Sonntag21. Dezember 2025

Demaart De Maart

EditorialTrumps Auftritt vor den Vereinten Nationen: Der Undertaker

Editorial / Trumps Auftritt vor den Vereinten Nationen: Der Undertaker
Trump bei den Vereinten Nationen: Nach seiner Rede voller Breitseiten gegen die Weltorganisation soll der US-Präsident zu deren Generalsekretär gesagt haben, dass sein Land zu hundert Prozent hinter den Vereinten Nationen stehe Foto: AFP/Timothy A. Clary

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Es hat wohl kaum jemanden gewundert, dass US-Präsident Donald Trump die Bühne der UN-Generalversammlung dazu nutzte, um kräftig auszuteilen und sich selbst in ein glanzvolles Licht zu stellen. Dabei waren ihm zwei Pannen besonders zweckdienlich: eine defekte Rolltreppe und ein nicht funktionierender Teleprompter. Beide lieferten die Steilvorlage für Trumps Rundumschlag gegen die Vereinten Nationen, die nach seinen Worten zwar großes Potenzial hätten, um Frieden zu schaffen, aber nicht annähernd an dieses Potenzial herankämen. Trotzdem soll er nach seiner Rede voller Breitseiten gegen die Weltorganisation zu deren Generalsekretär gesagt haben, dass sein Land zu hundert Prozent hinter den Vereinten Nationen stehe.

Es sah auf den ersten Blick aus, als würde Trump, der für fast jede Überraschung gut ist, wieder Volten schlagen, wie es die Weltöffentlichkeit von seinem oft als erratisch und sprunghaft bezeichneten Agieren auf internationaler Ebene gewohnt ist. Auch sein Kurswechsel in der Ukraine-Frage überrascht nicht wirklich. Hatte Trump vor nicht langer Zeit von der Ukraine noch Gebietsabtretungen an Russland verlangt und den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Alaska mit einem roten Teppich empfangen, zeigt er sich mittlerweile enttäuscht über den Kremlchef und hat den Druck auf Moskau erhöht. Nachdem er gemerkt hat, dass ihn Putin an der Nase herumführt und einen Keil in die NATO zu treiben versucht, sagt er jetzt, die Ukraine könne alle ihre von Russland besetzten Gebiete zurückerobern.

Hat im Weißen Haus gar tatsächlich ein Umdenken stattgefunden? Und wie ernst ist die amerikanische Beistandsversicherung gegenüber den europäischen Verbündeten gemeint, wenn aus den russischen Provokationen über dem NATO-Luftraum wirklich bitterer Ernst wird? Darüber hinaus hat sich nichts an Trumps Sicht auf die Welt geändert. Den Klimawandel bezeichnet er als den größten „Betrug aller Zeiten“. Unter dem Superlativ geht bei ihm bekanntlich nichts. Unterdessen verändert sich die Weltordnung. Der Multilateralismus sei nach wie vor wichtig, weil immer mehr Themen eine zunehmend globale Bedeutung erlangen, schreibt die in Washington erscheinende Zeitschrift Foreign Policy, stellt jedoch zugleich fest: „Das nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit der Gründung der Vereinten Nationen und anderer Organisationen geschaffene multilaterale System zerfällt nun vor unseren Augen.“ Dies erfordere eine ernsthafte Debatte darüber, warum es zerfällt und ob es gerettet werden könne.

Trump ist sicherlich nicht allein schuld am Ende des „Goldenen Zeitalters des Multilateralismus“. Die Amerikaner sind es seit Längerem leid, stets den Kopf hinzuhalten und Weltpolizisten zu spielen, während China nicht nur auf der neuen Seidenstraße zunehmend einen weltmachtpolitischen Kurs fährt und auch andere, etwa die Brics-Staaten und Länder des Globalen Südens, Ansprüche erheben. Und Europa? In fast allen Industrieländern sind rechtspopulistische und auf Besitzstandwahrung ausgerichtete Bewegungen und Parteien erstarkt, weil die politischen Eliten dieser Länder versagt haben, die Menschen auf die Veränderungen und Herausforderungen nur annähernd vorzubereiten, ohne dass es zu sozialen Zerwürfnissen kommt.

MAGA und „America first“ sind nur deren XXL-Version in dieser „multiplex order“, wie sie von Fachleuten genannt wird. Wer sich Trump als Totengräber des Multilateralismus vorstellt, muss damit rechnen, dass hinter ihm eine ganze Armee von „Undertakern“ steht. Das sind zum einen Figuren aus dem von Trump geschätzten Wrestling, dem sein Politikstil des Spektakels so sehr gleicht, aber auch jene Bestatter aus den Western, mit Zylinder und schwarzem Duster – und welche die alte Weltordnung zu Grabe tragen.