Mittwoch31. Dezember 2025

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Dilemma in NorwegenSeltene Erden oder seltene Käfer?

Dilemma in Norwegen / Seltene Erden oder seltene Käfer?
Hier in Ulefoss könnte eine Mine für die Gewinnung Seltener Erden entstehen Foto: Sulejman Alihodzic/AFP

Europas Wirtschaft braucht sie dringend, doch ihre Gewinnung und Verarbeitung sind kompliziert und umweltschädlich: Die Versorgung mit Seltenen Erden ist ein wunder Punkt vieler Unternehmen.

In Norwegen soll bald eines der größten Vorkommen der Mineralien in Europa erschlossen werden, doch Umweltbedenken bremsen das Vorhaben. Bestände gefährdeter Käfer, Moose, Pilze und anderer Arten sind bedroht.

„Wenn Sie ein Smartphone bei sich haben, haben Sie Seltene Erden in der Tasche“, sagt Tor Espen Simonsen von Rare Earths Norway. Das Unternehmen hält die Abbaurechte für das Vorkommen an Seltenen Erden in Ulefoss, zwei Autostunden südwestlich von Oslo. „Wenn Sie ein Elektroauto fahren, fahren Sie mit Seltenen Erden, und Sie brauchen Seltene Erden, um Rüstungsgüter wie F-35-Flugzeuge herzustellen.“

Doch Europa bezieht fast all diese Rohstoffe aus einem einzigen Land: China. Die Volksrepublik fördert große Mengen der Rohstoffe selbst, aber ist vor allem bei der Weiterverarbeitung mit Abstand Weltmarktführer. „Wir befinden uns in einer Situation, in der Europa sich mehr dieser Rohstoffe selbst beschaffen muss“, plädiert Simonsen. Die EU hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 mindestens zehn Prozent ihres Bedarfs an Seltenen Erden selbst zu decken.

Vorkommen der Metalle gibt es auch in Europa, doch keines ist bislang erschlossen. Rare Earths Norway liegt ebenfalls nicht mehr im Zeitplan: Ein Start der Produktion wird nicht mehr vor Anfang der 2030er-Jahre erwartet. Grund sind vor allem Umweltbedenken.

Die Metalle der Seltenen Erden sind in der Regel in Verbindungen in Erzschichten enthalten. Die Trennverfahren sind höchst aufwendig und umweltschädlich. Klassische Abbaugebiete Seltener Erden gleichen nach wenigen Jahren häufig Mondlandschaften.

Der ökologische Fußabdruck der geplanten Mine in Ulefoss ist zwar deutlich geringer: Sie ist nicht als Tagebau geplant, sondern soll unterirdisch angelegt werden. Auch soll ein Großteil der Bergbauabfälle anschließend wieder unter die Erde zurückgebracht werden. Der Standort ist dennoch problematisch.

Experten haben in dem Gebiet 78 Tier- und Pflanzenarten gezählt, die auf der Roten Liste stehen: verschiedene Käfer, Bergulmen, Eschen, etwa vierzig Pilzarten und zahlreiche Moose. Hinzu kommt, dass sich die Ablagerung von Abraum negativ auf geschützte Wassergebiete auswirken könnte.

Zwischen Pest und Cholera

Martin Melvaer, Berater bei Bellona, einer technikaffinen norwegischen Umwelt-NGO, ist grundsätzlich für den Abbau Seltener Erden, mahnt aber zur Vorsicht. „Das darf nicht so schnell gehen, dass wir dabei einen Großteil der Natur zerstören“, sagt er. „Wir müssen uns also beeilen, aber langsam.“

Wegen der Umweltbedenken überprüft die Gemeinde Ulefoss nun die Pläne für die Mine. Ein anderer, ökologisch weniger sensibler Standort für den überirdischen Teil der Anlage ist zwar denkbar, doch weder das Unternehmen noch die Anwohner favorisieren diese Lösung. Sowieso hat das Bergbauprojekt Rückhalt in der örtlichen Bevölkerung.

Ulefoss kämpft seit Jahrzehnten mit dem Verlust von Arbeitsplätzen. Junge Menschen verlassen die Gegend. „Viele Menschen hier leben am Rande des Arbeitsmarktes, viele beziehen Sozialhilfe oder Invaliditätsrente“, sagt Bürgermeisterin Linda Thorstensen. „Wir brauchen also Arbeitsplätze und Perspektiven.“

„Wir wollen eine Dynamik, die uns bereichert und von der die Gemeinde profitiert“, sagt die 70-jährige Inger Norendal. „Wir brauchen Geld und mehr Einwohner.“ Der Bergbau habe aber natürlich auch seine Kehrseite, sagt die pensionierte Lehrerin.

„Wir sind uns bewusst, dass wir einen bedeutenden Teil unserer Natur opfern müssen“, sagt auch Bürgermeisterin Thorstensen. „Es ist ein bisschen so, als müsste man sich zwischen Pest und Cholera entscheiden.“ (AFP)