Donnerstag23. Oktober 2025

Demaart De Maart

Alain spannt den BogenExtraklasse mit den Arts Florissants und den Solistes Européens Luxembourg und CD vom Duo Natalia

Alain spannt den Bogen / Extraklasse mit den Arts Florissants und den Solistes Européens Luxembourg und CD vom Duo Natalia
Verpassen dem Barock neuen Elan: das Ensemble Les Arts Florissants  Foto: Alfonso Salgueiro

Verjüngungskur für den Barock, ein überzeugender Benjamin Kruithof und gelungene Interpretationen von Edvard Grieg – das gibt’s Neues aus der Philharmonie und der Welt der Klassik. 

 
   

Wenn es darum geht, sogenannte Alte Musik und Barockrepertoire frisch und aktuell auf die Bühne der Philharmonie zu zaubern, dann stehen Jordi Savall und, wie am vergangenen Sonntag, William Christie wohl an erster Stelle. Mit neuen Ideen und Konzepten, gepaart mit exzellenten Interpretationen, erlebt diese Musik eine regelrechte Verjüngungskur.

Französisches Barock mit frischem Elan

William Christie und sein Ensemble Les Arts Florissants arbeiten nicht nur mit hervorragenden jungen Sängern zusammen, sondern ihre Produktionen werden zudem halbszenisch und mit Tanzchoreografien dargeboten, sodass für das Publikum neben dem akustischen Genuss auch noch ein optischer hinzukommt. Zwei Opern von Marc-Antoine Charpentier standen dieses Mal im Mittelpunkt, nämlich „Les Arts Florissants“ und „La Descente d’Orphée aux Enfers“. In der ersten geht es um den Konflikt zwischen Frieden und Zwietracht, die zweite folgt der traurigen Liebesgeschichte der griechischen Mythologie.

Das Ensemble Les Arts Florissants in der Philharmonie
Das Ensemble Les Arts Florissants in der Philharmonie Foto: Alfonso Salgueiro

In der Aufführung beider Werke in der Philharmonie agiert das Musikensemble im Hintergrund und gibt die Bühne frei für die stimmigen, halbszenischen Inszenierungen von Stéphane Facco und Marie Lambert-Le Bihan mit den Choreografien von Martin Chaix. Das alles passt wunderbar zusammen. Voller Fantasie, präzise und geschmackvoll werden beide Werke in Szene gesetzt, wobei Handlung, Gesang, Tanz und Musik nahtlos ineinander übergehen. Sämtliche Sänger harmonisieren untereinander und bieten französischen Barockgesang auf höchstem Niveau. Auch die vier Tänzer und Tänzerinnen fügen sich perfekt in das gesangs- und spielfreudige Ensemble ein. William Christie leitet Les Arts Florissants vom Cembalo beziehungsweise der Orgel aus; unaufdringlich, dynamisch und stilvoll, so wie man es gewohnt ist. Wie schon in den vergangenen Jahren sind auch diese beiden Charpentier-Produktionen als Highlight der Saison zu bezeichnen.

Lust auf Schottland

Und klassisch-schön ging es dann am folgenden Abend weiter. Die Solistes Européens Luxembourg spielten unter der Leitung von Christoph König zwei besonders beliebte Werke. Camille Saint-Saëns’ 1. Konzert für Cello und Orchester ist ein Paradestück für jeden Cellisten. Somit auch für „unseren Rising Star“ Benjamin Kruithof. Und anschließend die 3. Symphonie „Schottische“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy, die sowieso zu den großen Symphonien des 19. Jahrhunderts gehört. Als Einstieg erklang die Mooswald-Suite von Christoph Mirkes, ein Auftragswerk des luxemburgischen Kulturministeriums.

Ein Cellist, der einem den Atem raubt: Benjamin Kruithof
Ein Cellist, der einem den Atem raubt: Benjamin Kruithof Foto: Tetiana Popyk

Die sechsteilige Suite, musikalisch irgendwie angesiedelt zwischen der musikalischen Berieselung der Rainforest-Cafes und Toru Takemitsus Music of Trees, besitzt einen eher esoterisch-meditativen Charakter und beschwört mit schweben Klängen, Vogelgezwitscher, Regentropfen und knarrenden Ästen einen Spaziergang durch einen Mooswald. Wenn auch nicht sehr originell und zum Teil recht klischeehaft in Szene gesetzt, so beeindruckt Mirkes’ Werk durch handwerkliches Können und eine hervorragende Beherrschung des Orchesterapparates und seiner Stimmen. Hinzu kommt eine präzis eingesetzte Räumlichkeit, die der Musik die notwendige Tiefe verleiht. Der nur höfliche Applaus des Publikums entsprach der Wirkung der Musik, die letztendlich nur um sich selbst kreiste. Die SEL aber hatten das Werk sehr gut einstudiert und beeindruckten mit einem wunderschönen und äußerst präzisen Spiel. Spieltechnisch hochkarätig ging es dann weiter mit Saint-Saëns 1. Cellokonzert, das vor allem den Solisten Benjamin Kruithof in den Mittelpunkt stellte.

Es ist schon atemberaubend zu hören, welches großartige Niveau dieser Cellist besitzt. Wunderbare Phrasierungen, präzise, lebendige Dialoge mit seinen Orchesterkollegen, große, aber immer wohldosierte Emotionen und spieltechnische Exzellenz machten Kruithofs Interpretation zu einem Erlebnis. Auf der anderen Seite animierte Christoph König sein Orchester zu einem sehr dynamischen und differenzierten Spiel, sodass man am Ende eine in allen Punkten mustergültige Aufführung dieses Konzerts erleben konnte.

Regelrecht Lust auf Schottland machte anschließend die 3. Symphonie von Mendelssohn-Bartholdy, die Christoph König sehr stimmungsvoll und akzentreich dirigierte. Die Orchesterbalance stimmte hundertprozentig, die Streicher spielten mit betörender Schönheit und alle Holzblasinstrumente ließen einen die wunderbaren Klagfarben dieser Symphonie hautnah miterleben. Das Blech, dezent aber voll, rundete die exzellente Orchesterleistung auf allerhöchstem Niveau ab. Ich muss zugeben, ich habe diese Symphonie selten im Konzert so schön, stimmungsvoll und technisch brillant gehört wie an diesem Abend. Das war große Interpretations- und Spielkunst.

Griegs Violinsonaten exzellent interpretiert

Abgesehen von der 1993 entstandenen CD-Einspielung von Augustin Dumay und Maria Joao Pires auf Deutsche Grammophon gibt es keine nennenswerte Gesamtaufnahme der 3 Violinsonaten von Edvard Grieg auf dem Plattenmarkt. Umso willkommener ist dieses neue Album des Duo Natalia aus Luxemburg von Ars Produktion, das sich interpretatorisch in Sachen Farben, Agogik und Ausdruck stark von der Dumay/Pires-ufnahme unterscheidet und somit neue Aspekte der Interpretation zeigt.

Das Cover zur CD „Grieg Violin Sonatas“
Das Cover zur CD „Grieg Violin Sonatas“ Quelle: highresaudio.com/Copyright: Ars Produktion

Natalia van der Mersch, Violine, und Natalia Kovalzon, Klavier, sind hochkarätige Musikerinnen, das haben sie bereits in ihren vorherigen Alben von u.a. Brahms und Kreisler bewiesen. Somit nimmt auch diese Grieg-Scheibe von Anfang an gefangen. Den beiden Künstlerinnen gelingt es in jedem Satz, Griegs Melancholie mit wunderbarer Virtuosität und einer immer lebendigen Interpretation zu verbinden. Natürlich kommen die kargen Farben Nordeuropas nicht zu kurz, auch hier hat sich das Duo Natalia viel Mühe gegeben, ein authentisches Klangbild Norwegens zu entwerfen, das trotz aller Kühle und Kargheit immer Wärme und Farbenreichtum vermittelt. Es ist Musik, die aus dem Herzen kommt und die den Hörer direkt berührt.

Das Duo Natalia bleibt in seiner Interpretation demnach auch sehr direkt und unmittelbar. Hier werden keine Versuche gemacht, hier wird keine musikalische Analyse betrieben, sondern hier wird einfach nur musiziert. Immer wieder überrascht die spieltechnische Fertigkeit der beiden Musikerinnen und man spürt, dass es hier einen gemeinsamen Atem, ein gemeinsames Verständnis gibt, das man nicht in Worte zu fassen braucht. Kammermusik lebt von den gemeinsamen Schwingungen, im Falle solcher Duos muss das Binom exakt ausbalanciert sein, um der Musik gerecht zu werden.

Das ist hier der Fall, Violine und Klavier sind gleichwertige Partner, die jeweils einen großen Bogen von Anfang bis zu Schluss des Werkes spannen, sodass jede Sonate wie aus einem Guss wirkt. Transparent, emotional, berührend und technisch brillant: So soll Kammermusik sein. Nur das Klangbild der Aufnahme gefällt mir nicht so. Für meinen Geschmack ist es zu offen, zu raumbetont, hier hätte ich mir mehr Griffigkeit, Kontraste und Konturen gewünscht. Wer das Duo Natalia mit den Sonaten von Grieg und anderen Werken erleben will, der sei auf die Konzerte in der Philharmonie Luxemburg am 29. Oktober sowie in der Fondation Valentiny am 14. Dezember verwiesen.