Dienstag16. Dezember 2025

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Die weibliche Seite der RevolutionKünstler Nelson Neves und die kapverdische Unabhängigkeit

Die weibliche Seite der Revolution / Künstler Nelson Neves und die kapverdische Unabhängigkeit
Der Künstler Nelson Neves (links) und der Gastgeber der Ausstellung, Fabio Caiano   Foto: Luis Caiano

Die Kapverden sind für ihn der wichtigste Bezugspunkt in seinem Schaffen. Schon häufig hat sich Nelson Neves, ein Luxemburger Künstler mit kapverdischen Wurzeln, mit dem Unabhängigkeitshelden Amílcar Cabral befasst. Nicht zuletzt würdigt er in seinem Werk die bedeutende Rolle kapverdischer Frauen.

Nelson Neves setzt sich seit dem Beginn seiner künstlerischen Arbeit mit dem Land auseinander, wo er 1973 geboren wurde und einen Teil seiner Kindheit verbrachte. Betrachtet man seine Gemälde, die zurzeit in den Räumen der Immobilienagentur Horus auf Howald ausgestellt sind, fällt immer wieder das Motiv arbeitender Frauen im kapverdischen Alltag auf. „Sie leisten unglaublich viel für ihre Familien, aber auch für die kapverdische Gesellschaft“, sagt Nelson, während er die Gäste der Vernissage zusammen mit Fabio Caiano von der gastgebenden Immobilienagentur Horus durch die Schau führt.*

Die Blüte des Lebens und der Tod – das Werk von Nelson Neves verbindet vermeintliche Widersprüche
Die Blüte des Lebens und der Tod – das Werk von Nelson Neves verbindet vermeintliche Widersprüche  Foto: Stefan Kunzmann

„Wir wollten mehr als eine gewöhnliche Immobilienagentur sein“, erklärt Fabio Caiano, der einer der Initiatoren ist. Im Erdgeschoss wie auch im Untergeschoss sind die Bilder ausgestellt. Im zweitgenannten Bereich sollen etwa auch Podcasts hergestellt werden. Außer Immobilien sollen die Räume Platz für Kreativität bieten, Platz für Ausdruck, nicht zuletzt für künstlerischen wie den von Nelson.

Einige von dessen Werken wie etwa „Terre Rouge“ – schließlich lebt der Künstler schon seit vielen Jahren im Süden Luxemburgs und ist mit ihm eng verbunden – zeigen, wie Nelson zwischen den beiden Polen eines künstlerischen Spannungsfeldes oszilliert. Schon mehrfach wurde er als „Brückenbauer“ zwischen den Kulturen bezeichnet. Eines seiner Gemälde, das in der Ausstellung zu sehen ist, heißt bezeichnenderweise „Pont Culturel“, ebenso ein Projekt, das er 2023 im Rahmen des internationalen Festivals „Sete Sóis Sete Luas“ unter anderem in Ribeira Grande umsetzte, seinem Heimatort auf der nördlichsten Insel des Archipels, auf Santo Antão, und das auch aus einem Workshop für einheimische Schüler bestand.

Am Eingang weist eines seiner jüngeren Werke aus der Serie „Hommage aux femmes capverdiennes“ (2025) auf die Thematik der weiblichen Rolle in der kapverdischen Gesellschaft hin, ebenso die Kollektion an offiziellen Briefmarken, die Nelson anlässlich der Feier zu 50 Jahren Unabhängigkeit der Kapverden am 5. Juli dieses Jahres herausgebracht hat. Unter anderem ist darauf der Befreiungsheld Amílcar Cabral zu sehen. Aber nicht nur: auch kapverdische Frauen in ihrem Alltag ebenso wie eine bekannte Mitstreiterin Cabrals, Titina Sila. Der Erlös dieser Briefmarken, die in limitierter Edition zu haben ist, soll ein künstlerisch-soziales Projekt fördern, erklärt Nelson.

Eine Ikone der Unabhängigkeit

Neben Ana Maria Cabral, die ein Jahr lang mit dem 1973 ermordeten Revolutionsführer verheiratet war, der im Jahr 1956 die Unabhängigkeitspartei PAICV gründete, und später Diplomatin und Regierungsbeamtin wurde, gehört sie zu den weiblichen Ikonen des Befreiungskampfes. Dass auch Frauen für die Unabhängigkeit gekämpft haben, weiß Nelson. Im Laufe des Unabhängigkeitskampfes schlossen sich immer mehr Frauen der Partei an.

Sie trugen Waffen, versorgten Verwundete, schmuggelten Nachrichten an den Kolonialbehörden vorbei, leiteten eine neu gegründete Schule und verbreiteten die Botschaft der Partei über das Radio. Doch blieben sie weitgehend unbekannt – bis auf wenige Ausnahmen. Auf einem berühmten Foto ist eine Frau in Kampfuniform zu sehen, lächelnd und mit einer Mütze auf dem Kopf, ein Baby auf der rechten Hüfte und einen Revolver mit Holzgriff auf der linken Seite.

„Titina“ Silá: Foto der legendären Unabhängigkeitskämpferin Titina im Museu Militar da Luta de Libertação Nacional in Bissau
„Titina“ Silá: Foto der legendären Unabhängigkeitskämpferin Titina im Museu Militar da Luta de Libertação Nacional in Bissau Foto: Joe Hawkins

Ungeachtet ihrer Bedeutung für die Gesellschaft und Wirtschaft in vielen afrikanischen Ländern, sind Frauen dort nach wie vor massiv benachteiligt, werden diskriminiert, u.a. durch den erschwerten Zugang zu Eigentum, Land und Rechten. Und sind erhöhten Risiken ausgesetzt. Nicht zuletzt sind sie häufig Opfer psychischer, physischer und sexualisierter Gewalt.

Etwa Amelia Araujo, die den Radiohörern auch unter ihrem Künstlernamen Maria Turro bekannt war und die in der Sowjetunion eine Radioausbildung erhalten hatte, oder Isaura Tavares Gomes, Apothekerin und Frauenrechtsaktivistin, die 2004 als erste Frau zur Bürgermeisterin von São Vicente auf den Kapverden gewählt wurde. Einst war sie auf die Straße gegangen, um Flugblätter für die Revolution zu verteilen, die sie und eine Freundin getippt hatten. Und schließlich Ernestina „Titina“ Silá, die junge Frau, die das Baby im Arm hielt und den Revolver packte.

Mit 18 Jahren war sie bereits eine begabte Anführerin und Organisatorin im Unabhängigkeitskrieg von Guinea-Bissau. Anfang der 1960er Jahre absolvierte sie ein politisches Praktikum in der Sowjetunion und kehrte dann in den Kampf zurück. Die 29-Jährige war im Januar 1973 auf dem Weg zur Beerdigung von Amilcar Cabral in Conakry, der Hauptstadt von Guinea-Bissau, als sie und eine Gruppe anderer Guerillakämpfer auf portugiesische Truppen stießen. Bei dem Zusammenstoß kam sie ums Leben. Dieser Tag, der 30. Januar, wird in Guinea-Bissau als Nationaler Frauentag gefeiert. Nelson Neves hat auch sie, „Titina“ Silá, verewigt.

*Bis 19. April in den Räumen der Immobilienagentur Horus, 16, rue Grand-Duc Jean, Howald