Sonntag21. Dezember 2025

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Lust auf LesenWie Bertolt Brecht in Hollywood landete und warum er als Pop-Star durchgeht

Lust auf Lesen / Wie Bertolt Brecht in Hollywood landete und warum er als Pop-Star durchgeht
Ikone des deutschen Theaters und der Literatur: Bertolt Brecht bleibt Gegenstand von Publikationen Foto: Bundesarchiv, Bild 183-W0409-300 / Kolbe, Jörg / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 DE , via Wikimedia Commons

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Erinnerungen von Wegbegleitern und ein Perspektivwechsel: Das bieten die Publikationen „Fragen Sie mehr über Brecht“ und „Bert Brechts Weimarer Geschichten“. Lohnt sich die Lektüre? Zwei Kritiken geben Aufschluss. 

Aus einer anderen Zeit: „Fragen Sie mehr über Brecht“

Das Cover zum Buch
Das Cover zum Buch Quelle: Marsyas Verlag

Zwischen 1958 bis kurz vor seinem Tod 1962 führte der Komponist Hanns Eisler mit Hans Bunge – dem Dramaturgen, Publizisten und Leiter des Brecht-Archivs – eine Reihe von Gesprächen über Brecht. In der Folgezeit wurden diese in einer Reihe unterschiedlicher Formate und Zusammenstellungen immer wieder neu aufgelegt.

1970 erschienen dann zum ersten Mal die insgesamt 14, auf Tonband aufgenommenen Gespräche in chronologischer Reihenfolge und mit einem Nachwort von Stephan Hermlin versehen, beim Münchner Rogner und Bernhard Verlag unter dem Titel „Hans Bunge, Fragen Sie mehr über Brecht – Hanns Eisler im Gespräch“. Die Neuauflage unter leicht geändertem Titel („Fragen Sie mehr über Brecht. Gespräche mit Hans Bunge“) hat der österreichische Marsyas Verlag besorgt, und man muss heutzutage wohl schon den besonderen historischen Wert der Veröffentlichung hervorheben, da sie auf eine Zeit rekurriert, die außerhalb von Spezialisten-Kreisen kaum noch eine Rolle spielt – was wirklich schade ist.

Auf der Flucht

Berühmt wurde der 1898 in Österreich geborene Hanns Eisler vor allen Dingen wegen seiner jahrzehntelangen Zusammenarbeit mit dem Dramatiker und Lyriker Bertolt Brecht. Arnold Schönberg zählte ihn neben Alban Berg und Anton von Webern zu seinen besten Schülern. Eisler schrieb die Musik für den Film „Kuhle Wampe“ (für den Brecht das Drehbuch mit verfasste), seine Agitprop-Auftritte mit dem Sänger Ernst Busch lockten um 1930 zigtausende Arbeiterinnen und Arbeiter in Deutschland und in Österreich in die Konzertsäle und Open-Air-Veranstaltungen.

Eisler gehörte zu den ersten, die bei Hitlers Machtantritt Deutschland verlassen mussten. Er landete, wie Brecht und viele andere auch, in Hollywood, wo er tatsächlich als Filmkomponist Fuß fassen konnte. Nach dem Ende des II. Weltkrieges und mit dem Beginn des Kalten Krieges geriet er wie sein ebenfalls in die USA geflohener Bruder Gerhart in die Propaganda-Maschinerie der aufziehenden McCarthy-Ära. Zu kommunistischen Musterschurken aufgebauscht wollte man an den Eisler-Brüdern ein Exempel statuieren, dem sie sich durch die Flucht und Rückkehr nach Europa entzogen. Man landete, wie auch Bert Brecht kurz zuvor, in der jungen DDR, wo Hanns Eisler als Komponist der Nationalhymne zwar geehrt – aber als Künstler, der sich zu viele Freiheiten erlaubte, von den real existierenden Sozialisten im DDR-Regierungskader kaltgestellt wurde.

Ihm wurde eine Briefmarke gewidmet: der Komponist Hanns Eisler
Ihm wurde eine Briefmarke gewidmet: der Komponist Hanns Eisler Quelle: Public Domain

Mit Esprit!

Das alles und noch viel mehr ist Gegenstand der thematisch vielgestaltigen und mit unglaublichem Esprit geführten Gespräche zwischen Bunge und Eisler. Als bekennender Marxist liefert letzterer zudem in diesen Unterhaltungen eine Fülle an Paradebeispielen in Sachen angewandter Dialektik. Dinge und Kontexte sind eh nie so, wie sie scheinen. Und wenn man meint, sie endlich sich (und anderen) erklärt zu haben, wendet sich das Blatt, kommt das große „Aber“ aufs Tablett, beginnt die Erschließung von Neuem, ohne Aussicht auf ein Ende des Prozesses, den man Erkenntnis nennt. „Eislers enorme philosophische und literarische Bildung korrespondierte mit seiner musikalischen Genialität, seiner hochtrainierten kompositorischen Technik“, schrieb Stephan Hermlin in neidloser Bewunderung im bereits erwähnten Nachwort, das mit vielen Fußnoten zur Erläuterung der ausgesprochen empfehlenswerten Neuauflage der Gespräche beigegeben wurde.


Brecht ist Pop: „Bert Brechts Weimarer Geschichten“

Ein Buch, das Brecht neu beleuchtet
Ein Buch, das Brecht neu beleuchtet Quelle: J.B. Metzler

Gemeinhin wird alles, was Bertolt Brecht vor dem 31. August 1928, der Uraufführung der „Dreigroschenoper“ am Theater am Schiffbauerdamm in Berlin, an Dramen, Gedichten und Liedtexten verfasst hat, wie eine Art Vorspiel zum großen Durch- und Aufbruch seiner Weltkarriere behandelt. Dass man das auch ganz anders handhaben kann, beweist der Literaturwissenschaftler Jan Knopf auf grandiose Weise mit „Bert Brechts Weimarer Geschichten: Soziale Biografie“.

Brecht und Musik

Brecht von der Musik her denken, von seinen Gedichten, deren Verse er schuf oder gar schmiedete, während er auf einer Wandergitarre dazu Akkorde anschlug. Wer sich über die Klanghaftigkeit seiner Strophen wundert, sollte deren Entstehung im Auge behalten. Wie etwa Jan Knopf, der Brecht mit dessen Art zu dichten als „Singer/Songwriter“ an die Seite von Bob Dylan und somit in einen popkulturellen Kontext stellt, von dem im engeren Sinne erst ab Ende der 1940er Jahre – mit dem Aufkommen von Massenidolen wie Frank Sinatra und der explosionsartigen Ausweitung der Schallplattenindustrie in den prosperierenden 1950er Jahren – gesprochen werden kann.

Jahrzehnte vorher gab es vergleichbare Phänomene: Hits, die alle kannten und mitsangen. Musikverlage, die dafür Noten herausbrachten. Auch Tonträger gab es bereits in Form von Schellackplatten, die tausendfach über die Ladentische von Musikfachgeschäften gingen, und die auf tragbaren Grammophonen sogar im Schwimmbad oder am Strand abgespielt werden konnten.

Der Autor und Literaturwissenschaftler Jan Knopf
Der Autor und Literaturwissenschaftler Jan Knopf Quelle: privat

Für den Auftakt seiner „sozialen Biografie“ über Brechts Weimarer Jahre wählt Knopf Brechts Eisenbahnfahrt nach Berlin im Februar 1920. Dabei soll die erste Fassung seines Gedichtes „Erinnerung an die Marie A.“ entstanden sein, für das er einen alten französischen Schlager von Charles Malo mit dem Titel „Tu ne m’aimais pas“ als Vorlage nutzte.

Mit dem Vergleich zwischen Malos Gassenhauer und dem, was der Dichter daraus machte (und erstmals 1927 in „Bertolt Brechts Hauspostille“ mit Noten veröffentlichte) sowie dem, was heute noch an zeitgeschichtlichem Kontext realisiert werden kann, ist exemplarisch nachvollziehbar, wie der Autor sein etwas abseits der ausgetretenen Brecht-Forschungspfade angelegtes Sujet auch methodisch ungemein dicht darzustellen vermag.