Minsk-II erhöht Druck auf Poroschenko

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Auch nach der Minsker Friedenserklärung kehrt keine Ruhe ein im Kriegsgebiet Donbass. Selbst wenn an diesem Sonntag wie geplant eine Waffenruhe in Kraft tritt, bleibt offen, wie lange sie diesmal hält.

Neue blutige Kämpfe und Granatenhagel im Kriegsgebiet Donbass drohen die Hoffnungen auf eine mühsam ausgehandelte Feuerpause in der Ukraine zu ersticken. Zwar spricht nach der nächtlichen Marathonsitzung mit Kanzlerin Angela Merkel, Kremlchef Wladimir Putin und dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko in Minsk viel dafür, dass eine Feuerpause in Kraft tritt. Aber sicher ist nicht, ob es wirklich dazu kommt – und wie lange sie hält. Unklare Befehlsketten bei beiden Konfliktparteien können die neuerliche Friedenserklärung jederzeit platzen lassen.

Das in Minsk von Merkel, Putin, Poroschenko und dem französischen Präsidenten François Hollande zwar nicht unterschriebene, aber gutgeheißene Papier „Minsk-II“ und eine Friedenserklärung seien vor allem für die Europäer und Russland von Vorteil, hieß es mehrheitlich in Kommentaren. Für die Ukraine sei es aber ein Missgriff. Merkel habe auch mit ihrer US-Reise und der Bitte, auf Waffenlieferungen an die Ukraine zu verzichten, einen großen Krieg in Europa verhindert.

„Schlechter Frieden“

Für die Ukraine gehe es nur um die Wahl zwischen einem „schlechten Frieden“ und Krieg, meint der Politologe Dmitri Trenin vom Moskauer Carnegie Center. „Die Minsker Waffenruhe wird die Konfrontation nicht beenden, sondern eher anerkennen.“ Ukrainische und russische Medien sind sich einig, dass es keine Garantie gibt, dass eine Eskalation abgewendet ist. Viele Beobachter sehen sie eher – wie vorherige gebrochene Feuerpausen – als Gelegenheit zum Durchatmen.

Vor allem auf Poroschenko bleibt der innenpolitische Druck groß, den Konflikt mit militärischen Mitteln zu lösen. Dass er sich in Minsk zu einer „friedlichen Lösung“ verpflichtet und der Volkswehr viele Zugeständnisse gemacht hat, brachte ihm erwartungsgemäß Kritik ein. „Hochverrat“ wirft das Freiwilligenbataillon Asow dem Oberbefehlshaber vor. Er habe ukrainische Positionen aufgegeben.

Asow Einheiten wollen weiter feuern

Die Asow-Kämpfer wollen im Donbass auch weiter gegen Aufständische vorgehen – trotz Feuerpause und dem vereinbarten Abzug schwerer Waffen. Russland bezweifelt seit langem, dass Poroschenko tatsächlich Macht hat über alle Sicherheitsstrukturen. Sogar ukrainische Medien sehen eher Putin als „Sieger“ von Minsk. „Faktisch stimmen die neuen Vereinbarungen mit Putins Forderungen überein“, schreibt etwa die Kiewer Zeitung „Den“. Der Konflikt gilt nun als eingefroren.

Besonders aber die russischen Medien feierten den zuletzt durchaus auch kritisch betrachteten Kremlchef als strahlenden Sieger. „Über die Krim spricht niemand mehr, und auch für den Donbass sind jetzt besondere Bedingungen gesichert“, schreibt die Zeitung „Wedomosti“.

Rache

Besonders herausgehoben wird die ermüdende Nachtsitzung im Palast der Unabhängigkeit in Minsk, mit der Ex-KGB-Offizier Putin die deutsche und französische Delegation absichtlich zermürbt habe. Der Kremlchef „räche“ sich damit auch dafür, dass die EU Russland bei den Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen mit der Ukraine ignoriert habe, meinten viele. Erst habe der Westen nicht mit Russland über die Ukraine reden wollen – nun müsse er.

Russland und die damalige Führung der Ukraine hatten von der Europäischen Union im Herbst 2013 Dreiergespräche gefordert – weil das Abkommen auch Moskaus Interessen berühre. Doch die damalige EU-Führung um Kommissionspräsident José Manuel Barroso lehnte dies ab – wenn die EU mit ihren Partnern spreche, habe Russland am Verhandlungstisch nichts zu suchen, hieß es.

Europäer machten auch Fehler

Schon damals hielten Experten wie der Ex-EU-Kommissar Günter Verheugen dies für einen Fehler. Es spreche „eine Menge“ für Dreiergespräche – „das hätte man sogar schon sehr viel früher machen müssen“, sagte Verheugen seinerzeit dem Deutschlandfunk. Er schlug einen gemeinsamen Wirtschaftsraum der EU und Russlands vor. „Das wäre ein Gesprächsangebot an Russland, zumal Wladimir Putin dasselbe ja vor einiger Zeit auch schon gesagt hat, dass er das wünscht.“

Politische Beobachter auch im Westen meinen, dass es wohl nicht zum Krieg im Donbass mit bisher mehr als 5000 Toten gekommen wäre, wenn die EU sich mit Russland und der Ukraine an einen Tisch gesetzt hätte. Ein Dialog als Zeichen, dass Brüssel Moskaus Sorgen ernst nehme, hätte die Krise wohl nicht so eskalieren lassen. In EU-Diplomatenkreisen ist zu hören, dass auch im Westen Fehler gemacht worden seien. Vor allem aber sei Russlands Entschlossenheit, eigene Interessen zu schützen, klar unterschätzt worden.