Die Mitglieder der Regierung haben regelmäßig Unterredungen mit Vertretern von Wirtschaftsverbänden, Unternehmern, Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften, Gemeinden und anderen Interessenvereinigungen. Den Lobbyisten dienen diese Treffen dazu, Einfluss auf die Arbeit der Regierung zu nehmen – zum Beispiel auf die Ausarbeitung von Gesetzentwürfen oder die Reform von bereits bestehenden Gesetzen und Regelungen. Die jeweiligen Minister können sich bei diesen Unterredungen ein Bild von den Problemen machen, denen die „Leit vum Terrain“ im Alltag begegnen. Sie können sich von den Lobbyisten beeinflussen, deren Wünsche und Vorstellungen in ihre Texte einfließen, sich von ihnen Gesetzentwürfe redigieren lassen.
Lange Zeit fanden diese Treffen von der Öffentlichkeit unbemerkt statt. Auf Drängen der Staatengruppe gegen Korruption des Europarats (Greco) führte die DP-LSAP-Grüne-Regierung vor drei Jahren einen Deontologiekodex für Minister ein. Seitdem müssen sie ihre Vermögens- und Verschuldungssituation und finanzielle Beteiligungen in Form von Aktien oder Wertpapieren offenlegen, Fortbildungskurse in Ethik und Integrität absolvieren. Der Deontologiekodex beinhaltet auch ein Lobbyregister, in das sie Details zu ihren Unterredungen eintragen müssen: die Namen der Lobbyisten, die Firma oder Vereinigung, der sie angehören, Datum und Ort der Zusammenkunft, die besprochenen Themen sowie die Gesetze und Entwürfe, über die geredet wurde. Für Geschenke, die sie von Lobbyisten erhalten, gibt es ein separates Verzeichnis. Ein „unabhängiges“ Deontologie-Comité soll die Einhaltung dieser Regeln kontrollieren.
Im „Land der kurzen Wege“, wo jeder jeden kennt, stieß der Deontologiekodex lange Zeit auf Widerstand. Die Empfehlungen des Greco wurden schließlich minimal umgesetzt. Während die Abgeordnetenkammer ihr Transparenzregister gerade verbessert und automatisiert, nimmt die Regierung ihres nicht ganz so ernst, wie sich vergangene Woche herausstellte. Die letzten Einträge von DP-Familienminister Max Hahn, CSV-Finanzminister Gilles Roth, CSV-Gesundheitsministerin Martine Deprez, CSV-Innenminister Léon Gloden, DP-Verkehrsministerin Yuriko Backes und DP-Digitalisierungs- und Hochschulministerin Stéphanie Obertin stammen aus dem Mai oder Juni. Laut Deontologiekodex sind die Minister dazu verpflichtet, spätestens sechs Wochen nach den Treffen die Angaben in einer Liste auf der Internetseite der Regierung zu veröffentlichen.
Comité
Dieser Liste zufolge hatte CSV-Staatsminister Luc Frieden seine letzte Unterredung am 10. Januar, als er mehrere Nichtregierungsorganisationen empfing, um über das ASBL-Gesetz und das „plaidoyer politique“ zu diskutieren. Justizministerin Elisabeth Margue traf sich zuletzt am 2. Dezember 2024 mit dem „Ordre des avocats du Barreau de Luxembourg“: Viele Themen standen auf der Tagesordnung, unter anderem kündigte der Barreau an, „qu’il voudrait prochainement nous soumettre une proposition de texte visant à modifier ponctuellement les dispositions applicables aux insolvabilités des études d’avocats alors que leur nombre est croissant“. Als delegierte Medienministerin empfing Elisabeth Margue das letzte Mal am 22. Januar Vertreter von Amazon Europe, um sich deren Anliegen zur europäischen KI-Verordnung anzuhören.
Verteidigungsministerin Yuriko Backes und Wirtschaftsminister Lex Delles trafen sich das letzte Mal am 27. März mit Vertretern der SES, von Unternehmen und der Handelskammer, um über die Gründung von Lux-Defence und die Reform des Waffengesetzes zu beraten. Als Diversitätsministerin traf Yuriko Backes am 22. Juli 2024 Mitglieder von OGBL-Equality, um über Sexismus, Gleichheit am Arbeitsplatz und die Zusammensetzung des „Conseil supérieur à l’égalité des genres“ zu reden. „Ce dialogue sera continué“, heißt es in dem Eintrag von vor fast anderthalb Jahren. DP-Wohnungsbauminister Claude Meisch hatte seit 27. März kein Treffen mehr, CSV-Landwirtschaftsministerin Martine Hansen und CSV-Umweltminister Serge Wilmes hatten ihr letztes (gemeinsam) am 13. November 2024 mit Architekten, Ingenieuren und Baugewerbe über Solaranlagen und Windräder. Nur vier Unterredungen insgesamt hatte der delegierte Tourismus- und Kulturminister Eric Thill (DP) eingetragen, CSV-Arbeits- und Sportminister Georges Mischo und DP-Außenminister Xavier Bettel sogar nur eine.
Ob die Einträge der Regierungsmitglieder korrekt sind – ob sie tatsächlich seit Monaten keine Treffen mit Lobbyisten mehr hatten oder ob sie sie nur nicht eingetragen haben –, lässt sich schwer überprüfen. Diese Aufgabe fällt eigentlich dem „Comité de déontologie“ zu, das aber nur eingeschränkte Befugnisse hat und bei Verstößen nicht über Sanktionsmöglichkeiten verfügt. Es besteht aus vier „Rentnern“, von denen lediglich die Hälfte politisch unabhängig ist: Neben Lotty Prussen, frühere Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs, und Georges Ravarani, ehemaliger Vizepräsident am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, sind der einstige CSV-Wohnungsbauminister Marco Schank und die DP-Politikerin und frühere Staatsratspräsidentin Agny Durdu in dem Gremium vertreten. Seinen offiziellen Sitz hat es im Staatsministerium, dem zugleich die Veröffentlichung des Lobbyregisters unterliegt.
Fehler
Auf Tageblatt-Nachfrage antwortete das „Comité de déontologie“ vergangene Woche, es habe schon vor fast zwei Monaten (am 8. September) festgestellt, dass das Register nicht aktuell sei und ihr Sekretariat damit beauftragt, bei den für die Aktualisierung zuständigen Beamten nachzufragen, was die Gründe dafür seien. Daraufhin sei das Comité informiert worden, dass das Verzeichnis à jour gebracht worden sei. In einem Brief an Premier Luc Frieden habe das Comité darum gebeten, dass der Regierungschef seine Minister daran erinnert, das Lobbyregister und das mit den Geschenken, die sie von Lobbyisten erhalten, nach den vorgeschriebenen Fristen zu aktualisieren.
Ernst scheint die Regierung die Forderungen und Empfehlungen des „Comité de déontologie“ nicht genommen zu haben. Nach unserer Anfrage hat das Comité vergangene Woche beim Generalsekretär der Regierung, Michel Scholer, nachgehakt. Dieser führt die Verspätungen einerseits auf Schwierigkeiten zurück, die dadurch entstehen, dass die Beamten, die für die Einträge verantwortlich sind, häufig nicht bei den Treffen zwischen Ministern und Lobbyisten dabei seien und die Details erst nachfragen müssten. Andererseits habe es digitale Übermittlungsprobleme gegeben, die der Generalsekretär nun mit dem Zentrum für Informationstechnologien des Staates beheben will. Auch bei der Verarbeitung der Unterredungen sei es zu Problemen gekommen, weil bestimmte Einträge Fehler beinhalteten oder unvollständig seien, teilte das Comité dem Tageblatt mit.
Besonders schwerwiegend waren diese Probleme offenbar beim Arbeitsministerium. Bis vergangene Woche war der letzte und einzige Eintrag von Georges Mischo auf den 31. Januar 2024 datiert. Nachdem infolge unserer Anfrage das Register Mitte vergangener Woche aktualisiert wurde, verfügt Mischo über sieben Einträge, der letzte ist vom 30. Juni 2025. Das Arbeitsministerium ließ auf Nachfrage wissen, beim Staatsministerium sei „do onwëssentlech eng erreur de manipulation geschitt“. Das habe dazu geführt, dass die Deklarationen des Arbeitsministeriums beim Eintragen in die dafür zuständige Plattform hängen geblieben seien. Das Arbeitsministerium selbst habe keinen Fehler gemacht, schreibt es in seiner Antwort. Als Sportminister hat Mischo laut Register keinen einzigen Lobbyisten begegnet.
„Attraktivitéit“
Auch Eric Thill beteuert, seine beiden zusätzlichen Unterredungen, die er Anfang dieses Jahres mit der „Association luxembourgeoise des techniciens de l’audiovisuel“ und der „Union luxembourgeoise de la production audiovisuelle“ (ULPA) hatte, zusätzlich zu seinen zwei Unterredungen als delegierter Tourismusminister und seinen zwei als Kulturminister (beide ebenfalls mit der ULPA) im vergangenen Jahr, rechtzeitig beim Staatsministerium eingereicht zu haben. Insgesamt fällt auf, dass Thill und Mischo in den vergangenen beiden Jahren – zum Teil weit – weniger Lobbyisten getroffen haben als die meisten anderen Minister. Was beim Arbeitsminister vielleicht daran liegt, dass Unterredungen in Tripartite-Gremien nicht eingetragen werden müssen.
Noch weniger hat nur der Vizepremier, Außen- und Außenhandelsminister Xavier Bettel. Sein einziges im Lobbyverzeichnis vermerkte Treffen fand am 25. April 2024 mit Vertretern von DuPont de Nemours in deren Werk in Wilmington im US-Bundesstaat Delaware statt. Das multinationale Chemieunternehmen sorgte sich um das von der EU schrittweise geplante Verbot der umweltschädlichen Ewigkeitschemikalien Pfas, das es in seinen Tyvek-Anzügen verarbeitet, wie es dem Minister laut Register berichtete. Der Woxx sagte ein Sprecher des Außenministeriums im Juli, warum ausgerechnet dieses Treffen im Transparenzregister gelandet sei, könne er nicht sagen. Auf Tageblatt-Nachfrage wies das Außenministerium – genau wie das „Comité de déontologie“ – vergangene Woche darauf hin, dass nur Unterredungen eingetragen werden müssen, in denen Lobbyisten darauf abzielten, „Einfluss auf die Gesetzgebungs- oder Regulierungsaktivitäten der Regierung zu nehmen“. Kontrollieren kann das Comité jedoch nicht, worüber tatsächlich bei einem Treffen geredet wird. „An der Reegel sinn dem Baussenhandelsminister seng Entrevuen mat Entreprisen dozou ausgeriicht, éischt Kontakter ze knäppen an en initialen Austausch ze féieren, mat dem Zil, d’Attraktivitéit vu Lëtzebuerg als Wirtschaftsstanduert ze stäerken an nei Investitiounen unzezéien“, begründete Chefdiplomat Bettel seine seltenen Einträge im Lobby-Verzeichnis.
De Maart

"Die Empfehlungen des Greco wurden schließlich minimal umgesetzt."
Stimmt genau u.dies im Zuge des
QUATRIÈME CYCLE D’EVALUATION
"Prévention de la corruption des parlementaires,
des juges et des procureurs" parallel zu der misslungenen Verfassungsrevision.
Luxmann/
Auch dies sollte Bestandteil der obligaten transparenten Veroeffentlichung sein. Andernfalls bewegen sich diese Leute im strafrechtlichen Bereich, beispielsweise in Form der Tatbestaende der Bestechung, Einflussanahme etc.
"Die CSV-DP-Regierung nimmt es mit der Deontolgie nicht ganz so ernst."
Wie ist das eigentlich mit den restlichen Volksvetretern, auch in den Gemeinden?
Wenn man die Gebaren einiger Oberhäupter verfolgt wäre ein solches Handbuch nicht sooo falsch.
Ich denke da sollte man nicht naiv sein.
Will ein unternehmer oder promoteur etwas fuer ihn wichtiges mit einem minister besprechen laedt er ihn bei sich zuhause zum essen ein und das wird in keinem register erscheinen.
Das Lobbyregister ist also wohl eine whichfuff thinking Sache, um den Leuten Sand in die Augen zu streuen...