Nun dürfen sich all jene bestätigt fühlen, die den Hype um den Börsengang von Facebook von Anfang an nicht verstanden haben: Die Aktie des sozialen Netzwerks bricht am zweiten Handelstag ein. Milliarden lösen sich in Luft auf.
Die 800 Millionen Nutzer stoßen bei Facebook immer wieder auf problematische Bilder, Videos und Texte. Das US-Magazin "Gawker" hat die internen Richtlinien publik gemacht, nach denen die beanstandeten Beiträge beurteilt und gelöscht werden. (20min)
Immerhin ist Vorspiel erlaubt, solange es nur Küssen und Grapschen in Kleidern ist (nicht wie auf dem Bild!). (20min)
Darstellungen mit Minderjährigen in Unterwäsche sind tabu, auch wenn die Nutzer-"Postings" Cartoon-Figuren zeigen. (20min)
Tiefe Fleischwunden dürfen laut Regelung gezeigt werden. Auch Schädelbrüche ("ohne Innereien") werden toleriert, oder wenn viel Blut fließt. (20min)
Nicht gestattet sind Vibratoren oder anderes Spielzeug, das in Zusammenhang mit sexuellen Aktivitäten gezeigt wird. (20min)
Leute, die das Badezimmer benutzen, dürfen nicht gezeigt werden. (20min)
Jagdszenen sind ok, auch wenn getötete Tiere gezeigt werden. Wilderei ist tabu, bei bedrohten Tierarten will Facebook informiert werden. (20min)
Marijuana und Haschisch werden toleriert in Postings. Eingeschritten wird nur bei Verdacht auf Handel oder Verkauf. (20min)
Bei harten Drogen wird immer dann eingegriffen, wenn kein wissenschaftlicher oder medizinischer Kontext besteht. (20min)
Im Zweifelsfall sollen die externen "Inhalte-Moderatoren" den Fall zur weiteren Prüfung an einen Facebook-Mitarbeiter weiterleiten. (20min)
Es gibt auch bei verbotenen Inhalten Ausnahmen, die toleriert werden. Die "Beweislast" liegt beim Nutzer. Es muss also beispielsweise aus der Beschreibung zu einem Hakenkreuz-Bild hervorgehen, dass es nicht um nationasozialistische Propaganda geht. (20min)
Facebook hat das Bearbeiten der "Reklamationen" ausgelagert. Sogenannte "Inhalte-Moderatoren", die von einer Drittfirma angestellt sind, prüfen die Flut der täglichen Meldungen. Dazu steht ihnen ein Handbuch mit detaillierten Anweisungen zur Verfügung. (20min)
Nur in ganz bestimmen Fällen schalten die externen "Moderatoren" einen Facebook-Mitarbeiter ein. Etwa dann, wenn es um Holocaust-Leugner geht. Facebook schreitet auch bei ernst zu nehmenden Drohungen gegen Privatpersonen, Politiker oder Polizisten ein. (20min)
Die bei Facebook nicht geduldeten Abbildungen und Äußerungen sind in mehrere Kategorien aufgeteilt, von "Sex und Nackheit" über "Selbst-Gefährdung" bis "Mobbing und Belästigung". Alle Anweisungen für die Inhalte-Moderatoren wurden als vertraulich eingestuft. (20min)
Gewalttätige Sprache ("Ich liebe das Geräusch gespaltener Schädel") wird nicht toleriert. Hingegen sind Körperflüssigkeiten (außer Sperma) ok, solange niemand damit bloßgestellt wird. (20min)
Nackte Haut und anstößige Positionen sind laut Handbuch nicht erlaubt. Das gilt auch für Bilder mit stillenden Müttern, deren Brust entblößt ist. (20min)
Ein absolutes "No Go" sind weibliche Brustwarzen. Hier schreiten die Facebook-Zensoren unweigerlich ein. (20min)
Im Gegensatz zu männlichen Nippeln, die laut interner Anweisung auf Nutzer-Bildern toleriert werden. (20min)
Sexuelle Fetische sind in jeder Form unerwünscht - und werden gesperrt. (20min)
Für die Facebook-Aktie geht es gnadenlos abwärts: Um mehr als 13 Prozent ist das Papier des sozialen Netzwerk am zweiten Handelstag in New York eingebrochen. Die Aktie kostete nach einer halben Stunde Handel am Montag gerade noch 33 Dollar. Der Ausgabepreis hatte bei 38 Dollar gelegen. Mehr als 13 Milliarden Dollar Börsenwert lösten sich in Luft auf. Das von Mark Zuckerberg gegründete Unternehmen wurde von den Anlegern nur noch auf 91 Milliarden Dollar taxiert.
Am Freitag hatte das Papier um 23 Cent über dem Ausgabekurs von 38 Dollar geschlossen – es war ein mauer Abschluss eines nervenaufreibenden ersten Handelstags. Die am Börsengang beteiligten Banken hatten mehrfach mit eigenen Käufen den Kurs stützen müssen. Erschwerend hinzu kamen Computerpannen beim Börsenbetreiber Nasdaq.
Bescheidene Gewinne
Mit dem Kursverlust können sich nun all jene bestätigt fühlen, die Facebook für überbewertet halten. Zwar besitzt das Netzwerk gut 900 Millionen Mitglieder, doch die Geschäftszahlen fallen bislang eher bescheiden aus: Im vergangenen Jahr machte das Unternehmen 3,7 Milliarden Dollar Umsatz und 1 Milliarde Dollar Gewinn. Die Haupt-Einnahmequelle ist Werbung.
Der Verlust macht sich nicht nur bei Kleinanlegern im Depot bemerkbar. Besonders groß sind die Ausschläge beim frisch verheirateten Firmengründer und -chef Mark Zuckerberg. Er ist mit 503,6 Millionen Aktien der größte Facebook-Anteilseigner. Damit macht eine Veränderung von 1 Dollar je Aktie in seinem Fall jeweils rund eine halbe Milliarde Dollar aus.
„Keine Sternstunde“
Facebook und die Alteigentümer hatten Ende vergangener Woche 421 Millionen Aktien verkauft. Eine schwächer als gedacht ausgefallene Nachfrage ließ die Anteilsscheine im Handel jedoch beinahe unter den Ausgabekurs fallen. Der schwache Auftakt hatte den gesamten Markt und vor allem andere Internetaktien mit runtergezogen.
Hinzu kamen noch die Computerpannen bei der Nasdaq. Deren Systeme waren mit dem größten Internet-Börsengang aller Zeiten überfordert. „Das war nicht unsere Sternstunde“, räumte Nasdaq-Chef Robert Greifeld am Sonntag in einer Telefonkonferenz ein. Er hatte am Freitag noch gemeinsam mit Zuckerberg die Eröffnungsglocke der Börse geläutet.
Technische Probleme
Nach Greifelds Worten lag das Problem in der Stornierung von Aufträgen. Auch ausführliche Tests im Vorfeld hätten die Fehlfunktionen nicht aufgedeckt. Die Software habe sich aufgehängt, Mitarbeiter hätten manuell eingreifen müssen. Der Handel mit den Facebook-Papieren begann am Freitag mit einer halben Stunde Verspätung und lief auch danach nicht fehlerfrei. Die Börsenaufsicht SEC untersucht die Pannen.
Börsianer beschwerten sich, dass sie über Stunden nicht gewusst hätten, ob ihre Aufträge nun ausgeführt worden seien oder nicht. Einige sagten, sie hätten durch die Aussetzer Geld verloren und verlangen nun Wiedergutmachung von dem Börsenbetreiber. Das bedeutet einen Imageschaden für die Nasdaq. Die rein computergestützte Börse hatte der traditionsreichen New York Stock Exchange den Facebook-Börsengang weggeschnappt.
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