Erst knapp drei Monate ist Rumäniens neuer Krisenmanager im Amt – und hat sein erstes Etappenziel bereits verfehlt. Sein Haushaltsdefizit von zuletzt offiziell 9,3 Prozent werde der Karpatenstaat in diesem Jahr trotz aller Sparanstrengungen wohl doch nicht unter die Achtprozentmarke drücken können, bekannte vergangene Woche der konservative Regierungschef Ilie Bolojan (PNL) in einem Interview. Der Grund: Die miserable Haushaltslage, die der Chef einer brüchigen Vierparteienkoalition von seinen Vorgängern geerbt hatte, war offenbar noch kräftig geschönt.
Im vergangenen Wahlmarathonjahr hatte die gescheiterte große Koalition von Sozialisten (PSD) und Konservativen (PNL) von Ex-Premier Marcel Ciolacu (PSD) noch einmal mit kräftigen Wahlgeschenken aufgewartet – und von Finanzfachleuten empfohlene Einschnitte auf die lange Bank geschoben. Die Folgen blieben nicht aus. Statt wie behauptet 9,3 Prozent soll Rumäniens Haushaltsdefizit 2024 gar knapp zehn Prozent betragen haben – das mit Abstand höchste Defizit in der EU vor Polen (6,6 Prozent) und Frankreich (5,3 Prozent).
„Unpopuläre, aber unvermeidliche Korrekturmaßnahmen“ hatte Neupremier Bolojan seinen Landsleuten bei seinem Amtsantritt Ende Juni gelobt – und sie auch auf Druck der EU in ein enges Sparkorsett gezwängt. Denn das Defizit liegt über dem Dreifachen der Maastricht-Norm von drei Prozent.
Leer geplünderter Staatssäckel
Das Konzept des 56-jährigen Ex-Bürgermeisters von Oradea zur Sanierung des leer geplünderten Staatssäckels ist simpel – und schmerzhaft: Harte Personaleinschnitte in dem aufgeblähten Verwaltungsapparat, die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 19 auf 21 Prozent, Gehaltskürzungen im Gesundheits- und Bildungssektor, die Erhöhung des Rentenalters und Kürzung der Sonderrenten von Richtern sowie das Verbot, sich private Altersversicherungen auf einmal auszahlen zu lassen.
Nicht nur Gewerkschaften und viele Medien laufen gegen die als sozial ungerecht kritisierte Politik eines kompromisslos angezogenen Spargürtels empört Sturm, die ihrer Ansicht nach vor allem den kleineren Mittelstand und gehaltsschwächere Bevölkerungsgruppen zu treffen drohe. Widerstand bläst dem Premier auch aus den Reihen der keineswegs sehr homogenen Koalition seiner PNL mit der PSD, der Reformpartei USR und der ungarischen UDMR entgegen. Vor allem die PSD versucht, sich als eine Art koalitionsinterne Opposition zu profilieren.
Besonders die geplante Verwaltungsreform, die mit der Zusammenlegung von kleineren Kommunen und Landkreisen tausende von Stellen einsparen soll, ist nicht nur lokalen PSD-, sondern auch vielen PNL-Baronen ein Dorn im Auge. Gerade die Verwaltung bietet den Großparteien für ihren Anhang unzählige Versorgungsposten.
Umfragehoch für oppositionelle Populisten
Erschwerend kommt beim koalitionsinternen Dauerkrach hinzu, dass in der PSD der Machtkampf um die künftige Führung wogt. Interimsparteichef Sorin Grindeanu kann sich seiner Wahl beim noch nicht terminierten Parteitag nicht sicher sein. Er frage sich, wann der Parteitag des Koalitionspartners endlich steige, „damit wir wissen, wann die PSD wieder zur Ruhe kommt und bereit ist, sich den Regierungsaufgaben zu widmen“, klagte kürzlich entnervt der PNL-Abgeordnete Alexandru Muraru.
Während die Koalitionspartner streiten, erfreut sich die populistische Oppositionskonkurrenz eines ungekannten Umfragehochs: Mit 41 Prozent liegt die nationalistische AUR laut einer jüngsten Umfrage weit vor der PSD (18 Prozent), PNL (15 Prozent) und USR (13 Prozent). Premier Bolojan sieht angesichts der drohenden Aussetzung von EU-Mitteln zu seinem harten Sparkurs dennoch keine Alternative. „Wir können nicht so weitermachen wie bisher“, so sein Credo.
„Rumänien im Stresstest“ titelt das Onlineportal „adz.ro“, das den angeschlagenen Karpatenstaat in einer Sparzwickmühle sieht. Ohne Haushaltskonsolidierung drohten Rumänien die Herabstufung durch die Ratingagenturen und blockierte EU-Mittel. Mit einer harten Sparpolitik drohten umgekehrt neue Protestwellen und „Rezessionsrisiken“: „Rumänien geht in einen Herbst, der härter wird als vielen lieb ist.“
De Maart
„Rumänien geht in einen Herbst, der härter wird als vielen lieb ist.“
Ohne hellseherische Fähigkeiten zu haben, aber das kann wohl jeder VDL gebeutelter EU-Landesbürger behaupten.