Samstag15. November 2025

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„Das, wonach ich gesucht hatte“

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Die österreichische Regisseurin Jessica Hausner sucht sich mit besonderer Vorliebe, so scheint es auf jeden Fall, schwierige Themen für ihre Filme aus. Ihr erster Langspielfilm „Lourdes“ drehte um eine junge gelähmte Frau, die im französischen Pilgerort Heilung sucht.

Ihr aktueller Streifen „Amour fou“ setzt sich mit dem Thema Selbstmord auseinander. Ausgangspunkt für Hausner war die Geschichte zweier Jugendlicher, die, nachdem sie sich im Internet kennengelernt hatten, gemeinsam in den Tod gingen. Diese Story, zu der die Regisseurin ein erstes Drehbuch entworfen hatte, empfand sie selbst als sehr düster, sehr ernst und die Arbeit wollte nicht so recht voranschreiten.

Die entscheidende Wende kam, als sie sich näher mit Heinrich von Kleists Freitod beschäftigte: „Die Absurdität in seiner Biografie, die Ambivalenz der romantischen Liebe war das, wonach ich gesucht hatte.“

Kleist hatte im Laufe seines Lebens mehrere Personen gefragt, ob sie mit ihm sterben wollten, doch erst als Henriette Vogel eingewilligte hatte, an seiner Seite aus dem Leben zu scheiden, konnte er diesen innig gehegten Wunsch in die Tat umsetzen.

Popularität wuchs nach dem Tod

Dabei, so Jessica Hausner, hatte es doch für Kleist klar sein müssen, dass ein jeder am Ende beim Sterben ganz alleine sein würde. Der Schriftsteller gehörte zu Lebzeiten nicht zu den ganz großen gefeierten Autoren, seine Popularität ist vor allem nach seinem Tod gewachsen und oft bezeichnet man ihn als den modernsten Dichter unter den Klassikern. Was ihn und seine Dichtung vorrangig auszeichnet und was seine heutige Popularität aus heutiger Sicht erklärt, sind die starken Emotionen, die vielleicht in der heutigen Welt eine Seltenheit geworden sind und daher besonders begehrt sind.

Hausner hat sich intensiv über die Epoche Kleists dokumentiert, auch über den Dichter, betont aber immer wieder, dass „Amour fou“ keine filmische Biografie sei, sondern ein Film, der den Freitod des Autors zum Anlass nimmt, über eben genau das Thema zu reflektieren.

Vergleicht man „Lourdes“ und „Amour fou“, fallen einem rasch Parallelen und Analogien auf. Im ersten Film funktioniert der Glaube und die Religion als Rahmen, innerhalb dessen die Figuren sich entwickeln müssen. Bei „Amour fou“ sind es die gesellschaftlichen sowie politischen Zwänge, die den Figuren ihre Grenzen aufzeigen, aber auch ihre Rolle, die sie spielen müssen.

„Amour fou“ von Jessica Hausner bedeutet für die luxemburgische Schauspielerin Marie-Paule von Roesgen bereits die zweite Selektion in der „Un certain regard“-Reihe hier in Cannes. Der Erstling liegt mehr als 20 Jahre zurück, „Hochzäitsnuecht“ von Pol Cruchten. Die Schauspielerin war aber nur wenig beeindruckt vom größten Filmfestival hier in Cannes, „das ist genau wie in Avignon, da war ich schon dreimal“. Voll des Lobes ist Marie Paule von Roesgen hingegen für die Arbeit der Regisseurin Hausner, die ihrer Meinung nach den Ideen und der Persönlichkeit des Autors treu bleibt. Die Zeit, die Epoche ist authentisch gezeichnet und dank der präzisen Dialoge und der recherchierten Texte kann man sich gut in diese Epoche hineinfügen. Nicht alles ist so knapp, wie man es bei Kleist im Original gehabt hätte, aber alles passt.

Von Roesgen ist begeistert

Von Roesgen ist begeistert über die filigran, beinahe beiläufig eingearbeiteten Kommentare und Urteile zum Leben im Allgemeinen oder auch im Besonderen und hofft, dass der Zuschauer bereit sein wird, diese subtilen Botschaften entschlüsseln zu wollen.