27. Dezember 2025 - 9.16 Uhr
BalkanNach gescheiterter Regierungsbildung wählen Kosovaren am Sonntag erneut ihr Parlament
Außer Spesen nichts gewesen: Zehn Monate nach der Parlamentswahl am 9. Februar müssen die Kosovaren sich wegen der Unfähigkeit der Parteien, sich auf eine Regierungskoalition zu verständigen, am Sonntag erneut zu den Urnen aufmachen.
Wahlumfragen gibt es nicht, klare Mehrheiten scheinen ebenso nicht in Sicht. Keine der Oppositionsparteien zeigt bisher die Neigung, mit der linkspopulistischen Vetevendosje (VV) des geschäftsführenden Premiers Albin Kurti ins Koalitionsboot zu steigen. Sollte sich die Pattstellung verhärten und im Frühjahr auch nicht die nötige Zweidrittelmehrheit im Parlament zur Kür eines neuen Staatsoberhaupts zustande kommen, dürfte sich Kosovos institutionelle Krise weiter verschärfen – und neue Neuwahlen drohen.
Stattliche zwei Millionen Wähler sind bei dem laut der letzten Volkszählung auf 1,6 Millionen Einwohner geschrumpften Staatenneuling am Sonntag zur Stimmabgabe aufgerufen. Auch um die Stimmen der ausgewanderten Landsleute in der Diaspora wird von den über 1.100 Kandidaten kräftig gebuhlt.
Gegenseitige Vorwürfe
Über Zugewinne und Verluste dürfte vor allem die Frage entscheiden, wer wem erfolgreich die Schuld für den gegenwärtigen Stillstand aufhalsen kann. Denn Regierung und Opposition werfen sich gegenseitig die Verantwortung für die Selbstblockade des seit 2008 unabhängigen Vielvölkerstaates vor.
Bei der Wahl im Februar hatte die VV zwar Einbußen erlitten, sich aber mit 42,3 Prozent klar als stärkste Kraft behauptet. Doch trotz des Verlusts der Parlamentsmehrheit machte der als starrköpfig geltende Solist Kurti hernach keinerlei ernsthafte Anstalten, sich mit der Opposition auf irgendetwas zu verständigen. Umgekehrt vermochten die Oppositionsparteien PDK, LDK und AAK auch keine Mehrheit zu bilden, da sie wie die VV die von Belgrad kontrollierte SL der serbischen Minderheit als Koalitionspartner ablehnen.
Allein die Wahl des Parlamentsvorsitzenden erforderte 60 Anläufe, da die VV monatelang hartnäckig immer wieder dieselbe, aber von der Opposition abgelehnte Kandidatin für den Posten nominierte. Als nach acht Monaten das Parlament endlich im Oktober seine Arbeit aufnehmen konnte, verspürte keine Oppositionspartei mehr Lust, mit Kurti noch Koalitionsgespräche zu führen.
Nicht ausbezahlte Löhne wegen nicht freigegebener Haushaltsmittel, Millionenverluste durch nicht abgerufene Hilfsgelder oder nicht unterzeichnete Abkommen: Die Staatsblockade sorgt zunehmend für Unmut – und kostet Geld.
Hohe Wahlbeteiligung der Auslandskosovaren
Zumindest Noch-Premier Kurti scheint im Gegensatz zu vielen seiner Landsleute die Lust am Stimmenstreit noch nicht verloren zu haben. Vollmundig verspricht er millionenschwere Rüstungskäufe, Investitionen in den Ausbau der Infrastruktur und in den kriselnden Gesundheitssektor des Landes. Doch obwohl sich seine VV als stärkste Kraft behaupten dürfte, scheinen erneute Stimmenverluste nach dem Parlamentstrauerspiel der letzten Monate für die Regierungspartei eher wahrscheinlich als die von Kurti gelobten Zugewinne.
Eine hohe Wahlbeteiligung der Auslandskosovaren und von in den Weihnachtsferien heimgekehrten Emigranten könnten indes eher der VV als der Opposition zu Gute kommen. Auch die nun von der EU-Kommission angekündigte Aufhebung der 2023 verhängten Strafmaßnahmen gegen Kosovo oder die in letzter Zeit sich vermehrenden Anerkennungen des Landes durch Drittstaaten sind für die Regierungspartei willkommene Wahlkampfmunition, um ihren verblassten Glanz und die karge Erfolgsbilanz etwas aufzupolieren.
Die wiedererstarkte LDK hofft, die PDK als stärkste Oppositionskraft abzulösen. Bei einer relativ hohen Wahlbeteiligung könnten außer der von der PDK abgesplitterten Nisma auch die AAK von Ex-Premier Ramush Haradinaj Probleme haben, über die Fünfprozenthürde zu kommen und ins Parlament zu gelangen.
De Maart
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