1. Dezember 2025 - 7.00 Uhr
Analyse von außenAntidiskriminierungsgesetze unter Beschuss: Amerikas neues Jim-Crow-System
Elf Jahre nach Ende des Bürgerkriegs versprach der republikanische Präsidentschaftskandidat Rutherford B. Hayes, dass er im Falle seiner Wahl die Bundestruppen aus dem besiegten Süden abziehen würde. Dieses Versprechen verhalf ihm zum Wahlsieg im Jahr 1876, und nach seiner Amtsübernahme löste er es ein. Das vorhersehbare Ergebnis war die Schaffung des Jim-Crow-Systems der Rassenapartheid in den gesamten ehemaligen Konföderierten Staaten.
Im Jahr 1883 hob der Oberste Gerichtshof den Civil Rights Act von 1875, der die Rassendiskriminierung in öffentlichen Unterkünften verbot, nahezu einstimmig auf. Das Gesetz sei verfassungswidrig, schrieb Richter Joseph P. Bradley in seiner Mehrheitsmeinung, weil es Afroamerikaner als „besonderen Liebling des Gesetzes“ und nicht als normale Bürger behandelte.
Wie der Yale-Historiker C. Vann Woodward später feststellte, gaben die USA mit diesen Maßnahmen ihr Bekenntnis zur Gleichberechtigung praktisch auf. Im Jahr 1890 „hatten die Gerichte die Verfassung hilflos gemacht“, die „Republikanische Partei hatte die von ihr zuvor unterstützte Sache [der Gleichberechtigung] aufgegeben“ und eine „Flutwelle des Rassismus baute sich im Lande auf, ohne auf Widerstand zu stoßen“.
„Separate but equal“
Doch damit beließ es der Oberste Gerichtshof nicht. In seiner berüchtigten Entscheidung im Fall Plessy v. Ferguson (1896) bestätigte er ein Gesetz des Staates Louisiana, das die Rassentrennung von Bahnreisenden vorsah, und schuf die Doktrin des „Separate but equal“, um die Verfassungsmäßigkeit der Diskriminierung zu bestätigen. In seinem Minderheitsvotum wies Richter John Marshall Harlan, der einzige Abweichler, auf die Scheinheiligkeit des Urteils hin und schrieb: Die „dünne Verkleidung ‚gleicher‘ Unterbringung wird … niemanden in die Irre führen und das heute begangene Unrecht nicht gutmachen“.
Das Gleiche gilt für die Maßnahmen, die die von den Republikanern ernannte Mehrheit des Obersten Gerichtshofs und die Trump-Regierung heute ergreifen. Allerdings begannen die Angriffe auf die Antidiskriminierungsgesetze bereits vor über einem Jahrzehnt. Im Jahr 2013 hob der Oberste Gerichtshof Abschnitt 5 des Voting Rights Act von 1965 auf, der vorsah, dass Gerichtsbezirke, in denen es in der Vergangenheit zu Rassendiskriminierung gekommen war, vorgeschlagene Änderungen an Wahlverfahren zur „vorherigen Abklärung“ vorlegen müssten, bevor sie in Kraft traten. Seit dem Urteil im Fall Shelby County v. Holder haben mehrere Bundesstaaten restriktive Gesetze zur Ausweispflicht bei Wahlen und andere Maßnahmen zur Erschwerung der Wahlteilnahme eingeführt.
In letzter Zeit jedoch hat der Abbau des Minderheitenschutzes neuen Schwung gewonnen. Jüngste mündliche Verhandlungen vor dem Obersten Gerichtshof deuten darauf hin, dass dieser bereit ist, den Voting Rights Act weiter auszuhöhlen, indem er Abschnitt 2 einschränkt oder aufhebt, der einen Wahlkreiszuschnitt, der das Stimmgewicht von Minderheitengruppen verwässert, verbietet. Wie im 19. Jahrhundert tut der Oberste Gerichtshof dabei so, als begünstigten Gesetze, die die Rassendiskriminierung verbieten, Schwarze und seien daher verfassungswidrig.
Auf genau diese Logik stützte sich der Oberste Gerichtshof im Jahr 2023, als er die Maßnahmen zum Ausgleich von Diskriminierung bei der Zulassung von Studenten an der Harvard University und der University of North Carolina mit der Begründung für unzulässig erklärte, derartige Maßnahmen verstießen gegen die Gleichbehandlungsklausel des 14. Zusatzartikels. Das Urteil machte es den Colleges und Universitäten im Lande praktisch unmöglich, bei ihren Zulassungsentscheidungen die Rassenzugehörigkeit zu berücksichtigen. Nur ein Jahr später verzeichneten viele Elite-Colleges und -Universitäten bereits einen drastischen Rückgang der Immatrikulation von Schwarzen.
Behinderung des Bürgerrechtsschutzes
Unter der Trump-Regierung geht dieser juristische Aktivismus mit der Behinderung des Bürgerrechtsschutzes einher. Laut einem Bericht der New York Times haben Beamte der Regierung die Durchsetzung des Fair Housing Act von 1968, der Rassendiskriminierung beim „Verkauf oder der Vermietung von Wohnraum, der Finanzierung von Wohnraum oder der Erbringung von Maklerleistungen“ verbietet, systematisch behindert.
Derweil hat Trump die Regierung von hochrangigen schwarzen Beamten gesäubert. Zu den Entlassenen gehören der Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs, Charles Q. Brown, Jr., der Vorsitzende des Surface Transportation Board, Robert E. Primus und die Leiterin der Kongressbibliothek, Carla Hayden. Schwarze Mitglieder der Federal Energy Regulatory Commission, des National Labor Relations Board und des National Transportation Safety Board wurden ebenfalls abgesetzt. In allen Fällen wurden sie durch Weiße ersetzt.
Trump versuchte auch, die Gouverneurin der US Federal Reserve, Lisa Cook, zu entlassen – die erste schwarze Frau im Vorstand der Zentralbank –, doch hat ein Bundesgericht diese Maßnahme vorerst ausgesetzt. Andere schwarze Beamte, die gegen ihre Entlassung geklagt haben, erhielten vom Obersten Gerichtshof für sie ungünstige Urteile.
Abgesehen von diesen gezielten Entlassungen hat die Trump-Regierung eine große Zahl an Bundesbeschäftigten entlassen, wobei schwarze Beschäftigte die Hauptlast der Kürzungen zu tragen hatten. Der Oberste Gerichtshof hat die Kürzungen im Juli faktisch abgesegnet. Laut einem Bericht der New York Times mussten Bundesbehörden, die einen größeren Anteil an Minderheiten und Frauen beschäftigen – wie das Bildungsministerium und die Behörde für internationale Entwicklung (USAID) –, die größten Kürzungen hinnehmen, wobei einige ganz aufgelöst wurden. Von Februar bis Juli verloren 319.000 schwarze Frauen ihren Arbeitsplatz im öffentlichen und privaten Sektor – die einzige große weibliche Bevölkerungsgruppe, die in diesem Zeitraum erhebliche Beschäftigungsverluste hinnehmen musste.
Weniger Fairness, mehr Feindseligkeit
Angesichts von Trumps Durchführungsverordnungen, die sich gegen Programme zur Förderung von Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration (DEI) in allen Bereichen richten – von der Einstellung bis hin zur Datenerfassung und wissenschaftlichen Forschung –, und des von den Republikanern kultivierten Narrativs, wonach praktisch alle nicht-weißen Menschen, bis hin zur ehemaligen Vizepräsidentin Kamala Harris, ihre Arbeitsplätze DEI verdanken, werden die Chancen für Minderheiten weiter sinken. Hinzu kommt, dass das öffentliche Bewusstsein für Amerikas Geschichte der Sklaverei und des offiziellen Rassismus geschwächt wird – eine unvermeidliche Folge von Trumps Aufforderungen an Schulen, Museen und sogar den National Park Service, Hinweise darauf zu entfernen. US-Minderheiten können entsprechend mit weniger Fairness und mehr Feindseligkeit rechnen.
Erst Mitte der 1960er-Jahre stellten sich die USA der mühsamen Aufgabe, die von den Regierungen und dem Obersten Gerichtshof nach der Zeit des Wiederaufbaus geschaffene und verfestigte Rassenapartheid abzubauen. Diese Aufgabe ist nach wie vor nicht abgeschlossen. Doch statt die Gleichberechtigung zwischen den Rassen weiter voranzutreiben, machen sich der Oberste Gerichtshof und die Trump-Regierung die Logik zu eigen, die einst Jim Crow möglich gemacht hat.
Aus dem Englischen von Jan Doolan. Gerald N. Rosenberg war Professor für Politikwissenschaft und Recht an der University of Chicago. Er ist der Verfasser von „The Hollow Hope: Can Courts Bring About Social Change?“ (Universität von Chicago Press, 2008). Copyright: Project Syndicate, 2025.
www.project-syndicate.org.
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