2. November 2025 - 17.26 Uhr
Akt.: 2. November 2025 - 17.27 Uhr
Novi SadProteste halten an: Serbiens Präsident Vucic droht ein ungemütlicher Winter
Die Opfer der Trümmerkatastrophe von Novi Sad bleiben in Serbien unvergessen. Von Booten auf den Fluten der Donau schwebten zum Ende des langen Gedenktages 16 glimmende Himmelslaternen in das Abenddunkel. Auf den hell erleuchteten Mauern der Petrovaradin-Festung enthüllten Studenten am Samstagabend gleichzeitig ein meterlanges Transparent mit einem Versprechen: „Wir sehen uns morgen und an jedem anderen Tag, solange es keine Gerechtigkeit gibt.“
Zehntausende wollten den Toten ihre Ehre erweisen. Trillerpfeifen und Sprechchöre gegen Serbiens restlos diskreditierte Machthaber waren bei der größten Demonstration in der bewegten Geschichte der Donaustadt zwar nicht zu vernehmen. Doch nach dem stillen Gedenken an die 16 Menschen, die vor Jahresfrist unter den tonnenschweren Trümmern des eingestürzten Vordachs im erst kurz zuvor renovierten Bahnhof ihr Leben verloren, kann von Friedhofsruhe in dem aufgewühlten Land keine Rede sein.
Landesweite Mobilisierung
Das Totengedenken hat erneut gezeigt, dass der scheinbar allgewaltige Präsident Aleksandar Vucic die durch die vermeidbare Katastrophe ausgelöste Protestwelle gegen die Korruption weder aussitzen noch befrieden kann. Erneut haben Studenten mit tagelangen Sternmärschen das ganze Land mobilisiert.
Vergeblich hatten Vucic und sein Gefolge die Studenten vorab erneut als „Terroristen“ oder „Faschisten“ geschmäht, ihnen heidnische „Satansriten“ oder gar blutige Anschlagspläne unterstellt. Doch auch von den wegen angeblicher Bombendrohungen erneut stillgelegten Zug- und Busverbindungen sowie plötzlich auftauchenden Baustellenhindernissen auf den Zufahrtsstraßen nach Novi Sad ließen sich die Gedenkdemonstranten nicht schrecken.
Doch das Zögern des Präsidenten, vorgezogene Parlamentswahlen auszurufen, scheint Umfragen zu bestätigen, denen zufolge seine jahrelang dominierende SNS die Regierungsmehrheit und er selbst das Vertrauen seiner Landsleute verloren hat.
„Eskalation der Repression“
Bereits im Oktober warf eine ungewohnt harte Resolution des Europaparlaments Serbiens Führung vor, für die „Eskalation der Repression“ und die „Normalisierung“ politischer Gewalt verantwortlich zu sein. Am Dienstag könnte eine negative Bewertung von Serbiens EU-Aussichten im jährlichen „Fortschrittsbericht“ der EU-Kommission folgen. Wirtschaftlich machen dem angeschlagenen Land nicht nur die US-Sanktionen gegen den serbisch-russisch Mineralölkonzern NIS, sondern auch die rückläufigen ausländischen Direktinvestitionen, das rückläufige Wachstum und hohe Inflation zu schaffen.
Doch vor allem innenpolitisch droht Vucic ein ungemütlicher Winter. Vor dem Parlament hat Dijana Hrka, die Mutter eines der 16 Todesopfer, am Sonntag einen Hungerstreik begonnen. Gleichzeitig haben Bürger in Novi Sad zu ihrer Unterstützung eine neue Sternwanderung nach Belgrad angekündigt. „Mama gegen die Maschinerie“, so die T-Shirt-Botschaft der streitbaren Opfermutter. Sie wolle ihren Kampf für Gerechtigkeit bis zum Ende führen, so Hrka: „Ich will wissen, wer mein Kind und die anderen Menschen getötet hat.“
De Maart
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