Dienstag11. November 2025

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Mafia im UrlaubsparadiesWie Mallorca und Ibiza zur Drogen-Drehscheibe Europas wurden

Mafia im Urlaubsparadies / Wie Mallorca und Ibiza zur Drogen-Drehscheibe Europas wurden
Die Balearen liegen für Drogenschmuggler strategisch gut Foto: dpa/Clara Margais

Im November liegt die spanische Ferieninsel Ibiza schon weitgehend im Winterschlaf. Viele Clubs sind geschlossen, die Strände leer. Doch während die Touristensaison jetzt in der kühleren Jahreszeit abflaut, rollt auf der Baleareninsel eine andere Welle: Tonnenweise kommen Drogen, vor allem Kokain und Haschisch, an der Küste an. Ermittler bezeichnen Ibiza, die Nachbarinsel Mallorcas, bereits als neues Drogendrehkreuz Europas.

Aber nicht nur Ibiza ist zum Zentrum der Rauschgiftmafia geworden. Auch die große Inselschwester Mallorca, die nur rund 140 Kilometer entfernt liegt, wird von den Schmugglern als Umschlagplatz genutzt. In den 1990er-Jahren sind die Drogentransporte aus Südamerika vor allem an der spanischen Atlantikküste angekommen, heute ist das westliche Mittelmeer mit den Balearen zur wichtigsten Anlaufstelle Spaniens geworden.

Warum? Weil die Drogenschiffe zwischen den vielen Fähren, Frachtern und Tausenden von Freizeitbooten rund um die Inselgruppe schwer zu identifizieren sind. „Die Balearen liegen strategisch gut“, sagen die Ermittler. „Für Schmuggler ist das ein Paradies.“ Auch die Logistik und der Weitertransport der heißen Ware sind auf Mallorca und Ibiza vergleichsweise leicht, weil sich die Drogenkuriere hier gut als internationale Touristen tarnen können und sich deswegen sicher fühlen. 

Operation „Manso“

Doch manchmal gelingt der Polizei doch ein Schlag gegen die Drogenmafia – wie vor Kurzem mit der Operation „Manso“. Dabei konnten die Ermittler 687 Kilogramm Kokain, 2.500 Kilo Haschisch und 1,5 Millionen Euro Bargeld beschlagnahmen; 76 Personen wurden festgenommen. Es sei einer der größten Erfolge im spanischen Mittelmeerraum gewesen, freuen sich die Fahnder.

Den ersten Hinweis erhielten die Ermittler eher zufällig: Bei einer Routinekontrolle stieß die spanische Küstenwacht auf ein verdächtiges Boot, das von Ibiza Richtung Mallorca unterwegs war. An Bord fanden die Beamten rund 200 Kilo Haschisch – der Fund brachte die Ermittlungen ins Rollen. Die Fahnder entdeckten dann ein weit verzweigtes internationales Netz, das in viele europäische Länder reichte. 

Dank dieser Polizeioperation bekamen die Ermittler ein klares Bild davon, wie der Drogenschmuggel Richtung Ibiza läuft: Schiffe aus Südamerika und Nordafrika warfen auf hoher See wasserdicht verpackte Drogenballen mit GPS-Sendern über Bord. Lokale Schmuggler holten die Pakete mit Schnellbooten ab und brachten sie nach Ibiza. Dort blieben die Ladungen höchstens 48 Stunden, bevor sie nach Mallorca oder in die Hafenstadt Valencia auf dem spanischen Festland weitertransportiert wurden – mit der Fähre und versteckt in legalen Warenlieferungen. 

675 Kilo Kokain

Einen der größten Funde machten die Ermittler im Hafen von Valencia: Dort fanden sie in einem Lkw, der mit der Fähre von Ibiza gekommen war, eine große Menge Kokain – sorgfältig zwischen harmloser Fracht verborgen. Bei der Entdeckung half die gute Spürnase eines Polizeihundes. „Er schlug bei diesem Lastwagen an“, berichtete die Polizei in einer Mitteilung. Als der Frachtraum durchsucht wurde, kamen Pakete mit insgesamt 675 Kilo Kokain mit einem Marktwert von schätzungsweise 50 Millionen Euro zum Vorschein.

Für die Kripo war dies der entscheidende Beweis dafür, dass die Insel Ibiza und der Festlandhafen Valencia als Transitpunkte dienen, über die tonnenweise Drogen nach Europa gelangen. Von Spanien wird die heiße Fracht dann per Lkw in viele Länder verteilt – auch nach Deutschland, Österreich, Luxemburg oder in die Schweiz. Der mutmaßliche Bandenchef Stefan M., der auf Ibiza verhaftet wurde, soll in abgehörten Gesprächen geprahlt haben, dass er Drogen bis nach Russland transportiert habe. 

Laut Polizeibericht führte der Serbe Stefan M. die Organisation, die ihre Wurzeln in den Balkanländern hat und über gute Kontakte in Nordafrika und Südamerika verfügt. Die europäische Polizeibehörde Europol warnt, dass Gruppen aus dem Balkan eine immer größere Rolle im Rauschgifthandel spielen. 

Als Finanzchef der nun aufgeflogenen Bande gilt ein mallorquinischer Anwalt, der Drogengewinne über Scheinfirmen und Immobilienkäufe gewaschen haben soll – auch er sitzt in U-Haft. Unter anderem soll er Rauschgiftgelder in den Kauf von Hotels investiert haben. 

Unter den Festgenommenen befindet sich auch ein hochrangiger Beamter der mallorquinischen Drogenfahndung. Ihm wird vorgeworfen, die Bande vor Razzien gewarnt zu haben – ein Skandal, der selbst erfahrene Ermittler fassungslos macht. Die Bande sei so gut organisiert gewesen, dass sie in Fahrzeugen der Fahnder GPS-Sender installieren konnte, um die Ermittler zu überwachen, berichtete ein Polizeisprecher. „Die Gruppe traf Sicherheitsvorkehrungen, wie man sie bislang nicht gesehen hat.“ 

Spanien gilt mittlerweile als einer der wichtigsten Eintrittspunkte für Drogen in die EU. Ibiza und Mallorca spielen dabei eine wachsende Rolle als Drehscheibe zwischen Afrika, Südamerika und Europa. Für die Inseln hat das Folgen: Drogengelder fließen in Immobilien, Restaurants und Clubs, Polizisten und Hafenarbeiter werden bestochen, Ferienhäuser dienen als Verstecke. Hinter der Fassade des Urlaubsparadieses wächst eine Schattenwirtschaft, die längst lukrativer ist als der Tourismus.