Freitag21. November 2025

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Deutsch-luxemburgische Zusammenarbeit„Die Telefonleitung mit Deutschland geht in die eine Richtung, aber auch in die andere“

Deutsch-luxemburgische Zusammenarbeit / „Die Telefonleitung mit Deutschland geht in die eine Richtung, aber auch in die andere“
Zwei Politiker, zwei Generationen, ein gemeinsames Ziel: Claude Wiseler (l.) und Philip Hoffmann pflegen die direkten Kontakte zwischen ihren beiden Ländern Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Die Grenzschließungen in der Pandemie sind noch nicht vergessen, die Grenzkontrollen dauern an. Wie steht es eigentlich gerade um das deutsch-luxemburgische Verhältnis? Ein Gespräch mit zwei Männern, die für gute Nachbarschaft zuständig sind – über alltägliche Probleme und visionäre Projekte.

Tageblatt: Herr Wiseler, Herr Hoffmann, auf einer Skala von eins bis zehn: Wie beurteilen Sie das luxemburgisch-deutsche Verhältnis heute, im November 2025, wenn eins bedeutet „so schlecht wie nie“ und zehn „so gut wie nie zuvor“?

Philip Hoffmann: Ich steige mit einer acht ein. Die fehlenden zwei Punkte holen wir auf, wenn die Grenzkontrollen endlich wieder vorbei sind.

Claude Wiseler: Eine bessere Antwort kann ich überhaupt nicht geben. Wir haben sehr gute Relationen mit Deutschland. Das scheint mir ganz klar zu sein. Ob das auf institutioneller oder auf persönlicher Ebene ist.

Zu den Personen

Philip Hoffmann (CDU) ist seit März Mitglied des Deutschen Bundestages, er vertritt den Grenzwahlkreis Saarlouis und ist seit September Vorsitzender der Parlamentariergruppe Belgien-Luxemburg im Bundestag. Claude Wiseler (CSV) ist seit November 2023 Präsident der Abgeordnetenkammer und damit auch von luxemburgischer Seite aus Präsident der deutsch-luxemburgischen Freundschaftsgruppe.

Die deutschen Grenzschließungen zur Corona-Zeit und die Grenzkontrollen seit Sommer 2024 haben eine gewisse Anspannung in das Verhältnis gebracht. Wie gehen Sie damit um?

C.W.: Die Regierung hat klar ihre Meinung dazu gesagt. Wir sehen auch, dass es in den letzten Monaten wesentlich weniger angespannt ist, weil wir praktische Lösungen gefunden haben. Wir sind der Meinung, dass vor jeder Grenzschließung alles versucht werden muss, um mit anderen Mitteln die Probleme und die Fragen, die sich stellen können, in den Griff zu bekommen, zum Beispiel mit polizeilicher Zusammenarbeit. Auf der anderen Seite haben wir auch die Möglichkeit, über Gremien wie die Freundschaftsgruppe oder unsere Beziehungen zu deutschen Parlamentariern und Politikern, unsere Probleme mitzuteilen und die Lösungen zu finden, die notwendig sind für das gute Funktionieren auf beiden Seiten.

Herr Hoffmann, wir haben vor der Bundestagswahl schon einmal über Grenzkontrollen und das Problem innerhalb Ihrer Partei gesprochen, das Verständnis für die Grenzregion. Wie sieht es aus luxemburgischer Sicht aus, gibt es politisches Verständnis für die deutschen Maßnahmen, sind sie ein sinnvolles Mittel?

C.W.: Es ist nicht an uns, zu entscheiden, ob es ein sinnvolles Mittel ist oder nicht. Das muss schon die deutsche Politik entscheiden. Es ist natürlich ein Mittel, das uns vor Probleme stellt. Wir sehen die täglichen Probleme, die hauptsächlich die Grenzarbeiter aus Deutschland damit haben. Und unsere Zielsetzung ist: Wie kann ich das Problem lösen? Unsere Wirtschaft hängt zu einem großen Teil von Grenzgängern aus Frankreich, Belgien und Deutschland ab. Wie kann ich denen das tägliche Leben so gestalten, dass nach Luxemburg zu kommen nicht zu einer fast unmöglichen Pflicht wird? Das ist die Frage, die wir uns gestellt haben und die wir versuchten, der deutschen Seite zu erklären und dann auch gemeinsame Antworten darauf zu finden.

Ex-Grenzgänger, neu im Bundestag: Philip Hoffmann
Ex-Grenzgänger, neu im Bundestag: Philip Hoffmann Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

P.H.: Also, ich würde das gar nicht als Problem in der Partei sehen. Sondern vielmehr leiden die Grenzkontrollen an ihrem Erfolg. Wir haben an allen Grenzpunkten immer wieder Aufgriffe. Dabei wissen wir doch alle, dass man die umfahren kann. Ich habe das selbst gemacht, als ich noch Grenzgänger war. Und trotzdem sind die Grenzkontrollen erfolgreich und tragen in sehr großem Maße dazu bei, dass wir Migration eindämmen. Ich finde aber auch, dass Alexander Dobrindt (dt. Innenminister, Anm. d. Red.) gemeinsam mit dem luxemburgischen Innenminister Gloden eine sehr gute Lösung gefunden hat für die Schengener Brücke. Die gemeinsame Arbeit luxemburgischer und deutscher Polizisten, die vor dem Tunnel den Verkehr beobachten, wonach dann in Deutschland nur noch die Leute rausgezogen werden, die verdächtig sind. Das ist eine sehr gute Übergangslösung. Mittel- bis langfristig wollen wir natürlich ein Europa ohne Grenzen und vor allem in Schengen, wo die Freizügigkeit 1985 erfunden wurde.

Gerade in den ersten Wochen der Kontrollen konnte man erleben, wie Menschen, die von der deutschen Bundespolizei zurückgewiesen wurden, auf luxemburgischer Seite jedoch nicht empfangen wurden – und es einfach noch einmal versuchen konnten. Das stellt den Erfolg der Zurückweisungen doch ein bisschen infrage, oder?

P.H.: Wir sehen aber in Deutschland, dass die Zahlen seitdem zurückgegangen sind, dass die Politik von Alexander Dobrindt dort erfolgreich ist und dass wir das Problem der illegalen Migration damit stark eindämmen konnten. Das war das Ziel. Das haben wir erreicht. Jetzt geht es darum, dass wir das Ziel so erreichen mit einem freien Europa, denn wir sind hier der größte grenzüberschreitende Arbeitsmarkt der Europäischen Union. Und das muss man natürlich leben und fördern.

Es gibt noch einen Unterschied zwischen Deutschland und Luxemburg. Wir haben in diesem Moment keine Parteien, die systemzerstörend in ihren Programmen sind.

Claude Wiseler, Chamber-Präsident

Welche Rolle spielt der Größen- und Bedeutungsunterschied zwischen Luxemburg und Deutschland in diesem Verhältnis?

C.W.: Man kann nicht leugnen, dass Deutschland größer als Luxemburg ist (lacht). Wir können auf der deutschen Seite, ob auf Landes- oder Bundesebene, immer mit einer gleichwertigen Kooperation rechnen. Die allermeisten deutschen Politiker haben genau verstanden, dass Europa aus 27 Ländern besteht und dass auch die kleinen Länder eine Rolle zu spielen haben. Ich habe nie verspürt, dass dieser Größenunterschied eine Rolle gespielt hat.

Auch nicht zu Zeiten der Pandemie, als die Deutschen im Panikmodus die Grenzen geschlossen haben?

C.W.: Da war jeder im Panikmodus. Das hatte nichts mit groß und klein zu tun.

Aber Luxemburg trifft es besonders hart, wenn die großen Nachbarn so handeln.

C.W.: Es betrifft uns besonders, natürlich. Aber das hat nichts mit groß oder klein zu tun. Das ist eine Situation, in der du am Anfang nicht weißt, wie du handeln sollst. Dann kommen Entscheidungen, ob das jetzt von Luxemburg oder von anderer Seite her ist, die sich nachher als nicht sinnvoll erweisen. Aber dafür kann im Prinzip niemand etwas. Das war eine ganz außergewöhnliche Situation. Wenn ich an diese Zeit zurückdenke, war es gerade wichtig, Kontakte und Kanäle zu haben und sie zu benutzen, um erklären zu können: Hört mal, unsere ganze Wirtschaft hängt von den Grenzgängern ab. Wenn Leute nicht hierher arbeiten kommen können, dann bricht unser Gesundheitssystem zusammen. Und das war ein Argument, das relativ schnell eingeleuchtet hat zu dieser Zeit.

P.H.: Ich will auch ganz klar widersprechen. Ich würde nicht sagen, Luxemburg hat weniger Bedeutung, weil es ein kleineres Land ist. Ganz im Gegenteil. Wenn wir auf europäischer Ebene – und da kommen inzwischen die meisten Gesetze her – eine Lösung finden wollen, dann geht das nur miteinander. Wir sind unheimlich voneinander abhängig. Klar ist die Abhängigkeit unterschiedlich gewichtet. Aber nehmen wir meinen Wahlkreis: Wenn Luxemburg sagen würde, wir nehmen jetzt keine saarländischen Arbeitnehmer mehr, dann habe ich in meinem Wahlkreis auf einmal 10.000 Arbeitslose mehr. Und umgekehrt hat Luxemburg ein Problem, wenn die deutsche Wirtschaft komplett runterkracht.

C.W.: Vielleicht noch ein Beispiel. Ich kann mich erinnern, zu meiner Zeit in der Regierung, als ich Transportminister war, hatten wir oft europäische Ministerräte in Brüssel. Und da ist es mehr als einmal vorgekommen, dass ich einen Anruf aus Berlin bekam, um die Position des deutschen Ministers zu klären. Und dann kamen Fragen: Was ist die Position Luxemburgs? Kannst du verstehen, was wir machen? Können wir behilflich sein? Die Telefonleitung mit Deutschland geht in die eine Richtung, aber auch in die andere. Es ist in Europa einfach eine Notwendigkeit, zusammenarbeiten zu können, problemlos und unbürokratisch.

Wir sind aus der gleichen Ausgangslage heraus geboren. Beide Länder waren Agrarstaaten. Wir sind beide über Kohle und Stahl reich geworden.

Philip Hoffmann, Vorsitzender der Parlamentariergruppe Luxemburg-Belgien

Was können Sie als Parlamentarier voneinander lernen angesichts der Probleme und Bedrohungen, mit denen die Demokratie konfrontiert ist? Herr Wiseler, ich erinnere mich, dass Sie Anfang des Jahres relativ betroffen waren von einigen Ergebnissen des Polindex …

C.W. (erklärend zu P.H.): Auf die Frage, ob sie die Demokratie als beste Staatsform ansehen, haben 34 Prozent der Jugendlichen geantwortet: nein, oder ich weiß nicht. Das kann heißen, ich möchte eine Diktatur, kann aber auch heißen, die Demokratie ist nicht effizient genug, kann aber auch heißen: Ich möchte sogar mehr Partizipation in der Demokratie. Aber trotzdem, es ist eine einfache Frage. Die 34 Prozent waren für mich erschreckend. Das hat dazu geführt, dass wir das näher analysieren. Was bedeutet diese Antwort? Wir sind aber auch dabei, unsere Institutionen einem Stresstest zu unterziehen: Würde jemand an die Regierung kommen, der die Demokratie abschaffen wollte, würden dann unsere „checks and balances“ funktionieren? Könnten wir garantieren, dass nach fünf Jahren wieder Wahlen stattfinden würden?

P.W.: Davon können wir lernen. Man hätte solch einen Prüfstein schon vor einigen Jahren aufstellen können. Ich sage nicht müssen, weil ich immer noch hoffe, dass wir nicht dahin kommen, dass so was mal in der Retrospektive notwendig sein wird. Aber nichtsdestotrotz ist das ein kluger Schritt und auch eine kluge Reaktion auf die Frage.

Sie beide sind Politiker konservativer Parteien, die viele besonders in der Pflicht sehen, wenn es darum geht, sich von antidemokratischen Strömungen am extrem rechten Rand abzugrenzen. Wie erleben Sie das in Ihren beiden Ländern?

P.H.: Die Antwort ist eigentlich ganz einfach. Und das erklärt auch den Unterschied zwischen Luxemburg und Deutschland, was populistische – nennen wir sie einfach mal so – Parteien angeht. Wenn ich mir ansehe, wie viel Sorge in Deutschland aktuell ist: Was passiert mit unserem Wohlstand? Was passiert mit den Arbeitsplätzen? Das sind in vielen Fällen sehr, sehr berechtigte Sorgen. Ich komme aus einem Wahlkreis, der sehr industriell geprägt ist, wo die Menschen lange darauf vertrauen konnten, dass sie bei Ford arbeiten, dass es keinen Umbruch gibt. In der Stahlindustrie haben wir auch einen Umbruch. Diese Sorge ist im Großherzogtum noch nicht so groß, weil das Wirtschaftssystem sich immer wieder klug erneuert hat. Wir sind aus der gleichen Ausgangslage heraus geboren. Beide Länder waren Agrarstaaten, waren nicht mit den tollsten Böden ausgestattet. Wir sind beide über Kohle und Stahl reich geworden. Und als es mit Kohle vorbei war, hat Luxemburg sich für einen sehr erfolgreichen anderen Weg entschieden. Und da haben sich die Wege dann getrennt.

Das Schengen-Lyzeum ist ein prachtvolles Beispiel regionaler Zusammenarbeit

Claude Wiseler, Chamber-Präsident

Auch weil als Teil einer Bundesrepublik das Saarland nicht so agil ist wie Luxemburg als eigenständiger Staat …

P.H.: Vollkommen richtig, wir hätten diese Entscheidungen gar nicht treffen können, wie sie in Luxemburg getroffen wurden. Aber Fakt ist: Luxemburg steht momentan wirtschaftlich immer noch sehr, sehr gut da – immer noch ein Stückchen besser als wir. Und da hängt es tatsächlich von unserem Erfolg ab: Schaffen wir es, Vertrauen in die Zukunft der Sozialversicherung, Vertrauen in die Zukunft der Wirtschaft und Vertrauen vor allem in Wohlstand zu geben? Was treibt denn die Menschen vor allem in populistische Arme? Zum einen ist das die illegale Migration, die wir schon eindämmen. Zum Zweiten ist es die Sorge, dass es meinen Kindern vielleicht schlechter gehen wird als mir.

Hat langjährige Erfahrung in grenzüberschreitender Zusammenarbeit: Claude Wiseler
Hat langjährige Erfahrung in grenzüberschreitender Zusammenarbeit: Claude Wiseler Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

C.W.: Das ist trotzdem noch ein Unterschied zwischen Deutschland und Luxemburg, wahrscheinlich aus dem Grund, den Philip jetzt erklärt hat, über die Geschichte und über die wirtschaftliche Situation. Wir haben zwar auch Parteien im rechten und linken Spektrum, die aber in diesem Moment nicht systemzerstörend in ihren Programmen sind. Es gibt keine Partei, die sagt, die Demokratie und die luxemburgischen Institutionen müssen total umgeändert werden. Aber Luxemburg ist keine Insel. Die wirtschaftliche Situation ist nicht definitiv gegeben. Weshalb auch wir sehr aufpassen müssen, unsere Institutionen so solide wie möglich aufzustellen.

Die Großregion ist immer ein schönes Thema für Sonntagsreden. Die Realität ist aber oft von den Nationalstaaten und ihren Problemen geprägt.

C.W.: Sonntagsrede, ja, aber daneben steht eine tagtägliche Realität. Ich habe als Transportminister mehr mit regionalen Fragen zu tun gehabt als mit europäischen oder nationalen Fragen. Ich baue eine Autobahn nach Belval, geht die Straße auf der französischen Seite weiter, ja oder nein? Die Zusammenarbeit ist eine absolute Notwendigkeit für die Grenzgänger, für Infrastrukturen. Das geht nicht immer so schnell, wie es gewollt ist. Das Schengen-Lyzeum ist ein prachtvolles Beispiel regionaler Zusammenarbeit. Würden wir auch gerne mit anderen Ländern noch machen. Aber auch die Sicherheitspolitik, Gesundheitspolitik, Ambulanzen und so weiter, das sind alles Sachen, wo wirklich miteinander gearbeitet wird. Das kommt nicht viel in die Zeitungen, weil es nicht so beeindruckend ist. Aber es ist tagtägliche Arbeit, die geleistet wird, abseits der Scheinwerfer. Die Realität unserer Regionalarbeit.

Was muss konkret in den nächsten Jahren passieren, damit Sie beide einmal zurückblickend sagen können: Wir haben unseren Job gut gemacht?

P.H.: Für mich gibt es zwei Ebenen. Zum einen die großen Sachen, die werden wir in zwei Jahren nicht hinkriegen. Wahrscheinlich ist bis dahin nicht nur Claude im Ruhestand, sondern ich auch. Das ist vor allem die Verkehrsverbindung: dass wir es schaffen, Luxemburg mit dem Saarland mit der Bahn zu verbinden. Da sehe ich ein unheimliches wirtschaftliches und politisches Potenzial. Luxemburg hat ein sehr großes Problem, was Wohnraum angeht. Im Saarland haben wir dieses Problem an der Grenze zu Luxemburg, wir haben aber auch andere Regionen, in denen in 20 Jahren vielleicht keiner mehr leben wird. Eine Bahnstrecke kann auch Menschen aus Regionen, die nicht direkt an der Grenze leben, schnell nach Luxemburg bringen. Diese Bahnstrecke geht aber nicht nur in eine Richtung. So wie Luxemburger mit der Bahn heute nach Trier fahren zum Einkaufen, fahren sie dann vielleicht nach Merzig, Saarlouis oder Saarbrücken.

Eine Bahnverbindung wäre viel mehr als nur ein Grenzgänger-Überbringungsvehikel

Philip Hoffmann, Vorsitzender der Parlamentariergruppe Luxemburg-Belgien

Kann man in Luxemburg der Mobilitätsministerin diese sehr teure Bahnstrecke wirklich als Lösung für die „Logement“-Krise verkaufen?

C.W.: Das war schon eine Diskussion vor zehn, 15, 20 Jahren und ist immer am Finanzproblem gescheitert. Ich kann jetzt nicht über finanzielle Fragen urteilen. Was ich weiß: Alle infrastrukturellen Fragen, ob das Wohnungs-, Straßen- oder Schienenbau betrifft, sind langfristige und sehr kostspielige Angelegenheiten. Darum gibt es auch die vielen Diskussionen und darum ist es auch bislang gescheitert.

P.H.: Eine Bahnverbindung wäre viel mehr als nur ein Grenzgänger-Überbringungsvehikel. Das ist wirklich ein Mehrwert für beide Seiten. Zum einen können die Pendler nach Luxemburg fahren. Aber diese Strecke muss auch weitergehen, sodass man in einer Stunde von Saarbrücken sowohl in Frankfurt als auch in Luxemburg sein kann. Wenn dann irgendwann die Strecke Brüssel-Luxemburg schneller werden würde, dann könnte man noch eine Stunde Zeit einsparen.

Und dann die Verbindung Brüssel-Luxemburg-Saarbrücken-Straßburg.

P.H.: Genau das ist der Punkt, wo ich hinmöchte. Von der geografischen Randlage in der Bundesrepublik Deutschland ins Zentrum der Europäischen Union, sowohl Luxemburg als auch das Saarland. Du sagtest ja eben, Claude, es ist damals an Finanzen gescheitert und neue Projekte sind sowieso schwierig. Aber schauen wir nach Frankreich. Die TGV-Strecke Luxemburg-Paris ist auch neu entstanden und verbindet die beiden Zentren genau auf dem Weg, wie ich es eben beschrieben habe. Da müssen wir bei den großen Projekten hin. Wir brauchen in Europa Leuchtturmprojekte, wie wir uns untereinander vernetzen. Die Zugverbindung wäre ein tolles Beispiel.

Wie steht es um die kleinen Projekte?

P.H.: Bei den kleinen Projekten gibt es noch immer viele Hürden, die aus dem Alltag entstehen und die im Alltag stören. Wir wollen diese Hürden Stück für Stück abbauen, sodass man nicht mehr spürt, dass wir in unterschiedlichen Ländern sind, außer bei Kultur und Sprache. Damit meine ich nicht nur die Grenzkontrollen, sondern viele kleine Probleme, zum Beispiel bürokratische Einschränkungen für Handwerker, die über die Grenze fahren. Es macht auch keinen Sinn, dass ein Luxemburger auf einen Facharzttermin wartet, während auf der deutschen Seite einer frei ist, und umgekehrt, da kann man einfach noch mal besser werden und stärker zusammenwachsen.

C.W.: Ich halte die Reaktionsfähigkeit beiderseits bei den kleinen, tagtäglichen Fragen der Leute für sehr wichtig. Da müssen wir einfach den Weg finden, dass wir schnell reagieren können, dass wir gemeinsam reagieren können und dass wir in Gesundheitsfragen, Transportfragen, Steuerfragen, sozialen Sicherheitsfragen, Pensionsfragen, Schulfragen auch die Lösungen schnell finden. Und das geht nur mit engen, direkten Kontakten, nicht über den administrativen Weg.

P.H.: Beim Schengen-Lyzeum hätte man wahrscheinlich vor 30 Jahren auch gesagt, so was geht gar nicht.

C.W.: Ja, aber das geht auch nur, wenn der politische Wille absolut da ist. Ich kann mich sehr gut daran erinnern. Das waren Riesenprobleme, die sich gestellt haben. Gehälter, soziale Sicherheit, Verantwortung, Finanzen. Wenn man die lösen möchte, dann kann man es auch. Man darf sie nur nicht als Entschuldigung nehmen, um nichts zu tun.