4. November 2025 - 11.02 Uhr
Akt.: 4. November 2025 - 11.03 Uhr
„40 Prozent Glück, 60 Prozent Denken“Mehr Gemeinschaft als Glücksspiel: Pokerspieler treffen sich in Rümelingen
Ein verrauchtes Hinterzimmer, ein runder Tisch, Männer mit ernsten Gesichtern, Zigarre in der Hand: So sieht das Bild aus, das viele mit Poker verbinden. Doch wer an einem Sonntagnachmittag das Café „Rëmelenger Stuff“ in Rümelingen betritt, findet ein ganz anderes Szenario vor: Menschen unterschiedlichster Generationen und Hintergründe, die gemeinsam Karten mischen. Ein wöchentliches Turnier, organisiert von der „Kings & Queens Pokerclub ASBL“.
Rund 40 Spielerinnen und Spieler sind an diesem Tag gekommen, um sich beim „Sunday League with Rebuy“ zu messen. Der Einsatz liegt bei 35 Euro. Gespielt wird No Limit Hold’em. „Wir haben mehr als hundert Spieler im Club“, sagt Vereinspräsident Ernest Welter, 60. „Normalerweise sind es etwa 30 bis 35 Spieler pro Event. Heute sind es ein paar mehr – ein außergewöhnlicher Tag.“ Darunter auch zwei Frauen.
Ein Club, der auf Gemeinschaft setzt
Welter hat den Club vor 15 Jahren mitgegründet, nachdem sich eine Gruppe von Spielern in Luxemburgs Pokerlandschaft selbstständig gemacht hatte. „Wir wollten einen rechtssicheren Rahmen schaffen. Wir arbeiten alle ehrenamtlich, niemand bekommt dafür Geld. Drei Euro pro Person aus dem Buy-in fließen dem Club zu – für Tische, Karten und Material.“ Poker sei für ihn mehr als ein Spiel. „Es ist unglaublich spannend. Es ist Mathematik, Emotion und Psychologie zugleich. Und es ist jedes Mal anders – jeder Spieler, jede Runde.“
Es ist nicht wie im Casino. Bei uns wird nicht um Geld gespielt, sondern um Punkte. Die Anmeldegelder gehen in den Preispott, aber niemand darf hier einfach Bargeld abheben. Das wäre illegal.
Gespielt wird hier nicht um echtes Geld. Das ist Welter wichtig zu betonen. „Es ist nicht wie im Casino. Bei uns wird nicht um Geld gespielt, sondern um Punkte. Die Anmeldegelder gehen in den Preispott, aber niemand darf hier einfach Bargeld abheben. Das wäre illegal.“ Das System erinnert eher an eine Liga als an Glücksspiel: Für jedes Turnier gibt es Punkte, am Ende der Saison qualifizieren sich die besten 32 für ein großes Gratis-Finale.
Pokern – das bedeutet hier Gemeinschaft und Konzentration, nicht Hochglanz und Risiko. Der Raum im Hinterzimmer des Cafés ist schlicht: lange Tische mit Karten und Chips, Gläser mit Cola oder Bier. Die Dealer drehen die Karten, die Blinds steigen alle 20 Minuten. „Sonst werden wir ja nie fertig“, sagt Welter und lacht. Gegen Mitternacht ist nämlich immer Schluss.
Mathematik und Psychologie

Neben ihm sitzt Christiane Kesch, 51, Welters Ehefrau. Sie erzählt, wie sie durch Zufall zum Club kam: „Mein Exfreund hatte ein Café und wir wollten dort Poker-Turniere organisieren. Da habe ich den Club kennengelernt und zufälligerweise auch meinen heutigen Mann. Zehn Jahre sind wir jetzt schon verheiratet.“ Für sie ist Poker ein Zusammenspiel aus Kalkül und Menschenkenntnis. „Ich finde das Spiel extrem faszinierend. Es hat viel mit Mathematik zu tun, mit Psychologie, mit sozialen Kompetenzen. Das ist eine Kombination, die mich immer wieder packt.“
Sie ist eine von wenigen Frauen in dem Bereich – in Luxemburg würden schätzungsweise fünf bis sieben regelmäßig spielen. Doch als Frau in einer von Männern dominierten Szene fühlt sie sich geschützt und ernst genommen. „Es ist nicht so, dass die Frauen hier dominiert werden. Im Gegenteil: Wenn eine Frau mitspielt, wird sie ernst genommen. Ich habe noch nie eine schlechte Erfahrung gemacht.“
Kesch begann einst zufällig mit Poker, in einem Café, „mit viel zu vielen Leuten an einem Tisch“. Was als Spielerei begann, wurde zu einer Leidenschaft. „Es ist ein Sport, bei dem man nie auslernt. Wer nicht bereit ist, sich ständig weiterzuentwickeln, sollte es lieber lassen.“

Ein paar Tische weiter sitzt Brittany, 21, aus Arlon. Eine der Jüngsten im Feld, selbstbewusst, konzentriert, ruhig. „Ich habe mit 18 im Internet angefangen, hier in Luxemburg“, erzählt sie. In Belgien dürfe man erst mit 21 spielen, deshalb habe sie hier früher begonnen. Die Turniere entdeckte sie über Facebook: „Die Atmosphäre hier ist großartig. Nicht wie in den Casinos. Dort sind die Leute viel zu ernst. Hier ist es locker, fast familiär.“ Auf die Frage, wie viel Glück beim Poker eine Rolle spielt, antwortet sie ohne zu zögern: „40 Prozent Glück, 60 Prozent Denken. Man muss nachdenken, beobachten, rechnen. Es ist eine Leidenschaft.“
Dass sie als junge Frau auffällt, weiß sie. „Die Leute spielen manchmal anders, nur weil ich eine Frau bin. Aber ich wurde noch nie respektlos behandelt – nicht hier, nicht in Luxemburg.“
Der „Kings & Queens Pokerclub“ ist auf jeden Fall kein exklusiver Zirkel, sondern ein Ort, an dem ein Nischensport lebt. Gespielt wird jedes Wochenende von September bis Juni. Viele kennen sich seit Jahren, andere kommen zum ersten Mal. Neue Gesichter sind ausdrücklich willkommen, eine Mitgliedschaft ist keine Voraussetzung – wer mitspielen möchte, meldet sich einfach über WhatsApp an.
„Poker lehrt dich, dich selbst besser zu verstehen“, sagt Christiane Kesch, kurz bevor sie sich wieder an den Tisch setzt. „Es geht um mehr als nur Karten. Es geht um Geduld, Analyse, Vertrauen – und vielleicht ein bisschen Glück.“
De Maart












Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können