Die meisten Kreditkarten haben als Bezahlungsmittel bei Serbiens größter Tankstellenkette bis auf Weiteres ausgedient. „Nur Bargeld akzeptiert“ künden die Hinweisschilder auf den Zapfsäulen vom neuen Zahl- und Sanktionszeitalter beim Raffinerie-Riesen „Nafta Industrija Srbija“ (NIS).
Als „in mehrfacher Hinsicht schlechte Nachricht für unser Land“ kündigte Serbiens allgewaltiger Präsident Aleksandar Vucic in einer TV-Erklärung mit Leichenbittermiene am Donnerstagmorgen das Inkrafttreten der mehrmals aufgeschobenen US-Sanktionen gegen den serbisch-russischen Konzern an.
Bislang wird Serbiens Staatsbudget zu gut einem Zehntel von den Abgaben der hochprofitablen NIS gespeckt. „Außerordentlich schwere“ Folgen seien nicht nur für den Konzern selbst, sondern in „jeglicher Hinsicht“ auch für das Land zu erwarten, klagt Vucic. Die Sanktionen würden „jeden Bürger treffen“: „Darum müssen wir nun vereint und einig sein, um die bestmögliche Lösung zu finden.“
Nur noch bis zum 1. November könnten die NIS-Raffinerien „ohne zusätzliche Öllieferungen“ wie bisher arbeiten, dank der vollen Tanks sei die Benzinversorgung an den NIS-Zapfsäulen aber hingegen „bis Neujahr gesichert“, so die präsidiale Botschaft: Es gebe kein Anlass zur Panik.
Biden hatte bereits gedroht
Es ist eine Energiekrise mit Ansage. Noch zur Amtszeit des scheidenden Ex-Präsidenten Joe Biden hatte Washington Mitte Januar die Sanktionen gegen NIS angekündigt, falls Belgrad nicht innerhalb von 45 Tagen die russische Mehrheitsbeteiligung an dem Konzern übernehme.
Die Hoffnung von Vucic, mit der Amtsübernahme von Donald Trump in Washington mehr Gehör für die Anliegen des zwischen West und Ost balancierenden EU-Anwärters zu finden, hat sich trotz des mehrmals von Belgrad erwirkten Sanktionaufschubs als vergeblich erwiesen: Sein Versuch des Aussitzens des NIS-Problems ist gescheitert.
Die „in enger Abstimmung“ mit Belgrad neun Monate lang verschobenen Sanktionen seien nicht gegen Serbien, sondern gegen Russland gerichtet, versichert das US-Außenministerium kühl in einer Erklärung. Diese seien für Belgrad eine „Gelegenheit, eine größere Energie-Unabhängigkeit zu erzielen“: „Wir unterstützen Serbien dabei, eine Lösung zur Kontrolle über seine Schlüsselressourcen zu finden.“
Zu einer Zwangsübernahme oder Nationalisierung der von zwei Gazprom-Töchtern seit 2008 gehaltenen Mehrheitsbeteiligung von mittlerweile 56,2 Prozent sieht sich Serbiens russophile Führung jedoch außerstande. Zwar hat Kroatiens Regierung bereits Interesse an einem NIS-Einstieg signalisiert und ist offensichtlich auch Ungarns staatlicher Ölriese Mol an der NIS interessiert. Doch bisher zeigt Moskau noch keinerlei Neigung, dem Bruderstaat entgegenzukommen – und mit dem freiwilligen Abschied von der NIS aus der Patsche zu helfen.
Von Moskau abhängig
Rat- und Tatenlosigkeit werfen Opposition und Analysten dem Präsidenten nicht nur in den letzten neun Monaten vor. Schon mit Beginn des Ukrainekriegs 2022 hätte Belgrad sich um den Aufbau eines alternativen Raffinerie-Unternehmen bemühen müssen, denn die jetzigen Sanktionsprobleme der NIS seien bereits damals „absehbar“ gewesen, so die Ökonomie-Professorin Danica Popovic.
Er wisse, dass „die Russen nicht schuld an den Sanktionen sind“, so der ratlos wirkende Vucic: Doch er werde „unsere russischen Freunde“ darum bitten, noch einmal deren Folgen zu überdenken, mit den USA zu sprechen und „gemeinsam mit uns eine Lösung zu finden“.
Erschwerend kommt bei Belgrads später Suche nach einer NIS-Lösung allerdings hinzu, dass Serbien auch bei der Gasversorgung wegen der halbherzigen Diversifizierungsanstrengungen noch stets zu 90 Prozent am russischen Tropf hängt. Moskau hat den bereits im Mai ausgelaufenen Liefervertrag noch immer nicht verlängert – möglicherweise auch, um sich bei den NIS-Sanktionen das loyale Wohlverhalten der serbischen Partner zu sichern. Er glaube daran, dass Moskau die kürzlichen Gas-Absprachen mit Putin erfüllen werde, verkündet Vucic eher kleinlaut.
De Maart
Wahrscheinlich geht es dem dealmaker Trump darum selbst in den anscheinend profitablen serbischen NIS konzern einzusteigen und Gazprom zu verdraengen.