Montag1. Dezember 2025

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Bommeleeër-ProzessVom heißen Eisen zum Cold Case: Eine Bilanz der zweiten Woche im Verfahren wegen Falschaussagen

Bommeleeër-Prozess / Vom heißen Eisen zum Cold Case: Eine Bilanz der zweiten Woche im Verfahren wegen Falschaussagen
Gebrandmarkt: Marc Scheer, hier mit seinem Anwalt Me Thierry Hirsch Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Die Staatsanwaltschaft fordert Gefängnisstrafen für fünf der sechs Angeklagten im sogenannten Bommeleeër-Bis-Prozess, während die Nebenkläger teils emotionale Plädoyers halten. Doch viel Licht ist mit dem aktuellen Verfahren nicht ins Dunkel der Affäre gekommen. Die Erwartungen wurden enttäuscht.

Me Thierry Hirsch bringt die Enttäuschung über den Prozess wegen Falschaussagen von mehreren Zeugen im Bommeleeër-Prozess auf den Punkt: „Da steh‘ ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor!“, zitiert der Anwalt von Marc Scheer – neben Jos Wilmes einer der beiden Angeklagten in dem im Juli 2014 auf Eis gelegten Prozess – Goethes „Faust I“. In der Tat: Wer erwartet hatte, in dem Verfahren wegen Falschaussagen unter Eid in dem legendären Bommeleeër-Prozess neue Erkenntnisse in der Affäre zu gewinnen, sieht sich enttäuscht. Gewiss ist nur, was der einstige Staatsanwalt Robert Biever einmal gesagt hat: „Et war net keen.“ Das ist ein mehr als dünnes Ergebnis.

Den Schadensersatz von jeweils einer halben Million Euro, die Hirsch und Maximilien Lehnen, der Anwalt von Wilmes, für ihre beiden Mandanten fordern, erscheint mehr als gerecht, wenn man ihrer Argumentation folgt: Scheer und Wilmes seien die eigentlichen Opfer der Affäre. Die Falschaussagen der Angeklagten hätten ihr Leid nur um elfeinhalb Jahre verlängert. Sie würden in der Öffentlichkeit gebrandmarkt. Vor 18 Jahren waren sie verhaftet worden, vor fast 13 Jahren vor Gericht gestellt und vor gut elf Jahren mit der Aussetzung des Prozesses, der 177 Verhandlungstage andauerte, in die Ungewissheit geschickt worden – und mit dem Stigma, als „Bommeleeër“ verdächtigt zu werden.

„Qualvolle Warterei“

Stigmatisiert: Jos Wilmes
Stigmatisiert: Jos Wilmes Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Lehnen spricht von einer „qualvollen Warterei“. Ohne die Falschaussagen der Angeklagten wäre der Hauptprozess längst zu einem Ende gekommen. Neben dem schwer zu bemessenden materiellen Schaden, den Scheer und Wilmes erlitten haben, sei der immaterielle ungleich höher. Die beiden seien der Stigmatisierung ausgesetzt. Die Hoffnung von Lehnen und Hirsch – und damit auch ihrer Mandanten – habe darin bestanden, dass der aktuelle Prozess etwas zu Aufklärung der Affäre beitrage. Doch dies ist bis heute nicht der Fall gewesen und auch nicht mehr zu erwarten.

Nun ist es an der Verteidigung der Angeklagten im Falschaussagenprozess, ihre Plädoyers zu führen, nachdem die stellvertretende Staatsanwältin Dominique Peters das Strafmaß gefordert hat. Bei Pierre Reuland, dem wegen Falschaussage angeklagten früheren Leiter der Brigade Mobile der Gendarmerie (BMG) und späteren (bis 2008) Generaldirektor der Polizei, sprach sie vom „höchsten Niveau an Dreistigkeit“. Er habe falsch ausgesagt, die Institutionen zum Narren gehalten und die Ermittlungen in der Bommeleeër-Affäre behindert. Peters fordert daher für Reuland nicht nur fünf Jahre Gefängnis, sondern u.a. den Entzug politischer Rechte und das Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter.

Die Wahrheit sollte verschwiegen werden, so Peters. Der frühere Sûreté-Chef Armand Schockweiler etwa habe als Verantwortlicher für die Ermittlungen häufig gesagt, dass er nicht auf dem Laufenden gewesen sei, habe falsche oder ausweichende Antworten gegeben oder gesagt: „Ich weiß nicht mehr.“ Zudem sei er für das Verschwinden einiger Beweismittel wie etwa einer Zündvorrichtung verantwortlich gewesen. Die stellvertretende Staatsanwältin fordert für ihn drei Jahre Haft. Für den früheren Gendarmerie-Chef Aloyse Harpes, der aufgrund seiner Gebrechlichkeit nur am ersten Tag des Prozesses vor Gericht treten konnte, sieht das Parquet zwei Jahre vor. In der Affäre sei er unumgänglich gewesen, hatten eine Reihe von Zeugen im Bommeleeër-Prozess bestätigt.

Der ehemalige Generalsekretär der Polizei Guy Stebens soll nach Auffassung der Staatsanwaltschaft für 18 Monate ins Gefängnis. Stebens sagte vor Gericht: „Ich habe mir wirklich nichts vorzuwerfen, zumindest nichts Strafbares.“ Ihm stockte die Stimme, er kämpfte mit den Tränen. Als junger Offizier habe er bestimmt nicht alles richtig gemacht, versicherte er. Doch er habe auf keinen Fall gelogen, etwas behindert oder jemanden in Schutz genommen. Auch dem früheren Sûreté-Beamten Guillaume Büchler blühen, so forderte Dominique Peters, 18 Monate Haft. Er hatte wiederholt bestritten, den im Jahr 1985 hauptverdächtigen und zu beschattenden Ben Geiben gesehen zu haben. „Dabei war es klar, dass er ihn gesehen hatte“, sagt Peters. Marcel Weydert hingegen dürfte nach Ansicht der Staatsanwaltschaft freigesprochen werden.

Während Scheer und Wilmes nach Thierry Hirschs Worten in einer juristischen Warteschleife festhängen, sind die Justiz und die gesamte luxemburgische Öffentlichkeit in der Affäre um die etwa 20 Sprengstoffanschläge von 1984 bis 1986 keinen Schritt weitergekommen. Das einstige „heiße Eisen“, eine „Staatsaffäre, die nie aufgeklärt werden sollte“, wie der frühere Richter Prosper Klein, zur Zeit der Attentate Untersuchungsrichter, es einmal nannte, ist längst zum Cold Case geworden. Die Ermittlungsmethoden und die Kriminaltechnik haben sich schließlich ständig weiterentwickelt, neue wissenschaftliche Erkenntnisse kamen hinzu. Oft hat sich gezeigt, dass insbesondere ungeklärte Mordfälle noch nach Jahrzehnten aufgeklärt werden konnten. Die Bommeleeër-Anschläge waren zwar von unterschiedlicher Intensität, aber sie waren Terroranschläge.

KI statt „keen“

Wenn man den fallen gelassenen Pisten weiter folgt, nicht nur jener Insider-Piste, sondern der militärischen und der internationalen, und sie in den Kontext der „Stay Behind“-Ära gegen Ende des Kalten Krieges setzt, zeigt sich jene Dimension, die den früheren Richter Klein zu der Bezeichnung „Staatsaffäre“ führten. Dass allmählich die Zeugen wegsterben, Beweise auf unerklärliche Weise verschwunden sind und das Schweigebollwerk im „Omertà“-Stil noch immer intakt ist, macht weitere Ermittlungen umso dringlicher. Die Affäre darf nicht auf sich ruhen. „Mächtige Kräfte“ seien am Werk gewesen, hatte Klein im Prozess einst gesagt. Der Cold Case ist also noch immer heiß – nicht nur für Historiker.

Dass auch in der Polizeiarbeit immer mehr Künstliche Intelligenz (KI) eingesetzt wird, können internationale Ermittlungsbehörden bestätigen. Zwar ist Vorsicht geboten, siehe das Beispiel Palantir, aber zu ignorieren sind diese Wege nicht, denn die Ermittler können sich erhoffen, dass der Umgang mit besonders großen Datenmengen, um Datenbanken zu durchforsten und deren Daten miteinander zu verknüpfen, erleichtert wird. Die Gefahren sind in dieser Hinsicht viel größer geworden, als sie zur Zeit der Bommeleeër waren. Aber diese agierten in einer Zeit, deren Folgen bis heute nicht bewältigt sind.