US-Sportstars wie die Williams-Schwestern stehen plötzlich im Doping-Zwielicht, IOC und WADA sind empört: Der Angriff der russischen Hacker-Gruppe, die sich „Fancy Bear“ nennt, schlägt im weltweiten Sport hohe Wellen – es geht mehr denn je zu wie im Kalten Krieg. Die Welt-Anti-Doping-Agentur bestätigte, dass ein erneuter Angriff auf ihre Datenbank Erfolg hatte und betonte, die Attacke erfolgte aus Russland. Die Hacker gelangten an vertrauliche Unterlagen über Sportler und veröffentlichten diese im Internet.
„Wir können auch Opfer sein“
Demnach nehmen Serena und Venus Williams sowie Simone Biles, vierfache Turn-Olympiasiegerin von Rio, und die Basketball-Olympiasiegerin Elena Delle Donne mit Hilfe von Sondergenehmigungen legal eigentlich verbotene Substanzen zu sich. Wie die Hacker an die medizinischen Daten zu den Athleten kamen, ist unklar. Nach Angaben von Lars Mortsiefer, Vorstand der NADA in Bonn, sollen sie sich Passwörter und Zugangsdaten für das Meldesystem Adams verschafft haben. Das Abgreifen der Daten („Phishing“) sei entweder bei einem IOC-Vertreter oder einem Athleten während der Olympischen Spiele in Rio gelungen. Nachdem Hinweise auf einen russischen Racheakt laut geworden waren – die WADA ist Auftraggeberin des McLaren-Reports, der den Russen Staatsdoping nachwies -, griff Moskau ein und wies prompt jegliche Beteiligung an den Vorgängen zurück. „Wir können ohne Zögern eine Beteiligung der russischen Regierung oder eines russischen Geheimdienstes ausschließen“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Sportminister Witali Mutko gab sich am Rande der UEFA-Präsidentschaftswahl in Athen geradezu empört: „Wie kann man einfach behaupten, das seien russische Hacker? Sie beschuldigen Russland einfach für alles!“ Viel mehr könnten auch russische Sportlerdaten ausspioniert worden sein. „Wir können auch Opfer sein“, sagte Mutko.
„Krankenakten von Top-Athleten werden in der Öffentlichkeit diskutiert“
Wie die WADA kritisierte auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) den Vorgang. „Das IOC verurteilt solche Methoden, die das Ziel haben, das Ansehen sauberer Athleten zu beschädigen“, hieß es in einer Mitteilung. Das IOC werde nun eigene Datensysteme überprüfen, um eventuelle Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Doch unter den Athleten wachsen Sorge und Verunsicherung, zumal Fancy Bear weitere Enthüllungen angekündigt hat. Ob die Gruppe noch „echte“ Dopingfälle im Köcher hat, ist ungewiss. Doch schon die ersten Veröffentlichungen haben gewaltigen Schaden angerichtet. „Es kann doch nicht sein, dass die Krankenakten von Top-Athleten in der Öffentlichkeit diskutiert werden“, sagte Mortsiefer. Er kündigte an, den Druck auf die WADA zu erhöhen, um bessere Sicherheitsstandards zu schaffen. „Das war ja nicht der erste Angriff“, meinte der deutsche Doping-Wächter und sorgt sich um das Vertrauen der Athleten. Vor den Olympischen Spielen in Rio hatten russische Hacker versucht, über WADA-Datenbanken an die Adresse der Whistleblowerin Julia Stepanowa zu gelangen, die seit ihrem Beitrag zur Aufdeckung des Staatsdoping-Systems in Russland Morddrohungen erhält. Auch Venus Williams zeigte sich bestürzt.
„Auch Leistungssportler sind mal krank“
„Ich war enttäuscht, dass meine privaten medizinischen Daten von Hackern ohne meine Erlaubnis veröffentlicht wurden“, teilte sie in einer ersten Erklärung mit. Simone Biles, mit viermal Gold und einmal Bronze erfolgreichste Turnerin und hinter US-Schwimmerin Katie Ledecky erfolgreichste Athletin in Rio überhaupt, sah sich umgehend zu einer Rechtfertigung genötigt. Sie leide seit ihrer Kindheit an der Aufmerksamkeitsstörung ADHS und benötige seitdem entsprechende Medikamente, teilte sie mit. Dank der Sonderregeln ist es Sportlern erlaubt, medizinische Präparate zu nehmen, die womöglich auf der Dopingliste stehen. Das sei auch sinnvoll, sagte Mortsiefer. „Auch Leistungssportler sind mal krank und brauchen dann entsprechende Medikamente“, sagte der Experte. Andererseits ist jedem Anti-Doping-Kämpfer klar, dass die sogenannten TuE („Therapeutic Use Exemptions“) fester Bestandteil der dunklen Dopinghistorie sind. Es ist ein heikles Thema. In Deutschland arbeitet die NADA aus diesem Grund mit acht Ärzten zusammen, die über die Medikationen für Spitzenathleten im Krankheitsfall entscheiden.
De Maart
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