Samstag15. November 2025

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Lang lebe der Western

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Nach einem quasi perfekten Wochenende mit viel Sonnenschein und Touristen en masse ging es am Montag mit wolkenverhangenem Himmel sowie regelmäßigen Regenschauern weiter.

Ideales Kinowetter sozusagen. Vom offiziellen Wettbewerb gibt es bislang wenig Schlechtes zu berichten, der Jahrgang 2014 entpuppt sich als eher gut.

Der Western ist tot, lang lebe der Western. Tommy Lee Jones („Men in Black“, „No Country for Old Men“) gelingt das Meisterstück, dieses Genre neu zu beleben und dabei sogar einen eher ungewohnten Blickwinkel einzunehmen. „The Homesman“ berichtet von der Reise dreier junger Frauen, die zurück zu ihren Familien in den Osten gebracht werden müssen.

Die unbeschreiblich harten Lebensbedingungen in der Wildnis haben sie in den Wahnsinn getrieben. Der unverheirateten „alten Jungfer“ Mary Bee Cuddy fällt die undankbare Aufgabe zu, die Frauen zu begleiten. Sie stutzt sich auf ihren starken und unerschütterlichen Gottesglauben, erhält aber auch Hilfe von George Briggs. Der ungemütliche, mürrische Eigenbrötler hat Hilfe versprochen, da Cuddy ihn vom Galgen gerettet hat.

Was ist ein Western?

Die Frage, ob es sich bei seinem Film um einen Western handelt, beantwortet Regisseur und Hauptdarsteller Tommy Lee Jones ausweichend. „Wie definiert man den Begriff Western? Ich war der Meinung“, so Jones, „es sei ein Film, in dem es Pferde gibt, Mann und Frau große Hüte tragen und die Geschichte im 19. Jahrhundert auf der Westseite des Mississippi spielt.“ Bereits 2005 hatte der US-Schauspieler seine erste Regiearbeit abgeliefert, für die es hier in Cannes den Interpretationspreis für den Regisseur gab.

In „The Three Burials of Melquiades Estrada“ setzte er sich mit der ungerechten Behandlung der mexikanischen Einwanderer auseinander, mit „The Homesman“ stellt er sich nun auf die Seite der Frauen. Das Resultat ist eine Hommage an das weibliche Geschlecht, an die Frauen, die bei der Eroberung des Wilden Westens oft im Schatten ihrer Männer standen, und an eine Epoche mit ihren schwierigen Lebensbedingungen, die außerhalb von Amerika nur wenig bekannt ist. Mit wunderbar einfachen Bildern, welche die Unendlichkeit sowie die Schönheit der Natur immer wieder unterstreichen, vermittelt Tommy Lee Jones im Handumdrehen die Faszination, die von dieser unberührten Landschaft ausgeht. Tommy Lee Jones im Team mit der zweifachen Oscar-Preisträgern Hilary Swank erinnert an das legendäre Paar Humphrey Bogart und Katharine Hepburn, die als Charlie Allnut und Rose Sayer in „The African Queen“ gemeinsame Sache machen müssen, um ihr Ziel zu erreichen.

„The Homesman“ basiert auf dem gleichnamigen Roman von Glendon Swarthout, der auch die Romanvorlage für John Waynes letzten Film „The Shootist“ schrieb. Ganz ähnlich opulent und doch ganz anders ist „Winter Sleep“, der türkische Beitrag von Nuri Bilge Ceylan, den so mancher Kritiker schon als Gewinner der Goldenen Palme sieht. Ceylan, von Formation auch Fotograf, nimmt uns nach Zentralanatolien, genauer nach Kappadokien. Dort betreiben der frühere Schauspieler Aydin und seine junge Frau Nihal ein kleines Bed & Breakfast. Die Beziehung zwischen den beiden ist längst erkaltet, doch lange Diskussionen und Selbstgespräche geben dem Zuschauer Aufschluss über eine glücklichere Vergangenheit. Mit 196 Minuten der längste Film im Wettbewerb, doch auch einer der intensivsten. Kino, wie es schöner nicht sein kann.

Beide Filme liegen im internen Ranking mehrerer Zeitschriften gut im Rennen und werden sicherlich am Ende auf der Liste der Preisträger nicht fehlen.