22. Dezember 2025 - 18.01 Uhr
TattoosBei Nationalspielerin Amy Thompson geht Fußball unter die Haut
Die Schmerzen sind (noch) nicht vergessen. Das Endergebnis ist es Amy Thompson jedes Mal wert gewesen. Es sind diese und ähnliche Klischees, wie man sie aus der Tätowierer-Branche kennt: So bleibt es selten bei einem einzigen Kunstwerk – und auch die zwischenzeitlichen Beschwerden auf dem Tisch halten nicht davon ab, frühzeitig wieder neue Pläne zu schmieden. „Mein Tätowierer hört das bestimmt nicht gerne, doch meist pausiere ich überhaupt nicht nach unseren Terminen“, sagt die Nationalspielerin gleich zu Beginn des Gesprächs.
Auch die Kosten spielen im Hinblick auf die (lebenslange) Zufriedenheit keine Rolle: „Wenn man gute Qualität haben will, muss man den entsprechenden Preis zahlen. In Luxemburg liegt der Tarif zwischen 100 und 150 Euro pro Stunde. Ich würde schätzen, dass ich für mein Bein zwischen 2.500 Euro und 3.000 gezahlt habe. Es ist eine Investition fürs Leben – und im Endeffekt deshalb auch nicht übertrieben teuer.“

Obschon mittlerweile über zehn Jahre seit dem ersten Termin beim Tätowierer vergangen sind, hat sich ihre Mutter noch immer nicht mit der Körperkunst abgefunden: „Ich war schon als Kind von Tattoos begeistert. Meine Mutter war streng dagegen. Mit 20 Jahren habe ich mich dann ein erstes Mal stechen lassen.“ Alles beginnt mit kleineren Motiven, die man problemlos unter der Kleidung verstecken kann. Erst als Thompson ihre erste eigene Wohnung bezieht, dehnt sich das Ganze aus: „Der linke Arm, die Brust und danach das Bein.“
Inzwischen ist ihre Mutter zwar auf einem Familien-Feinlinientattoo auf Thompsons Unterarm verewigt, von Begeisterung ist aber nach wie vor keine Rede: „Ich spüre an ihren Blicken, dass sie noch immer kein Fan ist. Aber dann sehe ich weg“, scherzt die Fußballerin gelassen.

Das allererste Motiv, das an ihre Karriere erinnern soll, lässt sie sich vor zwei Jahren stechen. Es handelt sich um einen von der Zeit strapazierten Fußball, der neben ihrem Lieblingsschuh liegt. „Wenn ich mich richtig erinnere, war mein erstes Paar damals von Adidas. Danach spielte ich fast nur noch mit Nike-Schuhen, meist einem Mercurial-Modell.“ Auch der lädierte Ball hat eine besondere Symbolik: „Er soll meine Jugend widerspiegeln, als wir mit kaputten Bällen auf dem Schulhof gekickt haben. Ich verbrachte dort ganze Tage mit den Jungs.“
Verewigt sind auf dem Oberschenkel aber auch ein paar der ehemaligen Vereine: die Biene des Progrès Niederkorn – wegen des des Titelgewinns 2011. Bei Mamer brennt die Flamme, was den Team-Schrei vor Anpfiff repräsentiert. Der Löwe weiter links erinnert an ihre Zeiten bei Saarbrücken, zudem ist das Logo der Stony-Brook-Universität abgebildet. „Es ist das einzige Vereinslogo. Bei allen anderen Klubs wollte ich immer versuchen, ein spezielles Element hervorzuheben.“
Weshalb das Trikot mit der Nummer 9 sie an ihre acht Jahre in der Hauptstadt erinnert: Bei Rapid Mansfeldia, ihrem ersten Verein, erlebte sie zwischen 2000 und 2008 mehrere Umbenennungen mit. „Mein letztes offizielles Spiel war das Pokalfinale mit den Scolaires, das wir 5:4 gewonnen haben. Es war die erste offizielle Trophäe für RM Hamm Benfica.“

Ihre Anfänge, der Traum von einer großen Karriere: All dies sollte mit einer bestimmten Kindheitserinnerung dargestellt werden. Die Suche in den Fotoalben gestaltet sich allerdings als erfolglos, weshalb Amy Thompson sich gemeinsam mit ihrem Tätowierer nach Alternativen umsieht. Schließlich fällt die Wahl auf Bildmaterial aus dem Internet. „Bloß meine Frisur von früher wurde extra angepasst“, lacht sie. Wie der Zufall es so will, gibt es einen weiteren Luxemburger Fußballspieler aus der BGL Ligue, der exakt das gleiche Motiv (mit Ausnahme der Haare) auf dem Unterarm verewigt hat: Farid Ikene vom RFCU Lëtzebuerg hat sich für den identischen Nachwuchskicker, mit dem linken Fuß auf dem Ball, entschieden.

Ein wenig Haut und freier Platz ist bei der Treffer-Auflistung noch vorhanden … Die Länderspieltore werden nicht speziell nach jedem Spiel aktualisiert, sondern bei größeren Projekten kurzerhand mitgemalt. „Wenn ich einen Termin habe, fügen wir dann einfach die Striche hinzu. Manchmal muss ich rechnen.“

Das Polaroid-Foto auf dem Schienbein ist gerade einmal ein paar Monate alt. Es handelt sich um eines ihrer absoluten Lieblingsbilder. „Es stammt von unserem Nations-League-Spiel gegen Armenien in Beggen. Charlotte (Schmit) und Caroline (Jorge) sind beide noch mit drauf. Zu diesem Moment der Kampagne war der Aufstieg noch nicht fix. Aber die Atmosphäre an diesem Tag war einfach besonders. Es waren viele Zuschauer im Stadion, die Pose nach dem Tor war auch gut“, meint sie mit einem großen Lachen. „Obschon wir den Aufstieg erst danach gegen Kasachstan gesichert haben, behalte ich dieses Spiel von der Qualifikation zurück. Die Stimmung war außergewöhnlich.“
Direkt darunter befindet sich das neueste Kunstwerk: die Medaille von sportspress.lu. Am 4. Dezember steht Thompson mit den Kolleginnen der FLF-Auswahl auf der Bühne des Casino 2000 in Mondorf, wird für das erfolgreiche Jahr mit der Nationalmannschaft geehrt. „Es war Zufall, dass ich am Morgen danach einen Termin beim Tätowierer hatte. Ich konnte ja nicht wissen, dass wir gewinnen würden.“ Über Nacht fasst sie den Entschluss. Fast wäre an diesem Freitagmorgen ein fataler Fehler unterlaufen. „Ich habe die Vorlage fotografiert. Irgendetwas war komisch. Zum Glück fiel uns dann auf, dass ein E fehlte. Ich bin da überaus vorsichtig, denn ich kenne ein paar Leute, die mit Tippfehlern herumlaufen.“

Zu den wichtigsten internationalen Momenten gehört neben dem Aufstieg in die Liga B auch der Traum von einer Europameisterschaft. Die beiden Boarding-Pässe werden auf ewig an die Play-offs gegen Schweden erinnern: Uhrzeit der Flüge in Richtung Göteborg, selbst der Sitzplatz – alle Daten stimmen (mit Ausnahme des Datums, wobei es sich um den reellen Spieltag handelt).
Direkt darunter befindet sich die Filmklappe. „The last dance“ wird das letzte Projekt der FLF-Karriere (als Spielerin) werden. „Dort werden die Daten von meinem allerletzten Länderspiel eingefügt werden. Gegner, Datum und die Jahre im Trikot der FLF-Auswahl.“ Noch ist es aber nicht so weit. Spätestens im März wollen die „Roten Löwinnen“ den Klassenerhalt in der Liga B erreichen. Bis dahin sind die Narben sicher verheilt und alle Schmerzen vergessen.
De Maart

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