12. Dezember 2025 - 6.55 Uhr
Erfolgreiches RentensystemWie Australien zum Labor globaler Rentenpolitik wurde
In manchen Ländern Europas wird die Rente reformiert, und auch in Washington wächst der Wille zur Erneuerung: Die Trump‑Regierung orientiert sich am australischen Modell, um zu prüfen, wie sich das US‑Altersvorsorgesystem modernisieren ließe. „Wir schauen uns das sehr ernsthaft an“, sagte US‑Präsident Donald Trump laut Medienberichten erst in der vergangenen Woche. „Es ist ein guter Plan. Er hat sehr gut funktioniert.“ Damit folgt er BlackRock‑Chef Larry Fink, der das Modell ebenfalls schon für die USA angepriesen hat. Gemeint ist Australiens kapitalgedecktes Superannuation‑System – ein Ansatz, der bei manchen Staaten als mögliche Ergänzung zur umlagefinanzierten Rente diskutiert wird.
In Australien sind Arbeitgeber verpflichtet, einen festen Prozentsatz des Gehalts ihrer Angestellten in sogenannte Superannuation Funds einzuzahlen – aktuell rund zwölf Prozent. Die Beiträge fließen auf individuelle, bis zur Rente gesperrte Konten, die am Kapitalmarkt investiert werden. Seit Einführung des Systems 1992 wurde die Quote schrittweise von drei auf zwölf Prozent erhöht. Arbeitnehmer können freiwillig zusätzlich sparen; ein Ausstieg ist nicht vorgesehen.
Die demografische Zeitbombe
Durch diese Verpflichtung hat sich ein gewaltiger Kapitalstock gebildet. Laut JPMorgan Chase verfügen die Super Funds inzwischen über rund 4,3 Billionen australische Dollar (etwa 2,4 Billionen Euro) – das viertgrößte Altersvorsorgevermögen weltweit. Und das in einem Land, das in der globalen Bevölkerungsstatistik nur Rang 55 einnimmt. Während die USA prüfen, ob sich Elemente dieses Modells übertragen lassen, werfen auch andere Staaten einen Blick auf Chancen und Fallstricke des australischen Wegs.
Europäische Länder wie Luxemburg finanzieren die Renten ihrer Ruheständler unmittelbar aus den Beiträgen der Erwerbstätigen – ein Modell, das jahrzehntelang verlässlich funktionierte, nun aber unter massivem Druck steht.
Die fortschreitende Alterung der Gesellschaft macht das Umlageverfahren zunehmend anfällig. Solange die Babyboomer arbeiteten, war das Modell tragfähig, doch nun trete eine große Rentnergeneration in den Ruhestand. In Australien fällt die Belastung geringer aus, weil Vorsorge und Risiko stärker individualisiert sind – zudem profitiert das Land von günstigerer Demografie durch anhaltende Einwanderung.
Kapitaldeckung: Stabilität mit Schattenseiten
Über drei Jahrzehnte hinweg sind Australiens Vorsorgevermögen dank stabiler Wirtschaft und steuerlicher Privilegien stark angewachsen. „Altersvorsorgegelder werden von qualifizierten Fachleuten so angelegt, dass sie Renditen erzielen, die Privatanleger außerhalb des Systems kaum erreichen können“, erklärt die Finanzexpertin Susan Thorp von der University of Sydney. Viele große Fonds bieten ihren Mitgliedern Anlageformen, die gewöhnlichen Investoren verschlossen bleiben – etwa Beteiligungen an Infrastrukturprojekten oder Rohstoffen.
Doch die schiere Größe des Systems birgt neue Herausforderungen. „Das System ist voll mit so viel Geld, dass Super Funds gar nicht wissen, was sie alles kaufen sollen. Das treibt Preise und Inflation nach oben“, so der Demograf Simon Küstenmacher, der in Melbourne lebt. Die hohe Marktkonzentration bei wenigen Großfonds und der jüngste Verlust von über einer Milliarde Dollar bei riskanten Anlagen zeigen weitere Schwachstellen.
Politikrisiko versus Marktrisiko
Für Sparerinnen und Sparer bedeutet Kapitaldeckung unmittelbare Abhängigkeit von Finanzmärkten. Nach Krisen mussten viele Australier länger arbeiten oder ihren Ruhestand verschieben. Wohlhabendere Gruppen profitieren von stabilen Beschäftigungsverläufen und höheren Beiträgen, während Menschen mit niedrigerem Einkommen stärker unter Schwankungen leiden.
Während in Australien Börsenzyklen und Inflation direkt auf die individuellen Konten wirken, droht in europäischen Staaten ein anderes Risiko: das politische. Schon der deutsche Ökonom Axel Börsch-Supan verwies darauf, dass das Umlageverfahren einerseits sehr stabil gegenüber Wirtschaftskrisen oder Inflation sei, andererseits aber politische Risiken berge, „die meist unterschätzt werden“. Wenn Einnahmen sinken und Ausgaben steigen, bleibt der Regierung nur, Steuern oder Beiträge zu erhöhen, Leistungen zu kürzen oder das Rentenalter zu verschieben – alles unpopuläre Maßnahmen, die populistischen Versprechungen Auftrieb geben.
Während Trump das australische Modell als Vorbild lobt, zeigt der Blick nach Canberra: Stärkere Eigenverantwortung kann langfristig Stabilität schaffen – sie verlagert das Risiko jedoch auf das Individuum. Wer auch nach Jahrzehnten des Sparens auf Unterstützung angewiesen ist, erhält in Australien eine staatliche Grundpension (Age Pension) von derzeit etwa 589 Dollar pro Woche (336 Euro) für Alleinstehende, doch dies kann nur die wichtigsten Grundbedürfnisse abdecken.
De Maart
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