Donnerstag23. Oktober 2025

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Mit Kulturen jonglierend

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LUXEMBURG - Vom 16. bis zum 18. März fand das 29. "Festival des migrations" in den LuxExpo-Hallen statt. Besucher erlebten dort mehr als nur ein kultureller und gastronomischer Streifzug um die Welt. Ein Erfahrungsbericht.

„Selten war die Stunde günstiger“, sagte ich mir als bekennender Platoniker. Ich blickte auf einen Tisch voller Bücher, Literatur aus Griechenland – allesamt große Namen, die mich vor Ehrfurcht erschüttern ließen.

Web
www.clae.lu

Eine fröhlich gestimmte Dame, die sich wenig später als Verkäuferin entpuppte, beobachtete mich unentwegt und warf mir herzliche Blicke zu. Wir kamen ins Gespräch, redeten natürlich über Griechenlands Schuldenkrise und spekulierten darüber, ob man mit der „Politeia“, vorausgesetzt man hätte sie ins 21. Jahrhundert projiziert, das Fiasko hätte abwenden können. Uns wurde rasch bewusst, dass wir uns auf dünnem Eis bewegten, kurz davor standen, einzubrechen und qualvoll zu verenden.

Leider war es mir in meiner Jugend nicht möglich gewesen, die griechische Sprache zu erlernen, doch die Verkäuferin war gut vorbereitet, griff unter den Tisch, wühlte in einer Kiste herum und legte mir ein Gedichtband in französischer Übersetzung von Odysseas Elytis vor. „Wow, ein Nobelpreisträger, schön und liebevoll eingebunden, in ein prächtiges Hardcover!“ Der Preis war mehr als korrekt: 12,50 Euro für ein großes Stück Weltliteratur, das womöglich Millionen von Menschen zu Tränen gerührt hat. Doch zum Deal sollte es nicht kommen: Ich mit einem 50er Schein, der mir der Geldautomat kurz vorm Aufbrechen zum „Festival des migrations, des cultures et de la citoyenneté“, das vom CLAE Jahr für Jahr initiiert wird, ausgespuckt hatte, sie mit einer leeren Kasse, ohne Wechselgeld. Und so begegneten und trennten wir uns an diesem grauen Samstagmorgen zu einer zugegebenermaßen ungewöhnlich frühen Stunde in Richtung Catering, denn der Magen knurrte und überall duftete es nach himmlisch angerichteten Menüs, die wir an dieser Stelle einfach mal als „cuisines du monde“ bezeichnen wollen.

Ob nun indische Teigwaren, Kebab mit deftigem Hühnchen oder die traditionelle Portion Pommes mit Mayo: Ich stand, wie so oft, vor der Qual der Wahl. An unzähligen Ständen wurde mit Pfannen und Töpfen jongliert, schließlich war es der Duft einer aphrodisierenden Paella, der sämtliche Zweifel beseitigte, während einige Meter von mir entfernt eine charismatische Band zum Soundcheck lud und ihren Instrumenten herzzerreißende Töne entlockte.

Am Rande der Verführung

„Ich diniere mit dem Blues“, vermerkte ich in meinem Notizblock, ein Geschenk eines Seelenverwandten aus Buenos Aires, und zog vorbei an Exoten wie beispielsweise dem „Kierchebistrot“, der mittels Malzgetränken seine aufgescheuchten Schäfchen zu besänftigen versuchte, oder auch einem menschenleeren Stand, der die Aufschrift „Tugas Team Motocross Luxembourg“ trug. Und genau in diesem Moment stellte ich mir die Frage: „Wo zum Teufel bin hier gelandet?“.

Ich zog mich zurück in Richtung Messeausgang, begrüßte beim Vorbeigehen Luxemburgs fortschrittlichste Parteien, ließ mich kurz von indonesischen Schönheiten verführen, traf alte Freunde wieder, einst vertrieben und heute lautstark gegen das Abschiebezentrum protestierend, vorbei am Marketingstand des Medienhauses, für das ich arbeite, um mir draußen vor den verglasten Pforten der Messehallen eine kleine Verschnaufpause zu gönnen, bevor ich mich erneut dazu entschied, wieder in die verwunschenen Hallen hineinzuschleichen, mich betören zu lassen, von rhythmischen Klängen, auf unbekannte, deswegen aber nicht weniger reizvolle Autoren zu treffen, die aus ihren Bücher rezitierten, und mich auf die Suche nach jenen Konferenzen zu begeben, die dem „Festival des migrations, des cultures et de la citoyenneté“ eigentlich sein Gesicht geben – Konferenzen, politisch interessant und hochbrisant, über Einwanderungspolitik, die weltweite wirtschaftliche Lage und das, was viele Menschen in diesen turbulenten Zeiten scheinbar vergessen haben: die Solidarität zwischen den Kulturen.