Die Pracht des Teatro Amazonas in Manaus steht für den Aufstieg und Niedergang der brasilianischen Kautschukbarone, die es einst finanzierten. Sie waren mit dem damaligen „schwarzen Gold“ so reich geworden, dass sie Ende des 19. Jahrhunderts mitten im Regenwald das berühmte Opernhaus erbauen ließen – mit Marmor aus Carrara und Leuchtern aus Murano, Gusseisen aus Paris und einer Kuppel in den Farben Brasiliens. Als der Kautschukboom endete, erlebte es seine für lange Zeit letzte Aufführung. Es war unter anderem die Feuchtigkeit in der Hauptstadt des Bundesstaates Amazonas mit heute mehr als zwei Millionen Einwohnern, die dem Prunkbau zusetzte. Er öffnete erst 1990 wieder.
Bei der Weltklimakonferenz in dem rund 1.300 Kilometer Luftlinie östlich von Manaus gelegenen Belém will Brasilien als Vorreiter in der Klimapolitik glänzen, mit der Reduktion der Abholzung bis 2030 und einer deutlichen Absenkung des Ausstoßes von Treibhausgas. Präsident Lula da Silva sprach neben wirtschaftlichem Wohlstand und sozialer Inklusion von ökologischer Nachhaltigkeit. Das scheint mit der Erdölexploration im Gebiet der Amazonas-Mündung und den jüngsten Funden im Pré-Sal-Gebiet vor der Südostküste Makulatur zu sein. Schließlich wächst die Förderung dessen, was wie Kautschuk als „schwarzes Gold“ bezeichnet wurde – Segen und Fluch. Dies offenbart Lulas fossiles Dilemma.
Auf dem Gipfel der Brics-Staaten propagierte der brasilianische Präsident, dass der Globale Süden seine Rohstoffe nutzen müsse, um die Infrastruktur und Armutsbekämpfung zu finanzieren. Dabei hat Brasilien gerade in jüngerer Zeit besonders stark unter den Folgen des Klimawandels gelitten. Mehr als ein Drittel des Staatsgebiets war 2024 von der schwersten Dürre seit Beginn der Messungen betroffen. Der Rio Negro erreichte einen historischen Tiefststand. Frachtschiffe im Amazonasgebiet konnten nicht mehr fahren, Fische starben in Massen, das Trinkwasser war nicht mehr gesichert. Abholzungen und Brandrodungen hatten dem Regenwald zugunsten von Bergbau, Holz- und Viehwirtschaft sowie der Agroindustrie zugesetzt. Die grüne Lunge der Welt steht heute vor dem Kollaps.
Doch auch die Städte leiden unter dem Klimawandel. Rund 177,5 Millionen Brasilianer, 87 Prozent der Gesamtbevölkerung, leben in urbanen Räumen. Das Instituto Pólis aus São Paulo, eine zivilgesellschaftliche Organisation, die sich für Förderung und Verteidigung des Rechts auf Stadt und demokratische, nachhaltige und inklusive Städte einsetzt, weist darauf hin, dass die Treibhausgasemissionen in Großstädten vor allem im Zusammenhang mit Energieverbrauch, festen Abfällen, Verkehr und Industrie stehen. Die Analyse sozialer Indikatoren in São Paulo, Recife und Belém zeigt außerdem, dass die Umweltkrise besonders Familien mit geringer Kaufkraft trifft. Viele von ihnen wohnen in Favelas. Sie sind anfälliger, Opfer von Erdrutschen, Überschwemmungen und Krankheiten zu werden. Eine von den Instituten Pólis und IPEC im Jahr 2023 durchgeführte Meinungsumfrage ergab, dass der Großteil der Brasilianer bereits die negativen Auswirkungen des Klimawandels spürte und die Krise mit fossilen Brennstoffen in Verbindung brachte. Sieben von zehn haben schon mindestens ein extremes Ereignis im Zusammenhang mit dem Klimawandel erlebt.
Während das Erzeugen erneuerbarer Energien in Brasilien mittlerweile zugenommen hat, widerspricht der Anstieg von Emissionen aus der Erdölförderung den Ankündigungen und Zielen einer Energiewende der Lula-Regierung. Der Großteil der Subventionen fließt weiter in fossile Energieträger. Doch wie einst die Ära des Kautschuks muss auch der Boom des Erdöls, des zweiten „schwarzen Goldes“, der – langfristig betrachtet – mehr Fluch als Segen war, bald zu Ende gehen.
De Maart

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