen Land Kritik: „Meine nigerianische Putzfrau spricht besser Flämisch als Di Rupo. Und sie lebt erst seit zwei Jahren in Belgien“, schimpfte Rechtspopulist Bart de Wever bereits vor einigen Wochen. Der Flamen-Politiker tritt für die Eigenständigkeit des Nordens ein und bleibt in der neuen Regierung aussen vor.

Doch auch gemässigte Politiker urteilen scharf: „Elio Di Rupos fehlende Kenntnisse des Flämischen können ernste Probleme aufwerfen“, wird Yves Leterme, derzeit Premierminister der Übergangsregierung am Donnerstagmorgen in der flämischen Zeitung De Standaard zitiert. Es sei schlecht für einen Regierungschef Probleme mit der Sprache zu haben, „die die Mehrheit der Bevölkerung spricht.“

„Er hat einfach kein Talent für Sprachen“

Daher könnte es nach Abschluss des Verhandlungsmarathons für Elio Di Rupo erst richtig schwierig werden: Nun muss der Politiker Bürger und Opposition überzeugen. Wohl nicht ganz zufällig erscheint am heutigen Donnerstag ein Interviewbuch mit dem Sozialisten aus dem frankophonen Süden. In dem Buch mit dem Titel „Elio Di Rupo. Ein Leben, eine Vision“ verspricht er Verbesserungen: „Ganz ehrlich, ich hatte in den letzten Monaten keine Zeit zum Lernen. Aber ich werde daran arbeiten.“ Er habe einfach Angst „in der Öffentlichkeit Fehler zu machen“. Doch nun werde er sich die Zeit nehmen, sein Flämisch zu „perfektionieren“. Ob dies dem designierten Premier, Sohn einer einfachen Einwandererfamilie, Chemiker und Kunstfreund dies gelingt, wird in Frage gestellt: „Er hat einfach kein Talent für Sprachen“, urteilte die Chefkommentatorin der französischsprachigen Zeitung Le Soir.

Das Sprachenproblem von Di Rupo ist auch Streitthema bei der Regierungsbildung. Wer bekommt einen Ministerposten? Diese Frage ist noch nicht geklärt. Traditionell werden die Posten gerecht zwischen Flämisch- und Französischsprachigen aufgeteilt. Doch kann Elio Di Rupo als Regierungschef wirklich neutral gezählt werden, wenn er nicht perfekt zweisprachig ist wie seine flämischen Vorgänger? Oder zählt er dann als frankophoner Minister? Wenn ja, müssten die Flamen zum Ausgleich einen Ministerposten mehr bekommen.

540 Tage verhandeln, 920 Tage regieren

Ob dem Gezänk rückt das Wesentliche in den Hintergrund: Denn die Regierung muss schnell ihr Programm samt der ehrgeizigen Sparziele umsetzen – 11,3 Milliarden Euro allein für 2012. Viel Zeit bleibt nicht, schliesslich stehen im Juni 2014 die nächsten Wahlen vor der Tür. Nach 540 Tagen Verhandlungen bleiben nun noch 920 Tage zum Regieren.

Unterdessen ziehen die Gegner des Regierungskompromisses ihre Geschütze auf: Am Freitag wollen tausende Arbeiter laut Ankündigungen der Gewerkschaften in den Generalstreit treten.