Die WADA wäre wohl nicht die WADA, wenn sie nicht kurz vor wichtigen Ereignissen zumindest eine kleine Bombe platzen lassen würde. So auch vor der Wiederwahl ihres Präsidenten Craig Reedie am Sonntag in Glasgow. Vor der Sitzung des Stiftungsrates schlug die Welt Anti Doping Agentur vor, in Zukunft auch ein deftiges Sanktionsprogramm in ihre Ausstattung nehmen zu wollen. Im Zuge der von allen Seiten des internationalen Sports geforderten Umstrukturierung des weltweiten Anti-Doping-Kampfes möchte sich die Agentur in Montreal laut Branchendienst insidethegames ein abgestuftes „System von Sanktionen“ zu eigen machen, das Organisationen betrifft, die laut WADA-Einschätzungen nicht regel-konform (non-compliant) sind.
IOC setzt auf eine Teilung der Gewalten
Bislang kann die WADA Anti-Doping-Labore suspendieren und bei Verletzungen des Anti-Doping-Cods von Ländern oder Nationalen Olympischen Komitees lediglich Empfehlungen aussprechen. Das neue System soll nun dazu führen, dass die WADA auch gegen diese Organisationen Strafen verhängen kann. Dies dürfte jedoch wiederum beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) auf wenig Gegenliebe stoßen, zumal die Macht der WADA damit enorm zunehmen würde. Das IOC setzt stattdessen auf eine Teilung der Gewalten. Während der WADA mehr und mehr das Testmanagement übertragen wird, soll die Sanktionierung ganz in den Verantwortungsbereich des Internationalen Sportgerichtshofs CAS übergehen.
„Kommunikation scheint nicht zu funktionieren“
Für genug Diskussionstoff ist am Sonntag auf der Sitzung also gesorgt, dennoch wird der Wiederwahl von Reedie am Ende nichts im Weg stehen. Das IOC hatte bereits Rückendeckung für den Schotten signalisiert, dessen Ansehen bei der Versammlung der Nationalen Olympischen Komitees (ANOC) in Doha in dieser Woche weiteren Schaden nahm. „Sein Auftritt in Doha war sehr, sehr misslich“, sagte Lars Mortsiefer, Vorstand der deutschen Anti-Doping-Agentur NADA in Bonn, dem SID. „Wenn man sich für so eine wichtige Entscheidung entschuldigen muss, wirft das kein gutes Licht auf seine Organisation“, sagte Mortsiefer. Vor 207 Vertretern der NOKs hatte Reedie in Doha Abbitte geleistet, nachdem seine Organisation das Doping-Labor am Vortrag der ANOC-Sitzung an gleicher Stelle geschlossen hatte. „Wenn ein Labor suspendiert werden muss, muss es suspendiert werden. Doch die Kommunikation zwischen Präsident, der den Ablauf so nicht wollte, und seinem Apparat scheint nicht zu funktionieren“, sagte Mortsiefer.
Man kann nicht zwei Herren dienen
Die Reaktion war für Reedie wenige Tage vor seiner möglichen Wiederwahl verheerend. ANOC-Präsident Scheich Al-Sabah forderte einen anderen Präsidenten, viele Delegationen wetterten gegen den Schotten, seit dessen Amtsantritt im Jahr 2013 die weltweit wichtigste Organisation im Anti-Doping-Kampf immer wieder Böcke schoss. Auch die nationalen Anti-Doping-Agenturen hatten vor kurzem einen neuen Präsidenten gefordert, doch weniger, weil Reedie versagt hätte, sondern vielmehr, weil er auch dem IOC angehört. „Man kann nicht zwei Herren dienen. Entweder er tritt aus dem IOC zurück oder als WADA-Präsident“, forderte Travis Tygart, Chef der US-Anti-Doping-Agentur (USADA), im SID-Interview. Doch das IOC sieht in seiner Doppelfunktion derzeit offenbar noch kein akutes Problem. Auf Sicht soll es aber einen „neutralen Präsidenten“ ohne IOC-Sitz geben, der die großen Reformen einleiten soll. Darüber hat das IOC Reedie bereits informiert.
Eine Herkulesaufgabe
„Auf dem Treffen nahm Sir Craig diesen Ansatz an und sagte, er würde einer solchen Lösung nicht im Wege stehen“, sagte ein IOC-Sprecher. Danach signalisierte die Ringe-Organisation Rückendeckung. Es ist jedoch zu bezweifeln, ob der 75-Jährige tatsächlich die gravierenden Veränderungen in seinem Apparat durchsetzen wird. Der letzte Olympic Summit Anfang Oktober legte klar fest, dass das komplette Testmanagement von Doping-Kontrollen in Zukunft bei Groß-Events von den Fachverbänden unter die Obhut der WADA fällt – eine Herkulesaufgabe.
De Maart
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