Donnerstag13. November 2025

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Vor zehn JahrenAls der Terror ins Pariser Stadion kroch

Vor zehn Jahren / Als der Terror ins Pariser Stadion kroch
Drei Selbstmordattentäter sprengten sich am 13. November 2015 vor dem Stade de France in die Luft Foto: AP/Michel Euler

In der schwarzen November-Nacht 2015 in Paris sterben 130 Menschen. Mittendrin ist auch die deutsche Nationalmannschaft, die nun zehn Jahre nach dem Horrortag in Luxemburg spielt. Der Blick zurück lässt schaudern.

Dieser eine Gedanke lässt Bastian Schweinsteiger nicht los. „Was wäre passiert“, fragt sich der damalige Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, wenn die Attentäter von Paris „ins Stadion gekommen wären und dort die Bomben losgelassen hätten?“

Am 13. November 2015 stehen Schweinsteiger und die deutschen Weltmeister gegen Frankreich auf dem Platz, als drei Männer in Trainingsanzügen des FC Bayern versuchen, ins Stade de France zu gelangen – um sich dort in die Luft zu sprengen. Ihr Vorhaben scheitert, sie zünden ihre Sprengsätze draußen und reißen den 63-jährigen Manuel Dias mit in den Tod. Insgesamt sterben überall in der französischen Hauptstadt in dieser Horrornacht 130 Menschen, mehr als 350 werden verletzt.

Zehn Jahre danach beleuchten zwei Dokumentationen von ARD und Sky, wie die DFB-Elf diese schwarzen Stunden erlebt hat – der Blick zurück lässt schaudern. „Die Angst saß uns im Nacken“, sagt Weltmeistercoach Joachim Löw. Torhüter Kevin Trapp berichtet, er habe sich „wie im Krieg“ gefühlt. 

Der 13. November 2015 beginnt für die deutsche Nationalmannschaft mit einer Bombendrohung im Teamhotel. Manche haben wie Schweinsteiger „Schiss“. Andere, wie Christoph Kramer, bleiben entspannt. „Ich hab’ das nicht ernst genommen.“ Nach den Anschlägen auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo und einen jüdischen Supermarkt habe es „seit Monaten eine terroristische Bedrohung“ gegeben, erzählt der damalige französische Staatspräsident François Hollande, aber das Spiel „galt nicht als besonders gefährdet“.

„Schockstarre“

Doch dann kriecht der Terror ins Stadion. Es läuft die 17. Spielminute, Thomas Müller bedrängt den ballführenden Patrice Evra, als am Tor D der erste Sprengsatz explodiert. Löw denkt an ein „Erdbeben“, viele Spieler glauben an einen Böller – auch wenn sich das Geräusch „ganz anders angehört“ habe, wie Schweinsteiger meint.

Bei der zweiten Explosion, nahe Tor H, hat Hollande auf der Ehrentribüne „keinen Zweifel“ mehr: Ein Anschlag! Während die Behörden Notfallpläne aktivieren, läuft das Spiel weiter. Spätestens nach der dritten Explosion in der Halbzeitpause sickern die Terrornachrichten durch. Der ausgewechselte Jerome Boateng blickt in der Kabine auf sein Handy und denkt: „Wow, was ist jetzt los?!“ Er ertappt sich bei dem Gedanken: „Kommen die hier rein?!“

Auf der Tribüne macht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, damals als Außenminister im Stadion, „ein Gesicht, das möglichst nichts verrät“, eine Massenpanik soll unter allen Umständen verhindert werden. Als die Spieler nach dem Abpfiff (0:2) im Kabinengang auf einem TV-Schirm die Schreckensbilder aus Paris sehen, verfallen sie in eine „Schockstarre“ (Schweinsteiger).

In der Umkleide telefoniert Trapp mit seiner heulenden Verlobten, draußen eilen viele Fans auf den Platz, manche weinen, Gerüchte über Attentäter im Stadion machen die Runde. Drinnen blickt Löw in bleiche Gesichter, auch einige Spieler haben Tränen in den Augen, „das war eine schreckliche Situation“.

Gefühl der Machtlosigkeit

Zumal der DFB-Tross wegen der unsicheren Sicherheitslage im Stadion bleiben muss. Wie ernst die Situation ist, zeigt sich, als sich DFB-Sicherheitschef Hendrik Große Lefert von einem Polizisten für den Notfall dessen Waffe erklären lässt. Das Gefühl der Machtlosigkeit, sagen die Beteiligten, sei das Schlimmste gewesen. 

Erst am nächsten Morgen kann die Mannschaft Paris unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen verlassen. Drei Tage später holt sie der Terror ein, als das Länderspiel in Hannover gegen die Niederlande wegen eines konkreten Anschlagszenarios abgesagt werden muss. Sieben Monate danach spielt die DFB-Elf bei der EM erneut in Paris. „Das“, sagt André Schürrle, „war richtig scheiße.“ (SID)

Deschamps hadert mit Ansetzung am Jahrestag

Frankreichs Fußball-Nationaltrainer Didier Deschamps hätte das kommende Länderspiel der WM-Qualifikation gegen die Ukraine am zehnten Jahrestag der Terrornacht von Paris gern an einem anderen Datum ausgetragen. „Es ist ein sensibles Thema. Tief in meinem Inneren denke ich, dass es besser gewesen wäre, wenn wir das Spiel am 13. November hätten vermeiden können“, sagte Deschamps: „Wäre das möglich gewesen? Ich habe keine Antwort darauf, es liegt nicht in meiner Hand.“ Das Duell gegen die Ukraine im Pariser Parc des Princes wird laut Deschamps deswegen „ein besonderer Tag voller Gedenkfeiern“ sein: „Aus Respekt vor den Familien, die gelitten und Angehörige verloren haben, muss die Pflicht zum Gedenken immer gewahrt bleiben.“