Dienstag28. Oktober 2025

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GuamPentagon investiert Milliarden in die strategische Insel

Guam / Pentagon investiert Milliarden in die strategische Insel

Im Schatten wachsender Spannungen mit China rüstet das Pentagon auf: Die Insel Guam soll zum militärischen Bollwerk der USA im Westpazifik werden – mit einem milliardenschweren Schutzschild gegen chinesische Raketenangriffe.

Nur wenige Meilen von Touristenhotels und tropischen Stränden entfernt vollzieht sich auf Guam eine militärische Transformation historischen Ausmaßes. Das Pentagon verwandelt das US-Territorium im westlichen Pazifik in einen hochgerüsteten Verteidigungsposten gegen China – und die Dimensionen des Projekts verdeutlichen, wie ernst Washington die Bedrohungslage einschätzt.

Auf einem Army-Stützpunkt bei Dededo testen US-Truppen derzeit ein fortschrittliches 360-Grad-Radar, berichtet das Wall Street Journal. Es ist nur ein Baustein eines geplanten Acht-Milliarden-Dollar-Systems zum Schutz der Insel vor chinesischen Raketenangriffen. Der entstehende Verteidigungsschild markiert eine fundamentale strategische Neuausrichtung: Das Pentagon macht Guam, das näher an Peking liegt als an Honolulu, zum Anker seiner Pazifikstrategie.

„Guam war zwar schon in der Zeit nach dem Kalten Krieg ein zentraler US-Stützpunkt im Pazifik“, schreibt Michael Walsh vom Foreign Policy Research Institute in einer E-Mail. Doch der wieder aufgeflammte globale Machtwettbewerb, angeführt von China und Russland, erhöhe die Risiken bewaffneter Aggression in der gesamten Region drastisch. Die Dringlichkeit dieser Maßnahmen wird durch Chinas jüngste Machtdemonstration unterstrichen. Bei einer Militärparade im September präsentierte Peking eine Waffe, die chinesische Medien als „Guam-Killer“ bezeichneten. Die ballistische Mittelstreckenrakete DF-26, die sowohl konventionelle als auch nukleare Sprengköpfe tragen kann, bringt Guam bereits heute in Reichweite. Pentagon-Beamte bestätigten laut dem Wall Street Journal, dass Chinas Raketenkräfte rasant voranschreiten.

Frontlinie eines möglichen Taiwan-Konflikts

Die etwa 3.000 Kilometer östlich von China gelegene Insel beherbergt bereits heute ein großes US-Militärkontingent und gilt als strategischer Knotenpunkt im Pazifik. Experten sind sich einig: Sollte China Taiwan annektieren – ein erklärtes Ziel von Präsident Xi Jinping – und würde daraus ein größerer Konflikt resultieren, so würde Guam zu dessen Frontlinie. „Guam verankert Amerikas Fähigkeit zu verteidigen, Macht zu projizieren, Allianzen und Partnerschaften aufrechtzuerhalten und vor allem Aggression abzuschrecken“, erklärte Admiral Samuel Paparo, Chef des US-Indo-Pacific Command, gegenüber der US-Zeitung. Gleichzeitig macht Walsh deutlich, dass der strategische Fokus auf Guam Ausdruck eines umfassenderen geopolitischen Umbruchs sei: „Die amerikanische Hegemonie wird heute von mächtigen Rivalen herausgefordert, die die Weltordnung in ein multipolares System umwandeln wollen.“

Guam verankert Amerikas Fähigkeit zu verteidigen, Macht zu projizieren, Allianzen und Partnerschaften aufrechtzuerhalten und vor allem Aggression abzuschrecken

Samuel Paparo, Chef des US-Indo-Pacific Command

Der taiwanische Außenminister Lin Chia-lung konkretisierte im Oktober die strategische Bedeutung: Die Verstärkung der Guam-Basis ziele nicht nur darauf ab, Peking von militärischen Aktionen gegen Taiwan abzuschrecken, sondern sei auch eng mit dem Verteidigungsnetzwerk der ersten Inselkette verbunden. Taiwan werde „mit gleichgesinnten Ländern zusammenarbeiten, um gemeinsam Frieden und Stabilität in der Region zu wahren“, zitierte ihn das taiwanische Nachrichtenmedium RTI. Das Herzstück der Verteidigungsstrategie bildet ein Raketenabwehrsystem. Dieses soll einen 360-Grad-Schutz bieten. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums plant das US-Militär die Installation von insgesamt 16 Raketenabwehrstandorten rund um die Insel. Geplant ist die Verteilung von 36 Trägerraketen und 14 Radargeräten auf die 16 Standorte. Ab 2031 sollen dafür laut Beschluss etwa 2.300 ständige Militär- und Zivilkräfte sowie deren Angehörige auf Guam eintreffen.

Erster Probeeinsatz erfolgreich

Ende September vergab das Pentagon zudem zusätzliche 44 Millionen Dollar an Lockheed Martin, um das bestehende Aegis-Raketenabwehrsystem anzupassen, wie die lokale Zeitung Pacific Daily News berichtete. Der Gesamtvertragswert beläuft sich damit auf 1,522 Milliarden Dollar. Die Mittel fließen in Softwareentwicklung, Integrationstests und Upgrades, die fortgeschrittene ballistische und Hyperschallbedrohungen bekämpfen sollen. Im Dezember 2024 demonstrierte das System bereits seine Funktionsfähigkeit: Bei der Flight Experiment Mission-02 fing es erfolgreich ein ballistisches Raketenziel mittlerer Reichweite über dem Ozean ab.

Parallel zum Raketenabwehrsystem entsteht eine umfassende militärische Infrastruktur. Die Pacific Deterrence Initiative umfasst Bauaufträge im Gesamtwert von 15 Milliarden Dollar, die hauptsächlich Guam betreffen. Kernstück ist Camp Blaz, eine neue Marinebasis für 5.000 Soldaten. Hinzu kommen ein U-Boot-Wartungszentrum und die Aufrüstung der Andersen Air Force Base für Langstreckenbomber, die im Taiwan-Konflikt zum Einsatz kommen könnten.

Neue Rolle für Tinian

Besonders interessant: Neben Guam wird auch die Insel Tinian, Teil des US-Außengebiets der Nördlichen Marianen und Heimat von rund 2.000 Menschen, mit fast 800 Millionen US-Dollar umfassend militärisch aufgerüstet. Die Reaktivierung eines alten Flugplatzes sowie weitere militärische Modernisierungen markieren die erste Phase eines Projekts, das nicht nur die Infrastruktur der Insel transformiert, sondern sie auch in eine geopolitische Schlüsselrolle katapultiert.

Tinians Geschichte ist untrennbar mit dem militärischen Erbe der Vereinigten Staaten verbunden. Die Insel sei „seit langem von strategischer Bedeutung für die Vereinigten Staaten“, sagt Walsh. „Tinian war einst der größte Flugplatz der Pazifikinseln.“

Während des Zweiten Weltkrieges nutzte die US-Armee die Insel als Basis für B-29-Bomber, die unter anderem bei den verheerenden Angriffen auf Hiroshima und Nagasaki eingesetzt wurden. Von hier startete am 6. August 1945 die „Enola Gay“ mit der ersten Atombombe an Bord. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges verfielen die militärischen Anlagen auf Tinian jahrzehntelang – doch nun kehrt auch diese Insel in den strategischen Fokus zurück.