23. Dezember 2025 - 7.47 Uhr
ForumPlan mit Mängeln: Guy Foetz über den „NationalenAktionsplan gegen Armut“
Der nationale Aktionsplan zur Bekämpfung der Armut will „die Lebensbedingungen der betroffenen Menschen nachhaltig verbessern“.
Von den 106 angekündigten Maßnahmen sind insbesondere folgende positiv hervorzuheben:
– jene zur Vereinfachung der Verwaltungsabläufe, zur Vereinheitlichung der Hilfe durch die verschiedenen Sozialämter und zur Automatisierung der Sozialhilfe;
– jene zugunsten von Kindern; sie stellen zweifellos eine Reaktion auf die Tatsache dar, dass in Luxemburg jedes vierte Kind, das heißt 30.000 Kinder, von Armut bedroht sind;
– jene zur Anpassung des Gesetzes über das „revenu d’inclusion sociale“ (REVIS); sie zielen insbesondere darauf ab, den Verlust des REVIS in bestimmten Fällen zu vermeiden und die Rückzahlungen zu reduzieren;
– die Maßnahme, „genaue Kriterien für den Zugang zu einer universellen Gesundheitsversorgung („couverture universelle des soins de santé“, CUSS) auszuarbeiten“ und „schrittweise mobile psycho-medizinisch-soziale Teams einzurichten, um Menschen in sehr prekären Situationen zu erreichen“.
Eigentlich waren all diese Maßnahmen bereits überfällig. Viele Menschen, die dringend Sozialhilfe benötigen, nutzen diese nämlich weitestgehend nicht. Gründe sind komplexe, ja demütigende bürokratische Verfahren, die von Sozialamt zu Sozialamt unterschiedlich sind und zu langen Wartezeiten führen, oder die Angst, beim REVIS-Bezug die erhaltene Hilfe zurückzahlen oder andere Familienmitglieder in Anspruch nehmen zu müssen. Auch haben Obdachlose in der Regel keine Krankenversicherung. So können nicht behandelte, leichte Infektionen zu schweren Erkrankungen führen. Angesichts der multifaktoriellen Probleme dieser Menschen, zu denen auch Fragen der psychischen Gesundheit gehören, ist das bisherige Fehlen einer umfassenden medizinischen Versorgung und einer mittel- bis langfristigen Betreuung geradezu empörend, und die endgültige Einführung der CUSS unverzichtbar.
Was misstrauisch macht
Die Entwicklung einer bedingungslosen, schnellen und umfassenden Hilfe für die „betroffenen Menschen“, an die sich der Aktionsplan richtet, ist von entscheidender Bedeutung, da deren Lebenssituation oft äußerst verworren und hoffnungslos ist. Ihre Grundbedürfnisse müssen durch die Bereitstellung von Nahrung, grundlegender Hygiene, Kleidung und Unterkunft ohne administrative oder andere Hindernisse gedeckt werden. Es ist deshalb erstaunlich, dass der Begriff der Niederschwelligkeit, der genau diese bedingungslose Hilfe kennzeichnet, nirgendwo im Plan zu finden ist, obwohl er heute zu den Grundprinzipien der Sozialhilfe gehört.
Der Autor
Guy Foetz ist ausgebildeter Ökonom. Er unterrichtete dieses Fach 35 Jahre lang im Sekundar- und technischen Sekundarschulwesen. Politisch und gewerkschaftlich engagierte er sich bereits ab dem Alter von 20 Jahren auf der linken Seite. Er ist Gründungsmitglied der Partei „déi Lénk“. Foetz ist ebenfalls Präsident von „Solidaritéit mat den Heescherten“.
Dies ist merkwürdig und macht misstrauisch, vor allem da zu den Voraussetzungen für den Erhalt von Hilfe in Luxemburg eine offizielle Adresse gehört. Der Plan geht zwar auf die Problematik der Referenzadresse ein und verspricht, „die Bestimmungen zu präzisieren, um eine harmonische und kohärente Anwendung des Gesetzes durch die Gemeinden und Verbände zu gewährleisten und damit eine gleichberechtigte Behandlung der Antragsteller einer Referenzadresse zu garantieren“. Diese sibyllinische Ankündigung vermeidet es jedoch, das Fehlen einer offiziellen Adresse zu thematisieren, wo dies doch ein wesentliches Mittel darstellt, um jene, die keine Aufenthaltsgenehmigung besitzen und verachtend als „Illegale“ bezeichnet werden, von jeglicher Sozialhilfe auszuschließen. Man kann also annehmen, dass der vorliegende nationale Plan zur Bekämpfung der Armut jene außer Acht lässt, die auf der Straße leben, falls sie über keine offizielle Adresse in Luxemburg verfügen. Die Regierung konzentriert sich damit auf die eigenen Staatsangehörigen und sie akzeptiert den Aufenthalt von Nichtstaatsangehörigen nur dann, wenn diese über ausreichende Mittel für sich und ihre Familienangehörigen verfügen. Sie entspricht damit der europäischen Gesetzgebung – hallo, soziales Europa! Gemäß nämlich Artikel 6 Absatz 1 des geänderten Gesetzes vom 29. August 2008 über die Freizügigkeit von Personen und Einwanderung „hat ein Unionsbürger nur dann das Recht, sich länger als drei Monate im Hoheitsgebiet aufzuhalten, wenn er entweder als Arbeitnehmer einer unselbstständigen oder selbstständigen Tätigkeit nachgeht oder für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, um keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen zu müssen, sowie über eine Krankenversicherung verfügt.“ Die gleiche Einschränkung gilt bei einem Studium oder einer Berufsausbildung im europäischen Ausland.
Umso mehr versäumt es deshalb der Plan zur Armutsbekämpfung, eine Aufstockung der für Antragsteller und Begünstigte internationalen Schutzes verfügbaren Mittel in Betracht zu ziehen, um die UNHCR-Kriterien für eine menschenwürdige Aufnahme zu erfüllen.
Mit dem gleichen Ziel des „Schutzes des Sozialhilfesystems“ sieht er auch eine Vielzahl von Maßnahmen vor, um die „Beschäftigungsfähigkeit“ der nationalen Arbeitnehmer zu erhöhen, „durch Ausbildung, Kompetenzsteigerung (…), eine bessere Ermittlung des Arbeitskräftebedarfs der Arbeitgeber einerseits und eine bessere Kenntnis der Profile der Arbeitssuchenden und ihrer Kompetenzen andererseits“. Hingegen sucht man vergeblich nach Maßnahmen zur Bekämpfung der „Erwerbsarmut“, d. h. der Verringerung des Anteils der Menschen, die zwar einen Arbeitsplatz haben, aber dennoch von Armut bedroht sind. Es ist anzumerken, dass Luxemburg bei diesem Indikator mit 13,4% im Jahr 2024 den schlechtesten Wert in der EU aufweist (Quelle: Eurostat).
Ein guter Lohn ist sicher das beste Mittel zur Bekämpfung von Armut und unzureichenden Renten
Für die Anpassung des sozialen Mindestlohns wird auf die EU-Mindestrichtlinie verwiesen, wobei der dazu vorliegende Gesetzentwurf derzeit keine Erhöhung vorsieht. Die Anpassung an ein rezentes Urteil des EU-Gerichtshofs bleibt abzuwarten. Ein guter Lohn ist sicher das beste Mittel zur Bekämpfung von Armut und unzureichenden Renten und es gilt, neben akuten individuellen Hilfsmaßnahmen, die aus Steuergeldern finanziert werden, auch eine echte Sozialpolitik voranzutreiben. Mit einer Mindestlohnerhöhung würden allerdings die Betriebe in die Pflicht genommen, was CSV und DP unbedingt vermeiden wollen.
Der schwerwiegendste Mangel im nationalen Plan zur Armutsbekämpfung ist zudem das Fehlen von Maßnahmen für bezahlbare und „Housing First“-Wohnungen, wo diese doch wesentliche Elemente im Kampf gegen Armut und Ausgrenzung sind. Die Einführung verbindlicher Quoten für bezahlbaren Wohnraum für alle Gemeinden, die Aktivierung leerstehender Wohnungen durch Besteuerung oder Beschlagnahmung und die erhebliche Erhöhung der Grundsteuer, um den Verkauf von Grundstücken zu fördern, die zu Spekulationszwecken zurückgehalten werden, sind Maßnahmen, die unbedingt in diesem Plan hätten enthalten sein müssen. Immerhin wird ein Mietpreisdeckel-Gesetzentwurf für 2027 (!) angekündigt. Bis dahin fließt jedoch noch viel Wasser die Alzette hinunter – und Geld in die Taschen der Miethaie!
De Maart
Es gibt also viele soziale Probleme zu lösen, also sollte die Regierung sich mal ans Werk machen; und zumindest mal die Thematik "housing first" lösen ...allerdings darf das nicht ausarten, dass aus der ganzen EU die Erwerblosen nach Luxemburg strömen werden...denn dann bricht auch unser Sozialnetz zusammen!