13. November 2025 - 17.28 Uhr
Auf falschem KursDas Handwerk ist enttäuscht vom Budget von Finanzminister Gilles Roth
„Luxemburg hat die guten Jahre vorbeiziehen lassen“, so Tom Wirion am Donnerstag vor Journalisten. „Sie wurden nicht genutzt, um Reserven anzulegen, und auch nicht, um das Land auf die anstehenden strukturellen Veränderungen vorzubereiten“, so der Direktor der Handwerkskammer.
Während ein Land wie Norwegen die guten Jahre genutzt hat, um einen Staatsfonds aufzubauen, in dem ein Vermögen liegt, das für 400 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung steht, so liegt im Luxemburger „Fonds intergénérationnel“ gerade Mal ein Vermögen im Wert von 0,9 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung, fügt Max Urbany, Chefvolkswirt der Kammer, hinzu.
Aktuell befinde man sich hingegen in einer Zeit der „Polykrisen“ und des schwachen Wachstums, so Wirion weiter. Die Einnahmen reichen nicht mehr aus, um den freizügigen Lebensstil des Staates auszugleichen.
„Die Defizite steigen immer weiter“, so Urbany. In den Jahren 2025 bis 2029 sei beim Zentralstaat (Ministerien) nun geplant, satte 7,2 Milliarden Euro mehr auszugeben, als es Einnahmen geben soll.

Dabei bezweifelt die Kammer, dass es bei diesen schlechten geplanten Zahlen bleiben wird: So wurden beispielsweise die vorgesehenen höheren Ausgaben für Verteidigung, wie auch die Kosten von mehreren hundert Millionen Euro für die geplante Reform mit den Steuerklassen in dem Mehrjahresbudget bis 2029 nicht miteinberechnet, so der Volkswirt.
Auch fragt man sich bei der Chambre des métiers, ob die prognostizierten Wachstumsraten, auf deren Basis das Budget errechnet wurde, nicht zu optimistisch sind. Sollte das Wachstum nämlich schwächer ausfallen, dann könnte die Verschuldungsquote schnell auf über 30 Prozent des BIP ansteigen.
Die Summe der Schulden soll jedenfalls so oder so weiter steigen. Eine Strategie zum Sparen sei im Budget nicht vorgesehen, so Urbany. Im Jahr 2029 wird mit Zinszahlungen von 733 Millionen Euro gerechnet, mehr als doppelt so viel wie heute.

Vermissen tue man auch eine Strategie, wo das geplante Wachstum herkommen soll, unterstreicht der Volkswirt weiter. Es sei ja lobenswert, auf Crypto, Space, AI und Start-ups zu setzen, jedoch würden wichtige Faktoren nicht angegangen. Das Problem auf dem Wohnungsmarkt habe man weiter nicht im Griff und auch die Situation bei der Mobilität mache den Standort für Grenzgänger nicht wirklich attraktiv. „Wer soll die Datenzentren bauen, die wir wollen? Und wo sollen sich die Handwerksbetriebe niederlassen? Es steht kein Land zur Verfügung, es gibt nicht genügend Wohnraum. Kredite für kleine und mittlere Unternehmen gibt es am Finanzplatz auch keine.“
Als Knackpunkt für die Attraktivität des Landes sehen die Sprecher des Handwerks, wie beispielsweise auch der Internationale Währungsfonds, den Wohnungsmarkt. „Wenn wir das lösen könnten …“, so Urbany. Doch die Strategie der Regierung für ein Ankurbeln des Marktes gehe nicht auf. In den letzten Jahren seien erneut deutlich weniger neue Wohnungen gebaut worden, als neue Arbeitsplätze geschaffen wurden.
Pensionsreform bringt nur vier Jahre
Als „nicht nachhaltig“ bezeichnet die Kammer ebenfalls die Situation im Bereich der Sozialversicherungen. Mit Kosten von 21.000 Euro pro Kopf gebe man in Luxemburg mehr als doppelt so viel aus wie etwa in Belgien, so Marc Gross. Auch von der „Reformette“ für das Pensionssystem ist man mehr als enttäuscht und sehe sie „sehr kritisch“. „Mit den angekündigten Maßnahmen gewinnen wir gerade mal vier Jahre“, so Gross. Nun soll die Reserve bis 2048 halten, statt wie bisher bis 2044. Die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben werde weiter auseinandergehen. 2070 bräuchte man rein rechnerisch 1,6 Millionen Einwohner. „Das ist jedoch nicht realistisch, schon allein wegen der Situation auf dem Wohnungsmarkt.“
Das von Gilles Roth vorgelegte Budget sei insgesamt nicht geeignet, um ein langfristig soziales und wettbewerbsfähiges Luxemburg zu gestalten, schlussfolgert Wirion. „Wir brauchen den Willen zu Reformen und Prioritäten, um die Kurve doch noch hinzukriegen.“ Die Sprecher des Sektors des Handwerks sehen ihr Avis zum Staatshaushalt als „Weckruf“.
Um die Situation zu verbessern, hat die Kammer eine Liste mit zehn Ideen zur Verbesserung der Situation ausgearbeitet. Als besonders wichtig würden sie es finden, wenn die unterschiedlichen Ausgabeposten im Budget auf ihre Effizienz hin untersucht würden. Vor allem im sozialen Bereich könnte damit zielgerechter gearbeitet werden.
Steigende Gehaltskosten beim Staat
Auch wünscht man sich ein „Bremsen“ der stark zulegenden Gehaltskosten beim Staat. Zwischen 2016 und 2025 hat sich die Masse der Gehälter auf fast fünf Milliarden Euro mehr als verdoppelt. 2024 ist die Zahl der Beschäftigten beim Staat um fünf Prozent gestiegen, während sie im Privatsektor stagniert hat. „Das sorgt für Lohndruck im privaten Sektor und birgt ein wachsendes Risiko von Steuererhöhungen“, befürchtet das Handwerk. Mit Digitalisierung und KI müsse es möglich sein, nicht jede einzelne Person, die in Rente geht, zu ersetzen, so die Kammer. Zudem sollte es nicht die gleichen Gehaltserhöhungen für jeden geben, sondern Prämien für gute Leistungen.
Weiter wünscht man sich eine spezielle Strategie, um Fachkräfte aus weit entfernten Ländern für kleine Unternehmen nach Luxemburg zu ziehen. Der internationale Wettbewerb um Talente werde immer härter. Denken müsse man dann auch an Wohnungen für diese Arbeiter.
Im Pensionssystem wünscht man sich eine „richtige Reform“. Die Leute sollen länger arbeiten, angepasst an die Entwicklung der Lebenszeit. Zudem sollte es auch möglich sein, Leistungen anzupassen.

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De Maart

Der Vergleich mit Norwegen hingt etwas . Im Gegensatz zu Norwegen , haben wir keine Oel und Gasvorkommen vor unserer Haustuer .Wenn Patronat und Gewerkschaften nicht zufrieden sind , dann kann niemand behaupten diese Regierung will Everybody s Darling sein .