22. Dezember 2025 - 7.45 Uhr
Kosten im SteigflugLuxemburgs Militärausgaben knacken 2026 zum ersten Mal die Milliarde
Knapp 1,3 Milliarden Euro wird der Staat im kommenden Jahr für Verteidigung ausgeben. So steht es im Budget 2026 von Finanzminister Gilles Roth (CSV). Luxemburg knackt damit erstmals in seiner Geschichte die Marke von einer Milliarde Euro für Militärausgaben – und ist damit nicht allein. Historische Rekorde fallen überall in Europa. Die Verpflichtung zu den neuen NATO-Zielen stellt für viele europäische Länder die bedeutendste Militärverstärkung seit dem Zweiten Weltkrieg dar.
Bündnis-Solidarität
Nach aktuellen NATO-Schätzungen, die der CNFP zitiert, hatten neben Luxemburg noch sieben weitere Länder das Zwei-Prozent-Ziel im Jahr 2024 noch nicht erreicht: Kroatien, Portugal, Italien, Belgien, Slowenien, Spanien und Kanada.
Fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) bis 2035, dreinhalb für Militär, anderthalb Prozent für Infrastruktur. Was das für Luxemburg bedeutet, hat der CNFP („Conseil national des finances publiques“) im Oktober vorgerechnet: Die Verteidigungsausgaben würden sich vervierfachen auf etwa 4,6 Milliarden Euro im Jahr 2035, die fünf Prozent des – wohlgemerkt – Bruttonationaleinkommens (BNE) entsprechen. Luxemburgs Ausnahmeregelung wird in den kommenden Jahren immer gewichtiger werden, schließlich beutet BNE statt BIP schon heute mehr als ein Drittel kleinere Ausgaben. Eine Differenz, die nur größer werden wird, denn laut CNFP ist das BIP in den vergangenen zehn Jahren schneller gewachsen als das BNE.
Die Handelskammer und mehrere Oppositionsparteien hatten in den vergangenen Wochen kritisiert, dass die vom Finanzminister im Haushaltsentwurf vorgestellte mehrjährige Finanzprognose die stufenweise Erhöhung der Verteidigungsausgaben außer Acht lasse. Roth verteidigte seine Planung vergangene Woche in der Chamber. „Das Budget entspricht der aktuellen Beschlusslage der Regierung“, so der Minister. Das ist aktuell noch das Zwei-Prozent-Ziel. Um das neue NATO-Ziel zu erreichen, schätzt der CNFP schätzt die zusätzlichen Ausgaben für den Zeitraum von 2025 bis 2035 auf insgesamt 13,4 Milliarden Euro.
Wohin die Gelder für Verteidigung fließen
Noch ist das Zukunftsmusik. Aber auch 2025 wird Luxemburg laut einer aktuellen Statec-Untersuchung bereits 750 Millionen Euro für militärische Zwecke ausgegeben haben. Pro Kopf gerechnet landet das Großherzogtum damit auf Rang vier aller NATO-Länder, hinter Norwegen, den USA und Dänemark.

Doch was heißt das genau? Der CNFP zitiert eine Präsentation der Verteidigungsdirektion, die erläutert, dass „Verteidigungsausgaben laut NATO Zahlungen sind, die von einer nationalen Regierung ausdrücklich zum Zweck der Deckung des Bedarfs der Streitkräfte des Landes oder der Bündnisstaaten geleistet werden.“ Das bedeutet, dass auch Ausgaben anderer Ministerien als Teil der Verteidigungsausgaben Luxemburgs betrachtet werden, dazu zählt beispielsweise die Verwaltung für öffentliche Gebäude und ihre Renovierungsprojekte der Armeekaserne auf dem Herrenberg, des Munitionsdepots auf „Waldhaff“ und des Schießstands „Bleesdall“. Des Weiteren werden auch knapp anderthalb Prozent der Ausgaben der Polizei von den Verteidigungsausgaben gedeckt, sowie ein gewisser Anteil für das Bedienen der Zinsen auf Staatskredite benutzt.
Statec hat jüngst mithilfe europäischer Daten aufgeschlüsselt, wie Luxemburg derzeit sein Verteidigungsbudget aufteilt: Im Jahr 2024 gingen etwa 40 Prozent des gesamten Budgets in Kapitaltransfers, das betrifft vor allem Militärhilfe für die Ukraine und multinationale NATO-Projekte. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern mit einer größeren Armee wie Frankreich oder Deutschland hat Luxemburg nur etwas weniger als ein Viertel des Budgets in Löhne und Gehälter des Militärpersonals gesteckt – das liegt weit unter dem Eurozonendurchschnitt von 43,5 Prozent.
Wie es um die Verteidigungswirtschaft steht
Ein zentraler Punkt in jeder politischen Rede zu den steigenden Verteidigungsausgaben ist in diesem Jahr die wirtschaftliche Rendite gewesen. Sprich: Wenn wir schon so viel Geld in das Militär stecken, dann muss auch die luxemburgische Wirtschaft davon profitieren. Etwas, das hierzulande in der Vergangenheit nicht gelungen sei, wie Statec schreibt, vor allem „auf Grund der Abwesenheit einer spezifischen Verteidigungsindustrie“. Ein weiterer Faktor: die offene Wirtschaft. Länder wie Luxemburg importieren einen größeren Anteil an Waren, Dienstleistungen und Arbeitskräften, was die Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft begrenzt. Bislang war der große globale Gewinner der Aufrüstung die USA. Aufgrund ihrer führenden militärischen Position profitieren sie erheblich von steigenden Militärausgaben, was sich in hohen Ausfuhren von Ausrüstung wie Waffen, Munition und Fahrzeugen niederschlägt, die wiederum die Binnenbeschäftigung ankurbeln, wie Statec schreibt.
Doch das könnte sich nun ändern. Eine aktuelle Studie der deutschen Deka-Bank und der Beraterfirma EY-Parthenon zur europäischen Verteidigungsindustrie beziffert deren wirtschaftliche Effekte. „Die europäischen Verteidigungsinvestitionen schaffen signifikante ökonomische Effekte in Europa – 149 Milliarden an jährlicher Wertschöpfung“, heißt es in der Studie. NATO-Investitionen schafften jährlich bis zu 1,9 Millionen Jobs in Europa, der Orderbestand europäischer Rüstungsunternehmen habe sich in den vergangenen sechs Jahren beinahe verdoppelt. Zwar bleibt noch immer eine gewisse Abhängigkeit von den USA bestehen, NATO-Europa werde aber einen Großteil seiner eigenen Nachfrage befriedigen können, so die Macher der Studie, vor allem getragen von Unternehmen aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Als kleinere und spezialisiertere Wirtschaft stecken aber auch für Luxemburg positive Signale in der Studie: Von allen Wirtschaftssektoren in Europa sollen Technologie und IT am stärksten von den gestiegenen Verteidigungsausgaben profitieren, zum Beispiel im Bereich der Cybersicherheit – eine der Spezialitäten der hiesigen Verteidigungsindustrie.
Diese stecke zwar noch in den „Kinderschuhen“, wie Yves Elsen, Vorsitzender des Verwaltungsrats des Unternehmens Hitec kürzlich im Tageblatt-Gespräch sagte, doch die Zeichen stehen auch hier auf Veränderung. Der Sektor selbst hat in diesem Sommer mit „LuxDefence“ einen Unternehmensverband gegründet. Und während die Verteidigungsdirektion früher durch den Kauf von Militärflugzeugen wie dem Airbus A400M wenig Wertschöpfung im eigenen Land schuf, sollen die heimischen Investitionen in Zukunft deutlich steigen.
Mehr Investitionen statt Transfers – auch in die Armee
Im Allgemeinen lag der Anteil an Investitionen in den Verteidigungsausgaben laut Statec 2023 noch bei etwa 7,5 Prozent. Bis 2029 soll dieser Anteil mehr als ein Viertel der gesamten Ausgaben betragen. „Diese neuen Investitionen könnten in naher Zukunft durchaus zu einer Erhöhung der Verteidigungsmultiplikatoren Luxemburgs führen und stellen eine bedeutende Veränderung in der Verteidigungspolitik Luxemburgs“, schreibt Statec. Man setzt dabei vor allem auf bereits vorhandene Stärken wie dem Ausbau der Satelliten- und Überwachungsfähigkeiten durch GovSat-2 oder auf Cybersecurity-Dienstleistungen für die NATO.
Ein wichtiges Ziel für Investitionen wird in den kommenden Jahren auch die luxemburgische Armee sein. Deren Personal soll massiv aufgestockt werden, 630 neue Soldaten bis 2030. Tatsächlich besitzt Luxemburg aktuell die kleinste NATO-Armee in absoluten Zahlen. Aber selbst für seine Landesgröße ist Luxemburgs Armee vergleichsweise klein: 1,3 Soldaten pro 1.000 Einwohner. Der geringste Wert in der gesamten NATO und deutlich unter dem Durchschnitt von 3,5 Soldaten pro 1.000 Einwohner.
Auch in diesem Bereich macht Europa den USA mittlerweile nicht nur Konkurrenz. In den vergangenen Jahren haben vor allem jene Länder, die in unmittelbarer Nähe zu Russland liegen, ihre Streitkräfte deutlich vergrößert. So sehr, dass es nun mehrere europäische Länder gibt, die die USA an Soldaten pro Einwohner übertreffen. Dazu gehören Polen, Norwegen, Bulgarien und die drei baltischen Staaten.
De Maart

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