19. November 2025 - 6.54 Uhr
DeutschlandMerz und Macron werben für digitale Souveränität Europas
Es ist schon spät am Nachmittag, als der Gast eintrifft, den alle erwarten. Bundeskanzler Friedrich Merz und Digitalminister Karsten Wildberger folgen ihm in das Gebäude. Der Star des Tages aber geht vorneweg: Es ist Emmanuel Macron. Der französische Präsident ist für den Gipfel zur Europäischen Digitalen Souveränität an diesem Dienstag extra nach Berlin gereist.
Eingeladen zu dem Format hatten das deutsche und das französische Digitalministerium. Gekommen waren nach offiziellen Angaben mehr als 900, teils hochkarätige Gäste. Neben Merz und Macron waren Ministerinnen und Minister aus 23 EU-Staaten anwesend, wie Digitalminister Wildberger betonte. Das politische Personal aus der ersten Reihe ist ein Hinweis darauf, wie wichtig Deutschland und Frankreich das Thema digitale Souveränität ist.
Im Fokus des Treffens standen aber nicht nur Vereinbarungen zwischen beiden Ländern. Vielmehr sollte es um Projekte gehen, die die digitale Souveränität ganz Europas vorantreiben. Europa müsse in einer vereinten Kraftanstrengung einen eigenen digitalen Weg gehen, „und dieser Weg muss in die digitale Souveränität führen“, sagte Merz. Wenn Deutschland und Frankreich ihre Anstrengungen bündelten, hätte das „Auswirkungen auf die ganze Europäische Union“, betonte der Kanzler. Und Frankreichs Präsident Macron erklärte, dass Europa nicht nur der Kunde der Amerikaner oder Chinesen sein wolle. Stattdessen wolle man „eigene Lösungen entwickeln“, sagte er.
Am Ende gab es dann auch einige konkrete Ankündigungen. So wurden auf dem Gipfel 18 neue strategische Partnerschaften und kommerzielle Vereinbarungen zum Ausbau von KI-Anwendungen vorgestellt. Dazu zählt eine weitreichende Zusammenarbeit zwischen dem größten Softwarehaus Europas, der SAP, und dem führenden europäischen KI-Anbieter Mistral AI aus Frankreich. Außerdem werden der SAP Cloud-Anbieter Delos und der französische Cloud-Spezialist Bleu miteinander kooperieren. Die Verträge und Absichtserklärungen haben nach Angaben der EU AI Champions Initiative (EU AICI) ein Volumen von rund einer Milliarde Euro.
Zu viele Regeln verlangsamen Fortschritt
Ebenfalls aus Paris angereist war Frankreichs Finanz- und Wirtschaftsminister, Roland Lescure. Er sieht Europa an einer Kreuzung; der Kontinent befinde sich mitten in der vierten industriellen Revolution, sagte er. Lescure rief zu Anstrengungen auf, auch wenn bereits ein paar Kämpfe verloren gegangen seien. Die USA und China liegen beim Thema Künstliche Intelligenz (KI) momentan weit in Führung. Lescure wies darauf hin, dass Cyberattacken auch die Demokratie gefährdeten.
Digitalminister Wildberger betonte derweil, zu viele Regeln in zu vielen Details verlangsamten gegenwärtig Fortschritt. Das verhindere Innovation. Deshalb sei es wichtig, „beides miteinander besser zu verbinden: Natürlich die Sicherheit und die Werte, aber auch die Innovationskraft“, sagte der Digitalminister. Europa müsse bereit sein, ein führender Akteur im globalen Zeitalter zu sein und bei KI und Datenmodellen mitzuspielen. Dafür müssten die Vorgaben für Anwendungen der KI aber vereinfacht werden. „Der Zug ist nicht abgefahren. Wir müssen aufholen. Aber er ist nicht abgefahren“, mahnte der Minister.
Henna Virkkunen, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission für Technische Souveränität, verwies auf den sogenannten Digital-Omnibus. Dabei handelt es sich um ein Gesetzespaket aus Brüssel mit dem Ziel, existierende Regelungen zusammenzufassen und zu vereinfachen. Geplant sind unter anderem Änderungen an der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Auch die Regeln für KI sollen auf den Prüfstand.
Großer Wert auf Schutz von Daten
Datenschützer warnen allerdings vor einer Aufweichung von Regeln. „Wir werden keine wettbewerbsfähige KI entwickeln, wenn wir unsere demokratischen Standards heruntersetzen“, sagte Alexandra Geese, Europa-Abgeordnete von der Grünen, dem Tageblatt. „Vereinfachung ist wichtig, aber dieser Omnibus muss praktische Probleme lösen, nicht die intransparenten Datenpraktiken der Big-Tech-Unternehmen legitimieren“, erklärte sie. Der Digital-Omnibus soll zwar erst an diesem Mittwoch vorgestellt werden, auf einen vorab bekannt gewordenen Entwurf schaut die Grünen-Abgeordnete aber skeptisch. „Laut dem ersten Entwurf könnten Bürgerinnen und Bürger nicht mehr verhindern, dass ihre persönlichen Daten – Gesundheitsdaten, Religion, sexuelle Vorlieben, Wohnort – von undurchsichtigen Datenhändlern verkauft werden“, warnte die Grünen-Politikerin.
Wildbergers französische Amtskollegin Anne Le Hénanff unterstrich auch vor dem Hintergrund von Kritik wie dieser, dass großer Wert auf den Schutz von Daten und die Grundrechte von Europäern gelegt werde. In bestimmten Fällen werde es jedoch „notwendig sein, Vereinfachungen vorzunehmen“, um „Innovationen und Entwicklungen“ in bahnbrechenden Bereichen wie der KI zu erleichtern. Man wolle „nicht untergraben, was Europa gemacht hat“, doch um „Innovation zu stärken“ müsse auch Vereinfachung möglich sein. Eine Botschaft, hinter der sich trotz Kritik wohl alle Redner dieses Gipfels versammeln können.
De Maart
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