19. Oktober 2025 - 18.22 Uhr
Kein Herzog mehr, nur noch ein PrinzKönig Charles III. degradiert seinen Bruder Andrew

Bei der Verabschiedung nach dem Trauergottesdienst für die mit 92 Jahren verstorbene Herzogin von Kent durchbrach Prinz Andrew die Phalanx der Geistlichen vor der Kathedrale von Westminster. Unverkennbar wollte er in der ersten Reihe stehen, gleich neben seinem älteren Bruder. Der König setzte sein nachdenkliches Gesicht auf und gab sich abwesend, woraufhin der Prinz sich ein neues Opfer suchte – seinen Neffen, den Thronfolger.
Da war der 65-Jährige aber an den Falschen geraten. Mit steinerner Miene nahm Prinz William die offenbar witzig gemeinten Konversationsversuche hin. Seine Körpersprache hätte klarer nicht sein können: Mit dir will ich nie wieder irgendetwas zu tun haben. Unübersehbar signalisierte der zukünftige König dem Störfaktor Andrew: Für dich gibt es in diesem Kreis keine Zukunft.
Das am Freitagabend vom Buckingham-Palast veröffentlichte Statement setzt Williams Körpersprache in Tatsachen um: Als Folge seiner Freundschaft mit dem notorischen Sexualverbrecher Jeffrey Epstein und dessen Beihelferin Ghislaine Maxwell muss Andrew seinen Titel als Herzog von York ebenso ruhen lassen wie die Mitgliedschaft im noblen Hosenbandorden und seine andere Ritterwürde. Allesamt waren ihm diese Ehren von seiner Mutter, der verstorbenen Queen, verliehen worden, die dem Lieblingssohn selten einen Wunsch abschlagen konnte. Ihm die Titel ganz abzuerkennen, hätte, jedenfalls im Fall der Herzogswürde, ein eigenes Gesetz erfordert. Damit wollte der König das Parlament nicht behelligen, heißt es im Palast. Oder lag es doch eher daran, dass dann weiterhin monatelang die schmutzige royale Wäsche gewaschen würde?
Der Titelentzug werde den Prinzen schwer treffen, orakelten die üblichen „royal watchers“ in den britischen Medien. Ob’s stimmt? Immerhin liegt die letzte Aberkennung der Herzogswürde mehr als 100 Jahre zurück. Damals ging es um einen Royal, der aufseiten des deutschen Kaiserreiches in den Ersten Weltkrieg gezogen war. Prinz jedenfalls darf Andrew als Sohn der Queen ebenso bleiben, wie seine beiden Töchter Beatrice und Eugenie weiterhin Prinzessinnen genannt werden müssen. Die entsprechenden obskuren Vorschriften wurden von Elizabeth II. erst 2012 erneuert und scheinen deshalb unantastbar zu sein, selbst in einem so eklatanten Fall wie Andrew.
Kein Dank, keine Entschuldigung
Unappetitlich schien zuletzt alles, was den Königsbruder betraf. Dass Charles III. ihm die Freundlichkeit gewährte, die kurze Erklärung am Freitag im eigenen Namen abzugeben, anstatt den Bruder öffentlich zu demütigen, nutzte Andrew nicht etwa zu einem Dank beim König und einer Entschuldigung bei seinen Opfern. Vielmehr teilte der royale Pensionist den Briten mit, er habe „wie immer meine Pflicht gegenüber der Familie und dem Land an die erste Stelle“ gestellt. Und dann der übliche Satz: „Ich bestreite energisch die Anschuldigungen gegen mich.“
Das bezieht sich auf die immer neuen Gerichtsdokumente aus den USA. Ihnen zufolge hatte sich der als „randy Andy“ (geiler Andy) bekannte Prinz um die Jahrhundertwende unter Epsteins und Maxwells Ägide mit Minderjährigen eingelassen. Das Zivilverfahren eines der Opfer, der damals 17-jährigen Virginia Giuffre, konnte der Prinz nur durch einen Vergleich und Zahlung von zwölf Millionen Dollar beilegen. Als gänzlich Unschuldiger, versteht sich.
Giuffre nahm sich im Frühjahr das Leben. Posthum aber erscheinen diese Woche ihre Memoiren, in denen detailliert ihre Anschuldigungen gegen den Prinzen aufgeblättert werden. „Du wirst heute einen Prinzen treffen“, habe Maxwell ihr eines Tages im März 2001 gesagt und ihr allerlei Kleidung für das abendliche Stelldichein mit Andrew gekauft. Epstein höchstselbst habe das Foto gemacht, dessen Authentizität Andrew später hartnäckig bestritt, allen Expertisen zum Trotz: Mit freundlichem Lächeln posieren Andrew, Giuffre und Maxwell für den Schnappschuss, auf dem die 17-Jährige bestand, denn: „Meine Mutter hätte mir nie verziehen, wenn ich jemanden so berühmten treffe wie Andrew und nicht für ein Foto posiere.“
Gruppensex mit „ungefähr acht“ anderen Frauen
Giuffre bekam damals ihren Memoiren zufolge 15.000 Dollar von Epstein zugesteckt. Noch zweimal sei sie dem britischen Prinzen zu Diensten gewesen, unter anderem beim Gruppensex mit „ungefähr acht“ anderen jungen Frauen. Solchen Service habe Andrew „für sein Geburtsrecht gehalten“.
Wer barmherziger Stimmung ist, mag dies dem Degradierten zugute halten: Er wurde in ein unfassbar privilegiertes Leben in Reichtum geboren, besaß aber weder die Intelligenz noch Eigenschaften wie Charme oder gute Manieren, um seinen Weg zu machen. Stattdessen brachten ihn seine Geldgier und sein Sexualtrieb immer wieder in Situationen, mit denen er der Königsfamilie erheblichen Reputationsschaden zufügte. Zuletzt war dies im vergangenen Jahr der Fall: Da wurde bekannt, dass sich der wieder einmal klamme Andrew mit einem Spion des kommunistischen Regimes in China eingelassen hatte, von dem er sich Einkünfte versprach.
Von der verstorbenen Herzogin von Kent, hoch geschätzt als Musiklehrerin ebenso wie als Trösterin verzweifelter Tennisdamen, ist der Satz überliefert: „Ich liebe Regeln. Ich weiß immer gern, was von mir erwartet wird.“ Andrew hingegen beachtete keine Regeln und hielt sich qua Geburt für etwas Besseres. Nun hat ihn die Realität endgültig eingeholt.
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